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38. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle des Kantons Thurgau gegen Y. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_255/2007 vom 12. Juni 2008 | |
Regeste |
Art. 16 ATSG; Art. 28 Abs. 2 IVG; Präzisierung der Rechtsprechung bei Vorliegen eines unterdurchschnittlichen Valideneinkommens. |
In einem zweiten Schritt ist die Frage eines Abzuges vom anhand statistischer Durchschnittswerte ermittelten Invalideneinkommen zu prüfen, wobei zu beachten ist, dass allfällige bereits bei der Parallelisierung der Vergleichseinkommen mitverantwortliche invaliditätsfremde Faktoren im Rahmen des sogenannten Leidensabzuges nicht nochmals berücksichtigt werden dürfen (E. 5.2 und 6.2). | |
Sachverhalt | |
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 3. April 2007 gut und hob den Einspracheentscheid vom 19. Oktober 2006 auf mit der Feststellung, dass Y. ab 1. Mai 2004 Anspruch auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung habe.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, der Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau (ab 1. Januar 2008: Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau) vom 3. April 2007 sei aufzuheben.
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Während sich das Bundesamt für Sozialversicherungen dem Begehren der IV-Stelle anschliesst, lässt Y. die Abweisung der Beschwerde beantragen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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3.1 In der Verfügung vom 13. Februar 2006 ermittelte die IV-Stelle anhand der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (nachfolgend: LSE; LSE 2004, TA 1, Anforderungsniveau 4, Frauen), umgerechnet auf die durchschnittliche ![]() | 7 |
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Erwägung 4 | |
4.1 Was zunächst die Ermittlung des Valideneinkommens anbelangt, ist entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ![]() | 11 |
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4.3 Die Versicherte stammt aus der Türkei, ist Analphabetin, verfügt über äusserst rudimentäre Deutschkenntnisse und hat keine Berufsausbildung. Vor der Anstellung bei der Firma X. AG war sie ![]() | 13 |
Erwägung 5 | |
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5.2 Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage von statistischen Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert allenfalls zu kürzen. Mit dem sogenannten Leidensabzug wurde ursprünglich berücksichtigt, dass versicherte Personen, welche in ihrer letzten Tätigkeit körperliche Schwerarbeit verrichteten und nach Eintritt des Gesundheitsschadens auch für leichtere Arbeiten nurmehr beschränkt einsatzfähig sind, in der Regel das entsprechende durchschnittliche Lohnniveau gesunder Hilfsarbeiter nicht erreichen. Der ursprünglich nur bei Schwerarbeitern zugelassene Abzug entwickelte sich in der Folge zu einem allgemeinen behinderungsbedingten Abzug, wobei die Rechtsprechung dem Umstand Rechnung trug, dass auch weitere persönliche und berufliche Merkmale der versicherten Person wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Höhe des Lohnes haben können. Ein Abzug soll aber nicht automatisch, sondern nur dann erfolgen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die ![]() | 15 |
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Erwägung 6 | |
6.1 Die Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Gericht habe durch sein Vorgehen den höchstens zulässigen Abzug von 25 % vom Invalideneinkommen überschritten. Dabei vermischt sie die Frage der Parallelisierung der Vergleichseinkommen aus invaliditätsfremden Gründen einerseits und die Frage eines Abzuges vom statistisch ermittelten Invalideneinkommen andrerseits. Ihre Argumentation stützt sich auf vereinzelte Urteile der jüngeren Rechtsprechung, gemäss welchen invaliditätsfremde Faktoren nicht losgelöst von leidensbedingten Einschränkungen zu berücksichtigen seien, sondern insgesamt ein Abzug von höchstens 25 % statthaft sei (vgl. Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts U 231/05 vom 13. März 2006; U 303/06 vom 22. November 2006; I 141/07 vom 19. Juni 2007). Bei diesen Fällen lag ebenfalls ein unterdurchschnittliches Valideneinkommen vor, wobei die Parallelisierung der Vergleichseinkommen durch eine Korrektur auf Seiten des Invalideneinkommens vorgenommen ![]() | 17 |
6.2 Die Parallelisierung der Vergleichseinkommen einerseits und der Abzug vom statistisch ermittelten Invalideneinkommen andrerseits verfolgen unterschiedliche Ziele. Die Korrektur bei der Parallelisierung der Vergleichseinkommen dient dem Grundsatz, dass die Invalidenversicherung für invaliditätsbedingte Erwerbsunfähigkeit einzustehen hat. Würde diese Korrektur nicht vorgenommen, wäre der Invaliditätsgrad bei Versicherten mit unterdurchschnittlichem Valideneinkommen stets kleiner als bei Versicherten mit dem gleichen Gesundheitsschaden, jedoch durchschnittlichem Valideneinkommen. Dies würde gegen das Gebot der Rechtsgleichheit verstossen (vgl. dazu HARDY LANDOLT, Invaliditätsbemessung bei Schlechtverdienenden, in: René Schaffhauser/Franz Schlauri [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2006, Bd. 43, S. 56). Der Abzug vom Invalideneinkommen hingegen bezweckt, ausgehend von statistischen Werten ein Invalideneinkommen zu ermitteln, welches der im Einzelfall zumutbaren erwerblichen Verwertung der noch möglichen Verrichtungen im Rahmen der (Rest-)Arbeitsfähigkeit am besten entspricht (BGE 126 V 75 E. 5b/aa S. 79). Die beiden Instrumente sind daher auch bei der konkreten Ermittlung des Invaliditätsgrades grundsätzlich losgelöst voneinander zu behandeln, indem in einem ersten Schritt die Parallelisierung der Vergleichseinkommen, in einem zweiten Schritt ein allenfalls noch angebrachter Abzug vom Invalideneinkommen vorzunehmen ist. Dem Umstand, dass der Parallelisierung der Vergleichseinkommen einerseits und dem Abzug vom Invalideneinkommen andrerseits teilweise die gleichen invaliditätsfremden Faktoren zu Grunde liegen, wird - wie in E. 5.2 hievor dargelegt - dadurch Rechnung getragen, dass, soweit persönliche und berufliche Merkmale des konkreten Einzelfalles bereits im Rahmen der Parallelisierung der hypothetischen Vergleichsgrössen ![]() | 18 |
6.3 Zusammenfassend ist der vorinstanzliche Entscheid, in welchem das deutlich unterdurchschnittliche Valideneinkommen durch Herabsetzung des anhand der LSE ermittelten Invalideneinkommens um 30 % korrigiert und der durch die IV-Stelle gewährte 10%ige (rein) leidensbedingte Abzug bestätigt wurden, was beim Einkommensvergleich einen Invaliditätsgrad von 42 % ergab, nicht zu beanstanden. (...)
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