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50. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Freizügigkeitsstiftung 2. Säule der Neuen Aargauer Bank (NAB-2) gegen P. und T. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_593/2009 vom 24. November 2009 |
Art. 122 und 142 ZGB; Art. 65 IPRG; Art. 26 LugÜ; Art. 73 Abs. 3 BVG; Art. 25a FZG. |
Art. 30c Abs. 5 BVG; Art. 331e Abs. 5 OR; Art. 1 ff. WEFV. | |
Sachverhalt | |
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A.a T. und P., beide italienische Staatsangehörige, heirateten 1984 in Italien. In der Folge wohnte das Ehepaar zeitweise in der Schweiz, wo der Ehemann eine berufsvorsorgeversicherte Erwerbstätigkeit ausübte. Mit Urteil des Tribunale Civile di X., Italien, vom 13. März 2004, in Rechtskraft erwachsen am 16. März 2004, wurde die Ehe geschieden. Bezüglich der beruflichen Vorsorge enthielt das Urteil die Genehmigung folgender Vereinbarung: "i coniugi chiedono reciprocamente che quanto accumulato in Svizzera durante il periodo previdenziale e rapportato agli anni di matrimonio sia suddiviso in parti uguali, o compensato tra gli stessi secondo le previsioni della legge federale svizzera". In der Folge unterblieb eine Teilung der Vorsorgeguthaben.
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A.b Am 31. Mai 2005 trat T. aus seiner bisherigen Pensionskasse aus, worauf sein Freizügigkeitsguthaben im Betrag von Fr. 44'647.85 per 21. Juni 2005 an die Freizügigkeitsstiftung 2. Säule der Neuen Aargauer Bank (im Folgenden: NAB-2) überwiesen wurde. Am 10. Juli/18. August 2005 stellte T. bei der NAB-2 einen Antrag auf Vorbezug des Freizügigkeitskapitals zum Erwerb von Wohneigentum. Auf dem Antragsformular gab er als Zivilstand "geschieden" an. Die NAB-2 bezahlte das gesamte Freizügigkeitsguthaben in der Höhe von Fr. 44'776.20 per 2. September 2005 an T. und liess beim Grundbuchamt Y. eine Veräusserungsbeschränkung gemäss Art. 30e BVG (SR 831.40) auf dem Grundstück Nr. 1553 Z. anmerken.
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B. Am 5. Dezember 2007 erhob P. beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Klage gegen T. und die NAB-2 mit dem Antrag:
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"Es wird festgestellt, dass die zu teilende Austrittsleistung der Einrichtungen der beruflichen Vorsorge CHF (...) beträgt;
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Die Freizügigkeitsstiftung 2. Säule der Neuen Aargauer Bank (NAB-2) wird angewiesen, der aktuellen Pensionskasse von Frau P., Basilese, Assicurazione no 51/2.052.404-3, AHV-Nr. XY (bzw. einer allfälligen Nachfolge-Einrichtung) CHF (...) zu überweisen."
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Mit Urteil vom 3. Juni 2009 hiess das Versicherungsgericht die Klage gut und verpflichtete die NAB-2, auf das Vorsorgekonto von P. Fr. 20'139.- zu überweisen.
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P. beantragt Abweisung der Beschwerde, während T. und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung verzichten.
