BGE 135 V 232 | |||
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28. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Freizügigkeitsstiftung X. gegen P. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_1060/2008 vom 26. Mai 2009 | |
Regeste |
Art. 25a FZG; Art. 73 Abs. 3 BVG; örtliche Zuständigkeit. | |
Sachverhalt | |
A. Die Freizügigkeitsstiftung X. (nachfolgend: Freizügigkeitsstiftung) löste am 28. Februar 2006 das seit kurzem bestehende Freizügigkeitskonto des D. vorzeitig auf und zahlte die Austrittsleistung von Fr. 106'329.30 nach dessen Weisungen aus. Seine Ehefrau P. erhob am 3. April 2006 Klage auf Scheidung. In diesem Verfahren bestritt die Freizügigkeitsstiftung die Existenz einer teilbaren Austrittsleistung, während die Ehefrau geltend machte, die Saldierung des Freizügigkeitskontos sei ohne ihre Zustimmung erfolgt. Mit Entscheid des Kreisgerichts vom 7. Dezember 2006 wurde die Ehe der P. und des D. geschieden (Dispositiv-Ziffer 1) und u.a. der jeweilige Anspruch der Parteien auf die Hälfte der nach Freizügigkeitsgesetz für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten festgestellt (Dispositiv-Ziffer 6). Am 27. Februar 2007 überwies das Kreisgericht die Sache zur weiteren Beurteilung an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen. Dieses räumte P. Gelegenheit ein, gegen die Freizügigkeitseinrichtung beim "zuständigen Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft" Klage zu erheben und sistierte das bei ihm anhängig gemachte Vorsorgeausgleichsverfahren.
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B. P. erhob am 27. Juni 2008 beim Kantonsgericht Basel-Landschaft Klage gegen die Freizügigkeitsstiftung mit folgenden Rechtsbegehren:
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1. Es sei festzustellen, dass die Beklagte die Freizügigkeitsleistung des D. im Betrag von Fr. 106'214.95 am 20. Februar 2006 an ihn ausbezahlt hat, ohne dass die erforderliche Zustimmung der Klägerin als Ehefrau vorlag.
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2. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin auf deren Vorsorgeeinrichtung mit Fr. 53'107.45 zuzüglich gesetzliche Zinsen vom 21. Februar 2006 bis zur effektiven Überweisung (abzüglich ˝ der eigenen Austrittsleistung gemäss Art. 122 ZGB) den ihr gemäss Scheidungsurteil zustehenden hälftigen Anspruch zu bezahlen.
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Mit Entscheid vom 21. November 2008 trat das Gericht mangels örtlicher Zuständigkeit auf die Klage nicht ein und überwies die Angelegenheit zuständigkeitshalber zur weiteren Behandlung an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen.
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C. Die Freizügigkeitsstiftung lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des Entscheids vom 21. November 2008 sei das Kantonsgericht Basel-Landschaft zu verpflichten, auf die Klage einzutreten.
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P. lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen, während das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme verzichten.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Umstritten ist einzig die örtliche Zuständigkeit des Gerichts für die Beurteilung des Anspruchs der geschiedenen Ehefrau gegen die Freizügigkeitsstiftung aufgrund der vor der Scheidung erfolgten Barauszahlung eines Freizügigkeitsguthabens an den Ehemann. Die Vorinstanz verneint ihre Zuständigkeit und hält gestützt auf Art. 25a FZG (SR 831.42) das Vorsorgegericht des Scheidungskantons für zuständig. Die Freizügigkeitsstiftung beruft sich hingegen auf Art. 73 Abs. 3 BVG (SR 831.40) und beharrt als Beklagte auf dem Gerichtsstand an ihrem Sitz. Nicht bestritten ist die sachliche Zuständigkeit eines kantonalen Berufsvorsorgegerichts im Sinne von Art. 73 Abs. 1 lit. a BVG.
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Erwägung 2 | |
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Können sich die Ehegatten über die bei der Ehescheidung zu übertragende Austrittsleistung (Art. 122, 123 ZGB) nicht einigen, so hat das am Ort der Scheidung zuständige Berufsvorsorgegericht gestützt auf den vom Scheidungsgericht bestimmten Teilungsschlüssel die Teilung von Amtes wegen durchzuführen, nachdem ihm die Streitsache überwiesen worden ist (Art. 25a Abs. 1 FZG).
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Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis (BGE 134 V 170 E. 4.1 S. 174).
