BGE 135 V 306 | |||
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38. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Sozialversicherungen gegen F. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_763/2008 vom 19. Juni 2009 | |
Regeste |
Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV; Rentenrevision; Zeitpunkt, ab welchem die Herabsetzung oder Aufhebung der Rente wirksam wird. | |
Sachverhalt | |
A. Mit Verfügungen vom 23. Februar 1999 verneinte die IV-Stelle des Kantons Thurgau (nachfolgend: IV-Stelle) den Anspruch des 1970 geborenen F. auf berufliche Massnahmen und Invalidenrente, was mit Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 18. August 1999 bestätigt wurde. Nach einer Neuanmeldung des Versicherten sprach ihm die IV-Stelle mit Verfügung vom 12. Juli 2004 mit Wirkung ab 1. März 2002 eine ganze Invalidenrente (Invaliditätsgrad 100 %) zu. Im Juli 2005 leitete sie ein Revisionsverfahren ein. Mit Verfügung vom 31. Oktober 2006 gewährte sie dem Versicherten ab 1. Dezember 2006 eine ganze Invalidenrente (Invaliditätsgrad 100 %). In der Folge holte sie ein polydisziplinäres Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 11. April 2007 mit Ergänzung vom 8. August 2007 ein. Mit Verfügung vom 15. Oktober 2007 eröffnete die IV-Stelle dem Versicherten, die Invalidenrente werde nach Zustellung der Verfügung auf Ende des folgenden Monats aufgehoben. Gleichentags teilte sie ihm mit, sie gewähre ihm Beratung und Unterstützung bei der Stellensuche.
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B. In teilweiser Gutheissung der gegen die Rentenaufhebungsverfügung eingereichten Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die IV-Stelle an, dem Versicherten bis Ende Februar 2008 eine Invalidenrente auszurichten. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Es sah von einer Zusprechung einer Parteientschädigung an den Versicherten zu Lasten der IV-Stelle ab (Entscheid vom 13. August 2008).
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C. Mit Beschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) die Aufhebung des kantonalen Entscheides; der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
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Der Versicherte schliesst auf Abweisung der Beschwerde und verlangt Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Die IV-Stelle und das kantonale Gericht verzichten auf eine Vernehmlassung. (...)
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D. Die I. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat bezüglich der Rechtsfrage, ob die Monatsfrist von Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV (SR 831.201) in begründeten Fällen verlängert werden kann, die Stellungnahme der II. sozialrechtlichen Abteilung eingeholt (Art. 23 Abs. 2 BGG).
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Die Beschwerde wird gutgeheissen.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 7 | |
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7.2 Indessen wurde in den Erläuterungen zu Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV, die vom BSV angerufen werden (vgl. nicht publizierte E. 3.2), Folgendes ausgeführt: Ist der Bezüger einer Invalidenrente nicht mehr im erforderlichen Ausmass invalid, so wird ihm mit einer Verfügung mitgeteilt, die Rente werde herabgesetzt oder aufgehoben. Nach der geltenden Regelung erfolgt die Korrektur vom nächstfolgenden Monat an. Dies kann den Versicherten in eine schwierige finanzielle Lage bringen. Deshalb wird ihm künftig die Rente noch für einen weiteren Monat ausgerichtet (ZAK 1982 S. 336). Im vom BSV ebenfalls ins Feld geführten Entscheid des Eidg. Versicherungsgerichts (seit 1. Januar 2007 Bundesgericht) vom 2. Juli 1985 wurde Folgendes erwogen: Nach Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV sind Renten oder Hilflosenentschädigungen frühestens vom ersten Tag des zweiten der Zustellung der Verfügung folgenden Monats an herabzusetzen oder aufzuheben. Diese ab 1. Januar 1983 geltende Bestimmung stellt abweichend von der früheren Regelung sicher, dass Leistungen erst nach einem zusätzlichen Monat herabgesetzt oder aufgehoben werden. Damit soll dem Versicherten Gelegenheit gegeben werden, die sich aufdrängenden Vorkehren zu treffen (BGE 111 V 219 E. 3 S. 225, übersetzt in: ZAK 1986 S. 342). Entstehungsgeschichtlich und im Lichte dieser Rechtsprechung ist mithin davon auszugehen, dass mit der Revision von Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV die Herabsetzung oder Aufhebung der Rente um eine nicht verlängerbare Frist von einem Monat hinausgeschoben wurde.
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Für dieses Ergebnis spricht auch die systematische und teleologische Auslegung. Art. 88a IVV geht Art. 88bis IVV im rechtslogischen Ablauf der Verordnungsanwendung vor (BGE 105 V 262; ULRICH MEYER-BLASER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 1997, S. 263). Art. 88a IVV fixiert die Bedingungen, unter denen eine Rente modifiziert werden kann. Art. 88bis IVV bestimmt lediglich die zeitliche Wirkung des geänderten Rentenanspruchs im Revisionsverfahren (JEAN-LOUIS DUC, L'assurance-invalidité, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2007, S. 1497 Rz. 267). Der Begriff "frühestens" in Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV soll lediglich im systematischen Zusammenhang mit Art. 88a Abs. 1 IVV vermeiden, dass der bereits früher entstandene geänderte Rentenanspruch rückwirkend wirksam wird (siehe nicht publizierte E. 5). Die in Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV verankerte Frist für den Beginn der Wirksamkeit der Revision kann demnach nicht verlängert werden, weshalb die von der Vorinstanz in diesem Rahmen gewährte längere Anpassungsfrist (vgl. nicht publizierte E. 3.1 und 6) nicht berücksichtigt werden kann. Der vorinstanzliche Entscheid ist demnach in diesem Punkt aufzuheben.
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