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26. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Kanton St. Gallen gegen G. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_589/2007 vom 17. April 2008 | |
Regeste |
Art. 19 Abs. 3 BVG und Art. 20 BVV 2 (in den bis Ende 2004 gültig gewesenen Fassungen); Art. 46 der st. gallischen Verordnung vom 5. September 1989 über die Versicherungskasse für das Staatspersonal (VVK/ SG); Umfang der Hinterlassenenleistung an die geschiedene Person. |
Die - in casu gestützt auf Art. 46 Satz 2 VVK/SG anwendbare - Kürzungsregelung des Art. 20 Abs. 2 BVV 2 erlaubt die Anrechnung nur solcher Leistungen, welche durch den Tod des geschiedenen, unterhaltspflichtigen Ehegatten ausgelöst bzw. beeinflusst werden. Die AHV-Altersrente ist daher nicht bzw. lediglich im Umfange einer allfälligen, durch den Todesfall bedingten Erhöhung anrechenbar (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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B. Am 11. April 2006 erhob G. Klage beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und beantragte eine monatliche Rente in ![]() | 2 |
C. Der Kanton St. Gallen, Finanzdepartement, erhebt Beschwerde mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin ab 1. Oktober 2004 Anspruch auf eine monatliche Rente von Fr. 552.70 habe, diese jedoch zufolge vollständiger Kürzung solange nicht zur Auszahlung gelange, als die Beschwerdegegnerin von anderen Versicherungen, insbesondere der AHV, Renten von gesamthaft mehr als Fr. 1'400.- ausgerichtet erhalte. Eventuell sei die Rente auf Fr. 1'400.- festzusetzen unter Vorbehalt allfälliger Kürzungen. Zudem beantragt der Kanton die Erteilung der aufschiebenden Wirkung.
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Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde und ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf Vernehmlassung.
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Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 20. November 2007 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 3 | |
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3.2 Der Wortlaut des Art. 46 VVK/SG lässt nach den zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen beide genannten Lesarten zu, weshalb der Norminhalt unter Berücksichtigung weiterer Auslegungselemente zu ermitteln ist (vgl. E. 2.2 hievor und E. 3.3 ff. hiernach). ![]() | 14 |
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3.4 Die unterschiedliche Behandlung der geschiedenen und verwitweten Ehegatten ist weder gesetz- noch verfassungswidrig. Im Gegenteil trägt sie sachlich dem Umstand Rechnung, dass mit der Scheidung grundsätzlich (unter Vorbehalt der scheidungsrechtlich festgelegten Unterhaltsleistungen) die Beziehungen zwischen den Ehegatten beendet werden (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 112/05 vom 22. Dezember 2006, E. 4.2 und 4.3; B 85/04 vom 20. Dezember 2005, E. 3.2 und 3.4.2; B 87/04 vom 21. Dezember 2005, E. 5.5), welcher Gesichtspunkt für die Auslegung von Vorsorgereglementen herangezogen werden kann (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 9/04 vom 28. Dezember 2005, E. 2.4.2). Sie lässt sich übrigens auch versicherungstechnisch rechtfertigen, riskiert doch die Vorsorgeeinrichtung, dass sie bei wiederholter Verheiratung einer versicherten Person mehrere Hinterlassenenrenten ausrichten muss. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass ein ![]() | 16 |
Erwägung 3.5 | |
