![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
8. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle des Kantons St. Gallen gegen D. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_560/2008 vom 12. Dezember 2008 | |
Regeste |
Art. 16 ATSG; Art. 28 Abs. 2 IVG; Präzisierung der Rechtsprechung bei Vorliegen eines unterdurchschnittlichen Valideneinkommens (speziell zum Hinweis in BGE 134 V 322 E. 6.2 S. 329 zum Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung). | |
![]() | |
1 | |
2 | |
(...)
| 3 |
3.4 In einer alternativen Begründung hat die Vorinstanz erwogen, das bescheidene Einkommen der Versicherten als Wirtin sei nicht darauf zurückzuführen, dass sie ihr Arbeitspensum aus freien Stücken reduziert habe, sondern darauf, dass die Erwerbstätigkeit ![]() | 4 |
3.4.1 Die Rente der Invalidenversicherung ist grundsätzlich eine Erwerbsausfall-Versicherungsleistung. Versichert ist nicht der Gesundheitsschaden an sich, sondern der durch den Gesundheitsschaden verursachte Verlust der Erwerbsmöglichkeit (Art. 1a lit. b IVG; Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 ATSG). Umgekehrt deckt die Invalidenversicherung nur diejenigen Erwerbsverluste ab, die durch Gesundheitsbeeinträchtigungen verursacht sind, nicht Einbussen, die auf andere Gründe (z.B. wirtschaftliche, persönliche usw.) zurückzuführen sind. Der Invaliditätsgrad wird deshalb bei Erwerbstätigen so bestimmt, dass das Einkommen, welches der Versicherte ohne Gesundheitsbeeinträchtigung erzielen könnte, demjenigen Einkommen gegenübergestellt wird, das er nach Eintritt des ![]() | 5 |
6 | |
3.4.3 Zu Unrecht hat sich die Vorinstanz auf die Rechtsprechung berufen, wonach invaliditätsfremde Umstände, welche zu einem erheblich unterdurchschnittlichen Valideneinkommen geführt haben, zu einer Einkommensparallelisierung führen (vorne E. 3.1). Denn diese Rechtsprechung will nur sicherstellen, dass die beiden Vergleichseinkommen auf gleichen Grundlagen ermittelt werden; sie ![]() | 7 |
Die Grundüberlegung, auf welcher die genannte Rechtsprechung beruht, ist die folgende: Wenn eine versicherte Person in derjenigen Tätigkeit, die sie als Gesunde ausgeführt hat, einen deutlich unterdurchschnittlichen Lohn erzielt, weil ihre persönlichen Eigenschaften (namentlich fehlende Ausbildung oder Sprachkenntnisse, ausländerrechtlicher Status) die Erzielung eines Durchschnittslohnes verunmöglichen, dann ist nicht anzunehmen, dass sie mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung behaftet einen (anteilmässig) durchschnittlichen Lohn erzielen könnte. Stellt man auf ein Valideneinkommen ab, das aus den genannten Gründen deutlich unter den branchenüblichen Ansätzen lag, dann dürfen deshalb diese invaliditätsfremden Faktoren auch bei der Festlegung des zumutbaren Invalidenlohnes nicht ausser Acht gelassen werden (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 362/88 vom 4. April 1989 E. 3b, in: ZAK 1989 S. 456). Die Parallelisierung der Einkommen trägt somit dem Umstand Rechnung, dass die versicherte Person als Invalide realistischerweise nicht den Tabellenlohn erzielen kann, weshalb ein entsprechend tieferes Invalideneinkommen anzunehmen ist (Urteil 9C_488/2008 vom 5. September 2008 E. 6.4, zusammengefasst in: SZS 2008 S. 570; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 428/04 vom 7. Juni 2006 E. 7.2.2; I 630/02 vom 5. Dezember 2003 E. 2.2.2). Nun führt es mathematisch zum gleichen Ergebnis, wenn das Invalideneinkommen reduziert, wie wenn das Valideneinkommen entsprechend erhöht wird. Deshalb ist es methodisch auch zulässig, das Valideneinkommen aufzurechnen, anstatt das Invalideneinkommen zu reduzieren (Urteil 9C_488/2008 vom 5. September 2008 E. 6.1). Das ändert aber nichts daran, dass es in Wirklichkeit darum geht, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass realistischerweise im Invaliditätsfall nur ein unterdurchschnittliches Invalideneinkommen erzielt werden kann. Die Abwertung des Invalideneinkommens ist entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (HARDY LANDOLT, Invaliditätsbemessung bei Schlechtverdienenden - Ein ![]() | 8 |
9 | |
3.4.5 An der dargelegten Regelung ändert auch der Umstand nichts, dass bei Versicherten, die im Aufgabenbereich tätig sind, für die ![]() | 10 |
3.4.6 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung schliesst nicht aus, dass auch bei Erwerbstätigen unter Umständen nicht auf das zuletzt erzielte Einkommen abgestellt wird. Das trifft bei selbstständig Erwerbenden dann zu, wenn aufgrund der Umstände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der Versicherte im Gesundheitsfall seine nicht einträgliche selbstständige Tätigkeit aufgegeben und eine besser entlöhnte andere Tätigkeit angenommen hätte (vgl. etwa Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 696/01 vom 4. April 2002 E. 4b/bb, in: Plädoyer 2002 3 S. 73 und AJP 2002 S. 1487; I 608/02 vom 23. April 2003 E. 3.2), oder dann, wenn die vor der Gesundheitsbeeinträchtigung ausgeübte selbstständige Tätigkeit wegen ihrer kurzen Dauer keine genügende Grundlage für die Bestimmung des Valideneinkommens darstellt, zumal in den ersten Jahren nach Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit üblicherweise aus verschiedenen Gründen (hohe Abschreibungsquote auf Neuinvestitionen etc.) die Betriebsgewinne gering sind (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 761/02 vom 5. März 2003 E. 3.2; so auch in dem von der Vorinstanz zitierten Urteil I 42/01 vom 16. Mai 2001). Wenn sich hingegen der Versicherte, auch als seine Arbeitsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war, über mehrere Jahre hinweg mit einem bescheidenen Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit begnügt hat, ist dieses für die Festlegung des Valideneinkommens massgebend, selbst wenn besser entlöhnte Erwerbsmöglichkeiten bestanden hätten (BGE 125 V 146 E. 5c/bb ![]() | 11 |
3.4.7 Vorliegend hat die Beschwerdegegnerin rund zehn Jahre lang eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt. Darin liegt keine kurze Dauer im Sinne der genannten Rechtsprechung. Es bestehen auch sonst keinerlei Anzeichen oder Anhaltspunkte, dass sie ohne die gesundheitliche Beeinträchtigung ihre Tätigkeit als Wirtin zugunsten einer besser entlöhnten Tätigkeit aufgegeben hätte. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wäre sie im Gesundheitsfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der bisherigen Tätigkeit verblieben. Es besteht deshalb kein Grund, das aus wirtschaftlichen Gründen unterdurchschnittliche Valideneinkommen auf einen durchschnittlichen Tabellenlohn aufzurechnen.
| 12 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |