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32. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. und Helsana Versicherungen AG gegen Universitätsspital Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_202/2008 vom 29. Mai 2008 | |
Regeste |
Art. 12 Abs. 3, Art. 41, Art. 43, Art. 44 Abs. 1, Art. 49, Art. 89 KVG; Art. 85 Abs. 2 VAG; Zuständigkeit des kantonalen Schiedsgerichts. | |
Sachverhalt | |
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B. A. und die Helsana erhoben am 17. Februar 2006 beim Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich Klage gegen den Kanton Zürich mit dem Rechtsbegehren, es sei in Bezug auf die fragliche Behandlung der massgebende Tarif festzustellen; eventualiter sei festzustellen, dass die Helsana für die erbrachten Leistungen Fr. 13'192.05 zu bezahlen habe; subeventualiter sei festzustellen, dass mit der Zahlung von Fr. 13'192.05 sämtliche Leistungen abgegolten seien. Zur Begründung brachten sie im Wesentlichen vor, die geltend gemachte Vergütung verletze die Tarifvorschriften des KVG.
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Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich beantragte mit Stellungnahme vom 21. April 2006, auf die Begehren sei nicht einzutreten. Eventualiter sei A. zu verpflichten, dem Kanton Zürich Fr. 35'456.70 zu bezahlen. Mit Klageergänzung vom 24. Mai 2006 hielten die Klägerinnen an den gestellten Begehren fest.
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Während der Prozesshängigkeit erliess das Universitätsspital Zürich am 28. September 2006 gegenüber der Helsana Zusatzversicherungen AG eine Verfügung, worin sie diese verpflichtete, für die besagte Behandlung Fr. 35'135.- zu bezahlen.
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Im Verfahren vor Schiedsgericht beantragte der Kanton Zürich mit Klageantwort vom 29. September 2006, das Verfahren auf die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu beschränken und auf die Klage nicht einzutreten.
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Mit Beschluss vom 29. Januar 2008 trat das Schiedsgericht auf die Klage nicht ein.
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.2 Der Beschwerdegegner hat im vorinstanzlichen Verfahren die sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts bestritten, da die ausserkantonale Hospitalisation nicht medizinisch indiziert und daher keine KVG-Pflichtleistung sei. Die Vorinstanz ist zwar auf die Klage mangels eines Feststellungsinteresses nicht eingetreten, weil der Kanton Zürich den fraglichen Betrag verfügungsweise dem Zusatzversicherer auferlegt habe, was Gegenstand eines hängigen Rechtsmittelverfahrens bilde, hat aber ihre sachliche Zuständigkeit bejaht ![]() | 11 |
2.3 Die Beschwerdeführerinnen haben in ihrer Klage nicht behauptet, es stehe eine Leistung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zur Diskussion. Im Gegenteil steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin A. nicht aus medizinischen Gründen ein Spital ausserhalb ihres Wohnkantons aufsuchte. Der Grundversicherer muss demzufolge die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der im Wohnkanton der versicherten Person gilt (Art. 41 Abs. 1 Satz 3 KVG). Ebenso ist unbestritten, dass die Differenz zwischen diesem Tarif und dem vom Leistungserbringer verlangten (korrigierten) Betrag von Fr. 35'135.