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37. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_852/2007 vom 2. Juli 2008 | |
Regeste |
Art. 21 Abs. 1 ATSG; Art. 7 Abs. 1 IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung); Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV; Art. 133 StGB; Kürzung oder Verweigerung von Geldleistungen. |
Verweigerung der ganzen Rente im Falle eines Versicherten, welcher bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen zwei Personengruppen mit Einsatz von Schusswaffen schwere Kopfverletzungen erlitt (E. 2 und 4.5.3). | |
Sachverhalt | |
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B. Die Beschwerde des A. hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich in dem Sinne teilweise gut, dass es die Sache in teilweiser Aufhebung des Einspracheentscheides vom 18. Oktober 2004 an die IV-Stelle zurückwies, damit sie den Anspruch auf eine Kinderrente prüfe. Im Übrigen wies es das Rechtsmittel ab (Entscheid vom 28. September 2007).
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C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 28. September 2007 sei mit Ausnahme der Kinderrente aufzuheben und ihm ab (...) eine ganze Invalidenrente bei gleichzeitiger Kürzung derselben um höchstens 60 % zuzusprechen, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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Hat sich das versicherte Risiko Invalidität vor Inkrafttreten des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts verwirklicht und ist bis zu diesem Zeitpunkt keine Rente der Invalidenversicherung zugesprochen worden, beurteilt sich die Frage einer Leistungskürzung oder -verweigerung bis 31. Dezember 2002 nach aArt. 7 Abs. 1 IVG und ab 1. Januar 2003 nach Art. 21 Abs. 1 ATSG (vgl. BGE 130 V 329 und 445).
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Erwägung 4.5.1 | |
4.5.1.1 Ob eine Invalidenrente zu kürzen (und gegebenenfalls das Mass der Kürzung) oder ob die Leistung überhaupt zu verweigern ist, bestimmte sich unter der Herrschaft von aArt. 7 Abs. 1 IVG nach dem Verschulden der versicherten Person (BGE 111 V 186 E. 5a S. 196). Dabei genügte Grobfahrlässigkeit (BGE 121 V 45 E. 3b S. 47) nicht (BGE 119 V 171). Ebenso war eine Leistungskürzung infolge Herbeiführung der Invalidität bei Begehung einer schweren Verkehrsregelverletzung zulässig (BGE 119 V 241). Diese Regelung hat lediglich insofern eine Änderung erfahren, als in Art. 21 Abs. 1 ATSG von der Herbeiführung oder Verschlimmerung des Versicherungsfalles bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens die Rede ist. Diese sprachliche Neufassung hat jedoch inhaltlich nichts geändert. Das Gesetz sagt somit nach wie vor nicht, was unter Verschulden zu verstehen ist, insbesondere wann ein schwerer Fall vorliegt, welcher eine Leistungsverweigerung rechtfertigt. Klar ist, dass das strafrechtliche Verschulden allenfalls Ausgangspunkt bei der Umschreibung von zur Kürzung oder sogar Verweigerung einer Rente der Invalidenversicherung gestützt auf aArt. 7 Abs. 1 IVG oder Art. 21 Abs. 1 ATSG Anlass gebenden Verhaltensweisen sein kann. Darauf kann in der Regel aber nicht abgestellt werden, wie in der Beschwerde insoweit richtig vorgebracht wird. Die Kürzung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist eine verwaltungsrechtliche Sanktion. Sie bezweckt den ![]() | 14 |
Deshalb kann in objektiver Hinsicht grundsätzlich allein das abstrakte oder konkrete Gefährdungspotential für die versicherte Person selber von Bedeutung sein. Desgleichen kann subjektiv die Vorgehensweise, namentlich die Rücksichtslosigkeit des Verhaltens, nur insofern beachtlich sein, als dadurch die Gefahr, sich selber ernstlich und irreversibel zu verletzen oder allenfalls von Dritten verletzt zu werden, erst geschaffen oder erhöht wird. Nicht erforderlich ist eine richtige Vorstellung von der genauen Art des durch das vorwerfbare Verhalten eingegangenen Gesundheitsrisikos (BGE 111 V 186 E. 4b S. 195). Nur soweit reicht der Vorwurf, der eine Leistungskürzung oder sogar die Verweigerung der Leistung rechtfertigt. Die Beurteilung hat aufgrund der gesamten Umstände des konkreten Falles zu erfolgen (vgl. ALEXANDRA RUMO-JUNGO, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 3. Aufl. 2003, S. 200).
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4.5.1.2 Diese Konzeption liegt auch Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV (SR 832.202) zu Grunde. Nach dieser Bestimmung werden u.a. die Geldleistungen mindestens um die Hälfte gekürzt für Nichtberufsunfälle, die sich ereignen bei Beteiligung an Raufereien und Schlägereien, es sei denn, der Versicherte sei als Unbeteiligter oder bei Hilfeleistung für einen Wehrlosen durch die Streitenden verletzt worden. Der Tatbestand des Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV ist grundsätzlich verschuldensunabhängig konzipiert (so schon EVGE 1964 S. 73 E. 1 zu Art. 67 Abs. 3 KUVG) und weiter gefasst als der Straftatbestand der Beteiligung an einem Raufhandel gemäss Art. 133 StGB. Es genügt, dass das zu sanktionierende Verhalten objektiv gesehen die Gefahr einschliesst, in Tätlichkeiten überzugehen oder solche nach sich zu ziehen, und die versicherte Person dies erkannt hat oder erkennen musste. Das Verhalten muss nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, eine Gesundheitsschädigung von der Art des eingetretenen herbeizuführen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 325/05 vom 5. Januar 2006, E. 1 nicht publ. in BGE 132 V 27, aber publ. in: ![]() | 16 |
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4.5.3 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist somit nicht von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer unbeteiligte Dritte in die Auseinandersetzung hineinzog. Dabei kann offenbleiben, ob diese um den möglichen Gebrauch von Schusswaffen wussten. Die Gefährdung allfälliger unbeteiligter Dritter ebenso wie der diesbezügliche Vorwurf äusserst grosser Verantwortungslosigkeit haben für die Frage der Leistungskürzung oder -verweigerung ausser Acht zu bleiben. Insofern geht auch der Vergleich der Vorinstanz mit vorsätzlicher Brandstiftung fehl. Anderseits stellt bereits die Beteiligung des Beschwerdeführers an der Auseinandersetzung ein zur Leistungskürzung Anlass gebendes Verhalten dar. Nach der auch hier zu beachtenden Praxis im Bereich der Unfallversicherung ist ein Kürzungssatz von mindestens 50 % anzuwenden. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer letztlich einen ganz entscheidenden Anteil daran hatte, dass es überhaupt zu dieser als gewaltsam zu bezeichnenden Konfrontation kam. Dass es andere Möglichkeiten der Beilegung des seine Freundin betreffenden Streits um die Höhe des Mietzinses gegeben hätte, steht ausser Frage. Dabei musste der Beschwerdeführer damit rechnen, dass Schusswaffen zum Einsatz gelangen. Er ging sogar von diesem Szenario aus, war er doch selber auch bewaffnet. Der Einwand, er habe seine Waffe erst geladen, als er sichere Kenntnis vom Herannahen der ![]() | 18 |
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