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3.5.2 Im Unterschied zu den in den zitierten Urteilen massgebenden Reglementen spricht Art. 46 VVK/SG allerdings nicht ausdrücklich von Mindestleistungen. Im Urteil B 89/05 vom 13. Februar 2006, auf das sich die Vorinstanz beruft, hat das Eidg. Versicherungsgericht eine Reglementsbestimmung, wonach die geschiedene Frau Anspruch auf eine "Witwenrente gemäss BVG" hat, so ausgelegt, dass damit auf den Prozentsatz gemäss Art. 21 BVG verwiesen, dieser aber nach der (weitergehenden) reglementarischen Altersrente bemessen werde. Ebenso hat es die in den (damaligen) Pensionskassenregelungen des Bundes enthaltene Bestimmung, wonach die Ehegattenrente der Witwenrente nach BVG entspricht, als Verweis auf den Prozentsatz der Hinterlassenenrente für den geschiedenen Ehegatten nach Art. 21 BVG ausgelegt; Bezugsgrösse sei aber die reglementarische Alters- oder Invalidenrente (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 59/99 vom 22. Mai 2002, E. 3b; B 52/00 vom 15. Januar 2001, E. 2b). Diese Urteile wurden ausser mit dem Hinweis auf den (im hier zu beurteilenden Fall freilich nicht eindeutigen, vgl. vorne E. 3.2) Wortlaut einerseits damit begründet, dass der Formulierung sonst auch eine zeitliche Bedeutung zukäme (weil die vorobligatorisch erworbenen ![]() | 18 |
Erwägung 3.6 | |
3.6.1 Zu beachten sind schliesslich die Materialien zur VVK/SG, welche der Beschwerde beigelegt sind (vgl. E. 3.1.2 hievor). Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht um unzulässige Noven (Art. 99 Abs. 1 BGG): Das Novenverbot gilt für neue Tatsachen und Beweismittel, bezieht sich mithin auf die Sachverhaltsebene (ULRICH MEYER, in: Niggli/Uebersax/ Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zum BGG, Basel 2008, ![]() | 19 |
3.6.2 In der Botschaft vom 11. Dezember 1984 zur Verordnung über die Versicherungskasse für das Staatspersonal wies der Regierungsrat darauf hin, dass infolge des Inkrafttretens des BVG die (alte) Verordnung über die Versicherungskasse für das Staatspersonal anzupassen sei (S. 1). Zu den wesentlichen Postulaten des BVG gehörten Ansprüche der geschiedenen Frau auf Vorsorgeleistungen (S. 4). Dementsprechend führte der kantonale Verordnungsgeber einen neuen Art. 27bis ein mit dem Wortlaut: "Die Ansprüche der geschiedenen Frau richten sich nach den Vorschriften des BVG." Nach den Erläuterungen des Regierungsrates handelte es sich dabei um eine "Anpassung an Art. 19 Abs. 2 BVG und Uebernahme von Art. 20 BVV 2" (a.a.O., S. 17). Mit der späteren Totalrevision von 1989 wurden u.a. die "vollständige Gleichstellung von Mann und Frau als Auswirkung von Art. 4 Abs. 2 der Bundesverfassung" (u.a. gleiche Witwen- und Witwerrente) und die Herstellung der Konformität mit den zwingenden Vorschriften des BVG beabsichtigt (Botschaft des Regierungsrates vom 5. September 1989 zur Verordnung über die Versicherungskasse für das Staatspersonal, S. 3). Diese Materialien lassen zwar nicht auf den konkreten Willen des historischen Verordnungsgebers zu Art. 46 VVK/SG schliessen, bestärken aber doch die Darstellung des Beschwerdeführers, wonach mit den Änderungen bezüglich der Leistungen an den geschiedenen Ehegatten das kantonale Recht gezielt an die übergeordneten Bestimmungen des Bundesrechts (BVG sowie Art. 4 Abs. 2 aBV) angepasst werden sollte. Ursprünglich zu Gunsten der geschiedenen Ehegatten ins Auge gefasste Verbesserungen (vgl. Erster Bericht des Finanzdepartements an den Regierungsrat zur Revision der Verordnung über die Versicherungskasse für das Staatspersonal, Entwurf vom 24. Februar 1989, S. 33) wurden in der Folge nicht realisiert. Anhaltspunkte dafür, dass für die geschiedenen Ehegatten überobligatorische Leistungen beabsichtigt gewesen wären, ergeben sich aus den Materialien keine, entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin namentlich auch nicht daraus, dass in einer Fussnote zu Art. 46 VVK/SG auf Art. 19 Abs. 3, Art. 21 und 24 BVG sowie Art. 20 BVV 2 hingewiesen wird (s. Botschaft des Regierungsrates vom 5. September 1989, S. 42, Fn. 18); die damals ![]() | 20 |