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2.3 An einer (genehmigungsfähigen, vgl. Art. 141 Abs. 1 ZGB) Vereinbarung fehlt es auch, wenn mindestens ein Ehegatte mit einer beteiligten Vorsorgeeinrichtung über die Existenz einer teilbaren Austrittsleistung oder deren Höhe streitet (Botschaft vom 15. November 1995 über die Änderung des ZGB, BBl 1996 I 111 Ziff. 233.46; HERMANN WALSER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 3. Aufl. 2006, N. 7 zu Art. 142 ZGB; BAUMANN/LAUTERBURG, in: FamKomm, Scheidung, 2005, N. 2 und 4 zu Art. 142 ZGB; THOMAS GEISER, Berufliche Vorsorge im neuen Scheidungsrecht, in: Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, 1999, S. 100 Rz. 2.120). Bei dieser Sachlage erfolgt in Bezug auf die berufliche Vorsorge eine Zweiteilung des Verfahrens gemäss Art. 142 ZGB und Art. 25a FZG: Das Scheidungsgericht setzt den Teilungsschlüssel fest und überweist die Sache an das Berufsvorsorgegericht; dieses nimmt die Teilung vor, indem es die jedem der geschiedenen Ehegatten per Saldo zustehenden Austrittsleistungen gegenüber den beteiligten Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen betragsmässig verbindlich festlegt (vgl. WALSER, a.a.O., N. 5 zu Art. 142 ZGB; GLOOR/UMBRICHT LUKAS, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2007, N. 6 zu Art. 142 ZGB). Dadurch wird einerseits der u.a. in Art. 125 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 8 ZGB festgehaltene Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils (vgl. DANIEL STECK, in: FamKomm, Scheidung, 2005, N. 20 der Vorbemerkungen zu Art. 196-220 ZGB) durchbrochen; andererseits sind neben den geschiedenen Ehegatten auch alle beteiligten Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen in das Teilungsverfahren einzubeziehen (Art. 142 Abs. 3 Ziff. 3 ZGB und Art. 25a Abs. 2 FZG). Dass der Gerichtsstand für die Teilung der Austrittsleistungen ebenfalls - und ausschliesslich - im Scheidungskanton liegt (Art. 25a Abs. 1 FZG; BBl 1996 I 112 Ziff. 233.46; GEISER, a.a.O., S. 100 Ziff. 2.119), dient daher der Vereinfachung des Verfahrens und, dank der umfassenden Regelung der Rechte und Pflichten aller Beteiligten, der Rechtssicherheit.
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2.4 Wegen Unzulässigkeit der Barauszahlung einer Freizügigkeitsleistung an eine verheiratete Person kann der geschiedene Ehegatte mit gerichtlich festgestelltem Teilungsanspruch (Art. 141 f. ZGB; vgl. auch Art. 123 Abs. 2 ZGB; SZS 2004 S. 375, B 90/01 E. 3.2) sowie die Witwe oder der Witwer (Art. 15 Abs. 1 lit. b FZV [SR 831. 425] in Verbindung mit Art. 19 BVG; vgl. BGE 130 V 103) Schadenersatz geltend machen. Der (noch) verheiratete Ehepartner hingegen kann die Unzulässigkeit der Barauszahlung feststellen lassen (BGE 128 V 41 E. 3 S. 48 f.). Der Schadenersatzanspruch des geschiedenen Ehegatten ist grundsätzlich auf den vom Scheidungsgericht festgelegten Anteil der nach Art. 22 Abs. 2 FZG zu ermittelnden Austrittsleistung beschränkt (SZS 2007 S. 164, B 126/04 E. 3.2). Bei der Schadensermittlung sind jedoch auch die - aufgrund des familienrechtlichen Teilungsanspruchs - gegenüber weiteren involvierten Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtungen (vgl. Art. 142 Abs. 3 Ziff. 3 ZGB und Art. 25a Abs. 2 FZG) bestehenden Anwartschaften von Amtes wegen zu berücksichtigen (Art. 73 Abs. 2 BVG). In dieser Situation sind die Ansprüche auf Schadenersatz und Teilung der Austrittsleistungen untrennbar miteinander verwoben. Daher ist das Berufsvorsorgegericht am Ort der Scheidung, nachdem ihm das Scheidungsgericht die Sache überwiesen hat, zwingend auch für die vorfrageweise Beurteilung der während der Ehe erfolgten Barauszahlung einer Freizügigkeitsleistung und eines sich daraus ergebenden Schadenersatzanspruchs zuständig. In der Folge hat es die Höhe der zu berücksichtigenden Austrittsleistungen festzusetzen und die Teilung vorzunehmen.
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