- zu Lasten der Zusatzversicherung geht (BGE 127 V 398 E. 2b/dd S. 404 f.). Es steht auch nicht (wie in BGE 127 V 398; BGE 133 V 123 oder RKUV 2004 Nr. KV 287 S. 298, K 124/02) in Frage, wie hoch die Leistungspflicht des Grundversicherers nach diesem Tarif ist. Nach der Darstellung der Beschwerdeführerinnen in ihrer vorinstanzlichen Klage besteht im Wohnkanton Aargau ein anwendbarer Tarif, nach welchem sich die Kosten der streitbetroffenen Behandlung auf Fr. 4'080.- belaufen. Diesen Betrag schuldet die Helsana aus der Grundversicherung. Schliesslich anerkennen die Beschwerdeführerinnen in ihrer vorinstanzlich eingereichten Klage, für die erfolgte Behandlung den Betrag von Fr. 13'192.05 zu schulden, also bedeutend mehr als die Vergütung, welche aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erbracht werden muss. Die Beschwerdeführerin A. ist somit nicht als obligatorisch Krankenpflegeversicherte betroffen, sondern als Schuldnerin einer nicht von der Sozialversicherung zu vergütenden Spitalrechnung. Die Helsana ihrerseits kann vom Ausgang des ![]() | 12 |
2.4 Das KVG regelt - entsprechend seiner Verfassungsgrundlage (Art. 34bis aBV bzw. heute Art. 117 BV) - nicht das gesamte schweizerische Gesundheitswesen, sondern einzig die soziale Krankenversicherung (Art. 1a Abs. 1 KVG). Auch die Leistungserbringer sind dem KVG nur insoweit unterstellt, als sie ihre Leistungen zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen. Wie das ganze KVG gelten dessen Tarifvorschriften ebenfalls grundsätzlich nur für diejenigen Leistungen, welche auf der Grundlage des KVG vergütet werden. Auch der Tarifschutz gilt nach dem Wortlaut von Art. 44 Abs. 1 KVG nur für "Leistungen nach diesem Gesetz", nicht aber für Leistungen, die mangels KVG-Deckung durch die Patienten selber oder allenfalls durch Zusatzversicherungen getragen werden (BGE 132 V 352 E. 2.5.1 S. 355; BGE 130 I 306 E. 2.1 S. 310; BGE 129 I 346 E. 3.2 S. 350 f.; BGE 126 III 345 E. 3b S. 350; vgl. auch BGE 131 V 133 E. 6 S. 139: "im Rahmen der Tätigkeit für die soziale Krankenversicherung"). So wird die Rechtmässigkeit von kantonalen Tarifen, welche die nicht vom KVG gedeckten Kosten in Pflegeheimen (Art. 50 KVG) oder die nicht vom KVG geregelten Tarife für Privatpatienten regeln, nicht im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren (Anfechtung des Tarifs nach aArt. 53 KVG bzw. heute Art. 34 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG; SR 173.32] oder schiedsgerichtliches Verfahren nach Art. 89 KVG) beurteilt, sondern auf dem Weg der ordentlichen öffentlichen Rechtspflege, selbst wenn behauptet wird, der Tarif verletze die ![]() | 13 |
2.5 Nach einem Teil der Lehre unterstehen allerdings auch Vergütungen für ausserkantonale Wahlbehandlungen gemäss Art. 41 Abs. 1 KVG dem Tarifrecht und Tarifschutz des KVG (MARKUS MOSER, Die Zuständigkeit der Kantonsregierung zur Tariffestsetzung nach KVG, in: SZS 2006 S. 16 ff., 23 ff., 27 f.; BEAT MEYER, Tarifschutz und Tarifgestaltung bei ausserkantonaler Hospitalisation in der sozialen Krankenversicherung, in: SZS 2004 S. 527 ff., 531 ff.; derselbe, Schranken und Freiräume von Art. 41 KVG, in: Thomas Gächter [Hrsg.], Ausserkantonale Hospitalisation: Eine Tür zu mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen- Bern/Zürich 2006, S. 1 ff., 12, Rz. 26). Diese Auffassung kann sich auf die Botschaft des Bundesrates zum KVG stützen (BBl BGE 1992 I 169, S. 175 f., 180 f.), widerspricht allerdings der dargelegten Grundkonzeption wie auch dem Wortlaut von Art. 44 Abs. 1 KVG. Jedenfalls kann ein solcher Tarifschutz nicht bedeuten, dass sämtliche Tarifbestimmungen des KVG auf derartige Vergütungen anwendbar wären. Namentlich können die Leistungserbringer für Wahlbehandlungen ausserkantonaler Patienten in Abweichung von Art. 49 Abs. 1 KVG eine Vollkostendeckung verlangen, weil die kantonale Leistung im Sinne von Art. 49 KVG entfällt (GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., S. 692 f. Rz. 874; BEAT MEYER, a.a.O. [2004], S. 537; BEAT MEYER, a.a.O. [2006], S. 14 Rz. 30; MARTIN BRUNNSCHWEILER, Aktuelle Rechtsprobleme der ![]() | 14 |