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4.1 Gemäss Art. 20 Abs. 2 BVV 2 kann die Leistung der Vorsorgeeinrichtung um jenen Betrag gekürzt werden, um den sie zusammen mit den Leistungen der übrigen Versicherungen, insbesondere AHV und IV, den Anspruch aus dem Scheidungsurteil übersteigt. Nach Auffassung des Beschwerdeführers fällt unter die anrechenbaren Leistungen auch die der Beschwerdegegnerin ausgerichtete, den Unterhaltsanspruch aus dem Scheidungsurteil betragsmässig übersteigende AHV-Altersrente mit der Folge, dass kein vorsorgerechtlicher Rentenanspruch bestünde. Die Vorinstanz hat eine entsprechende Anrechnung unter Berufung auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 6/99 vom 11. Juni 2001 (publ. in: SVR 2001 BVG Nr. 19 S. 73 = SZS 2003 S. 52) abgelehnt. In jenem Urteil erwog das Eidg. Versicherungsgericht, Art. 20 BVV 2, einschliesslich der Kürzungsmöglichkeit gemäss Abs. 2, bezwecke den Ersatz des Versorgerschadens, den die geschiedene Frau durch den Tod des früheren Ehegatten und den damit verbundenen Wegfall der Unterhaltsbeiträge erleide. Solange die geschiedene Ehefrau eine Witwenrente der AHV beziehe, habe die Vorsorgeeinrichtung nur den zufolge des Wegfalls der Unterhaltsbeiträge allenfalls verbleibenden Versorgerschaden auszugleichen. Für die Beurteilung des Anspruchs auf eine Witwenrente der beruflichen Vorsorge sei daher entscheidend, ob der durch den Tod des früheren Ehemannes erlittene Versorgerschaden durch neu entstandene Leistungsansprüche gegenüber anderen Versicherungen ausgeglichen werde. Dementsprechend wurde im genannten Urteil die (bereits vor dem ![]() | 23 |
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Erwägung 4.3 | |
4.3.1 Nach dem - insoweit klaren - Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 BVV 2 werden die "Leistungen der übrigen Versicherungen, insbesondere AHV und IV" angerechnet. Eine Einschränkung auf AHV- Hinterlassenenrenten unter Ausschluss der AHV-Altersrenten ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Vom klaren Wortlaut einer Vorschrift kann indessen abgewichen werden, wenn dafür triftige Gründe bestehen. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte ![]() | 25 |
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4.3.3 Der Beschwerdeführer verweist sodann darauf, dass nach der Rechtsprechung zu Art. 24 Abs. 2 BVV 2 (Urteil B 91/06 vom 29. Juni 2007, E. 3.1, und Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 14/01 vom 4. September 2001, E. 7) auch die AHV-Altersrente angerechnet wird, obwohl nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ausdrücklich nur die Leistungen anzurechnen sind, die "aufgrund des schädigenden Ereignisses ausgerichtet werden". Diesbezüglich ist jedoch der unterschiedliche systematische Kontext des Art. 24 BVV 2 zu beachten: Art. 24 BVV 2 steht im Abschnitt betreffend Überentschädigung und Koordination mit anderen Sozialversicherungen. Die Überentschädigungsregelungen wollen vermeiden, dass der Versicherte nach dem versicherten Ereignis insgesamt besser dasteht als vorher, dies nicht zuletzt im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach die Leistungen der 1. und 2. Säule zusammen (nur) die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen sollen (Art. 113 Abs. 2 lit. a BV); die Überentschädigungsregelung greift denn auch dann, wenn die Hinterlassenenleistungen (oder Invalidenleistungen) zusammen mit den andern anrechenbaren Einkünften 90 % des (gesamten) mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen (Art. 24 Abs. 1 BVV 2). Art. 20 BVV 2 steht demgegenüber im vorangehenden Abschnitt, welcher die grundsätzliche Höhe der Versicherungsleistung regelt, was einer allfälligen Kürzung wegen ![]() | 27 |
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Entsprechend dieser gesetzgeberischen Absicht beschränkte der Bundesrat in Art. 20 Abs. 2 BVV 2 den Anspruch der geschiedenen Frau auf den Versorgerschaden, der in der Regel tiefer liegt als die Leistung, welche die nicht geschiedene Witwe erhalten würde.