2.6 Wie weit im Einzelnen die Tarifbestimmungen des KVG auf die hier streitigen Leistungen anwendbar sind, kann offenbleiben. Denn jedenfalls kann in Fällen wie dem vorliegenden nicht von einer Streitigkeit im Sinne von Art. 89 KVG die Rede sein, weil weder ein Versicherer in seiner Eigenschaft als Grundversicherer noch ein Patient in seiner Eigenschaft als obligatorisch Krankenpflegeversicherter beteiligt ist. Handelt es sich beim Leistungserbringer um eine privatrechtliche Person, so sind sowohl das Verhältnis zwischen dem Leistungserbringer und dem Patienten als auch dasjenige zwischen dem Patienten und dem allenfalls zahlungspflichtigen Zusatzversicherer privatrechtliche Verhältnisse (Urteil 5C.52/2001 vom 14. Juni 2001, E. 1c nicht publ. in BGE 127 III 421, E. 1d S. 422 f.; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 28/06 vom 20. Juni 2006, E. 2.7 nicht publ. in BGE 132 V 352). Ist der Leistungserbringer - wie hier - eine öffentlich-rechtliche Person des kantonalen Rechts, so ist das Verhältnis zwischen Leistungserbringer und Patient dem öffentlichen Recht (inklusive Verfahrensrecht) ![]() | 15 |
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"Dès lors que la recourante met en cause le montant de la facture de l'Hôpital X. à raison de la protection tarifaire ou de ce qui en tient lieu, à défaut de convention, dans le régime obligatoire, cette question touche à la position particulière du fournisseur de soins dans le cadre de la LAMal et, comme telle, peut être soumise au tribunal arbitral" (E. 4).
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Aus dieser Begründung ist ersichtlich, dass sie nur für das "régime obligatoire" anwendbar ist; in jenem Fall war der Tarif des Wohnkantons nicht aktenkundig, so dass nicht auszuschliessen war, dass die Krankenkasse auch in ihrer Eigenschaft als Grundversicherin betroffen sein würde (sofern nämlich der massgebliche Tarif des Wohnkantons mindestens so hoch wäre wie der in Frage kommende Tarif des Standortkantons des Leistungserbringers). Hingegen kann aus diesem Entscheid nicht abgeleitet werden, dass das Schiedsgericht auch zuständig wäre, wenn - wie das hier der Fall ist - klar ist, dass eine Leistung aus Grundversicherung überhaupt nicht zur Diskussion steht.
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2.8 Entgegen der offenbaren Auffassung der Beschwerdeführerinnen bedeutet die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht, dass die Patienten schutzlos einer überhöhten Kostenforderung ausgeliefert wären. Soweit die Tarifgrundsätze des KVG materiell-rechtlich auch in diesen Verhältnissen anwendbar sind (vorne E. 2.5), kann ihre Einhaltung vorfrageweise auch in den massgebenden Verfahren des Privatrechts bzw. der ordentlichen Verwaltungsrechtspflege überprüft werden (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts K 139/97 vom 29. Dezember 1997, E. 3e nicht publ. in BGE 123 V 324, und K 59/02 vom 12. November 2002, E. 1.2), ohne dass die Streitsache dadurch zu einer solchen des Sozialversicherungsrechts ![]() | 19 |
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