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4.4 Vor diesem Hintergrund ist das Urteil B 6/99 vom 11. Juni 2001 zu bestätigen, wonach es sich bei der Leistung gemäss Art. 20 BVV 2 um einen Ersatz für den Versorgerschaden handelt (vgl. E. 4.1 hievor), betragsmässig beschränkt auf den scheidungsrechtlich zugesprochenen Anspruch (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 30/93 vom 21. April 1994, E. 3a, publ. in: SZS 1995 S. 137). Auf dieser Grundlage ist es systemgerecht, die AHV-Altersrente nicht anzurechnen bzw. - so auch das Urteil B 1/06 vom 2. Juni 2006, auf das sich der Beschwerdeführer beruft - nur ![]() | 30 |
4.5 Im Sinne vorstehender Erwägungen haben auch der Bundesrat bzw. das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) immer den Standpunkt vertreten, Art. 20 Abs. 2 BVV gelte nur für kongruente Leistungen, d.h. Leistungen, die durch den Tod des ehemaligen Ehegatten ausgelöst werden; nicht dazu gehöre die auf einem anderen Versicherungsfall basierende Altersrente der AHV, es sei denn, diese erfahre durch den Tod des geschiedenen Mannes eine Erhöhung (Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 1 vom 24. Oktober 1986, Ziff. 2.; Botschaft des Bundesrates vom 15. November 1995 über die Änderung des ZGB, BBl 1996 I 101). Gleicher Auffassung ist die mehrheitliche Lehre (ENGLER, a.a.O., S. 176; MOSER, a.a.O., S. 153; a.M. GERHARD ![]() | 31 |
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Es ist unbestritten, dass der geschiedene Ehemann der Beschwerdegegnerin verpflichtet war, ihr eine indexierte Rente von Fr. 1'200.- (Indexstand 31. Dezember 1989) zu bezahlen, und dies per 1. Januar 2004 einer Rente von Fr. 1'530.40 entspricht. Ebenfalls unbestritten ist, dass der geschiedene Ehemann in der Zeit vor seinem Tod im Jahre 2004 lediglich eine Rente von Fr. 1'400.- bezahlt hatte. Der Beschwerdeführer macht geltend, durch stillschweigende Übereinkunft zwischen den geschiedenen Eheleuten sei die Rente auf diese Höhe plafoniert worden. Die Vorinstanz hat indessen festgestellt, dass die ehemaligen Ehegatten den Anspruch nicht einvernehmlich auf Fr. 1'400.- gekürzt hatten, sondern seitens der Klägerin lediglich darauf verzichtet wurde, rechtliche Schritte gegen die Missachtung der Indexierung einzuleiten. Diese Sachverhaltsfeststellung ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 BGG). Massgebend für den Umfang des Anspruchs ist der im Scheidungsurteil oder allenfalls in einem Abänderungsurteil festgelegte Betrag, ungeachtet allenfalls davon abweichender tatsächlicher Zahlungen (Urteil B 30/93 vom 21. April 1994, E. 3a, publ. in: SZS 1995 S. 137).
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6. Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin eine Rente in der Höhe des ![]() | 34 |
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