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D. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 17. September 2009 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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3. Der Anspruch auf Vorsorgeausgleich richtet sich gegen den pflichtigen Ehegatten. Soweit die zu teilende Masse bei einer Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung liegt, wird der Anspruch so erfüllt, dass die Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung des schuldnerischen Ehegatten den entsprechenden Betrag an diejenige des Gläubigers überträgt. Deshalb werden die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge in das Verfahren vor dem Berufsvorsorgegericht einbezogen, damit das Urteil auch für sie verbindlich wird (Art. 25a Abs. 2 FZG; Botschaft vom 15. November 1995 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Personenstand, etc.], BBl 1996 I 111 f. Ziff. 233.46; vgl. BGE 128 V 41 E. 3b; BGE 129 V 444 E. 5.2). Das gilt auch dann, wenn bei der Vorsorgeeinrichtung des pflichtigen Ehegatten trotz einem Vorbezug noch genügend Austrittsleistung vorhanden ist, um die Forderung des berechtigten Ehegatten zu decken (ANDREA BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung und Scheidung, 2008, S. 303 f.; THOMAS GEISER, Vorsorgeausgleich: Aufteilung bei Vorbezug für Wohneigentumserwerb und nach Eintreten eines Vorsorgefalls, FamPra.ch 2002 S. 83 ff., 90; DANIEL R. TRACHSEL, Spezialfragen im Umfeld des scheidungsrechtlichen Vorsorgeausgleiches: Vorbezüge für den Erwerb selbstbenutzten Wohneigentums und Barauszahlungen nach Art. 5 FZG, FamPra.ch 2005 S. 529 ff., 536). Soweit jedoch bei der Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung des pflichtigen Ehegatten infolge eines Vorbezugs ![]() | 15 |
Erwägung 4 | |
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4.2 Die Vorinstanz hat erwogen, der Vorbezug sei unzulässig gewesen, weil er erfolgt sei, bevor die im Scheidungsurteil angeordnete Teilung der Austrittsleistung vorgenommen worden sei. Analog zur Rechtsprechung im Falle der ohne Zustimmung der Ehefrau erfolgten Barauszahlung habe sich der berechtigte Ehegatte in erster Linie an den anderen Ehegatten zu wenden; in zweiter Linie könne er sich ![]() | 17 |
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6.1 Die vorliegende Fallkonstellation unterscheidet sich wesentlich von den von der Vorinstanz zitierten Barauszahlungsfällen. Zutreffend ist zwar, dass eine Analogie besteht zwischen den Fällen der Barauszahlung und dem Vorbezug, indem gemäss Art. 5 Abs. 2 FZG, Art. 30c Abs. 5 BVG und Art. 331e Abs. 5 OR beide bei verheirateten Versicherten ohne Zustimmung des Ehegatten nicht "zulässig" sind (vgl. BGE 132 V 347 E. 3.3). Im Verstoss gegen diese Gesetzesbestimmungen liegt der Rechtsgrund für die Schadenersatzpflicht der Einrichtung der beruflichen Vorsorge (E. 4.1 hievor). Vorliegend war jedoch der Versicherte im Zeitpunkt des Vorbezugs geschieden; der ohne Zustimmung der Beschwerdegegnerin ![]() | 20 |
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6.4 Beeinträchtigt durch den Vorbezug wird somit nicht der Rechtsanspruch der Beschwerdegegnerin, sondern höchstens das Vollstreckungssubstrat für diesen Rechtsanspruch: Hat der frühere Ehemann keine freien Mittel, um den Ausgleichsanspruch der Beschwerdegegnerin zu erfüllen, so kann er allenfalls das mittels des Vorbezugs ![]() | 23 |
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6.6.3 Auch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen rechtfertigt es sich nicht, der Vorsorgeeinrichtung die Pflicht aufzuerlegen, bei geschiedenen Versicherten das Scheidungsurteil einzuverlangen und den Vollzug einer darin allenfalls angeordneten Vorsorgeausgleichsteilung zu überprüfen, zumindest dann nicht, wenn keine konkreten Hinweise bestehen, dass der Vorbezug die Durchführung eines Vorsorgeausgleichs behindern könnte. Die hier vorliegende Konstellation, in der sich ex post gesehen eine solche Überprüfung gerechtfertigt hätte, dürfte selten sein. Zudem wäre auch im hier vorliegenden Falle eines Vorbezugs zwischen Scheidungsurteil und Durchführung der Teilung der Anspruch des ehemaligen Ehepartners nicht beeinträchtigt, wenn nur ein Teil des Freizügigkeitsguthabens vorbezogen wird und der verbleibende Teil ausreicht, um die Forderung zu decken. Dasselbe würde gelten, wenn der vorbeziehende Versicherte neben dem Guthaben bei der betreffenden Vorsorgeeinrichtung weitere Vorsorge- oder Freizügigkeitsguthaben bei anderen Einrichtungen hätte und diese ausreichen würden, um die Forderung der Beschwerdegegnerin zu decken (E. 3 hievor). In den meisten Fällen wäre also eine Überprüfung in dem von der Vorinstanz angenommenen Sinne unnötig. Sie routinemässig trotzdem bei allen geschiedenen Antragstellern vorzunehmen, würde einen erheblichen Aufwand für die Vorsorgeeinrichtungen darstellen. Zudem würde dies wohl von den meisten Versicherten als unnötige und unerwünschte Einmischung in persönliche Angelegenheiten empfunden, zumal wenn dafür noch Gebühren verlangt werden, was mit entsprechender reglementarischer Grundlage zulässig wäre (BGE 124 II 570). Auch die Analogie zu den Fällen von Art. 5 Abs. 2 FZG ![]() ![]() | 29 |
7. Insgesamt hat die Beschwerdeführerin mit der Auszahlung des Vorbezugs an den ehemaligen Ehemann der Beschwerdegegnerin nicht unrechtmässig gehandelt. Die gegen sie gerichtete Klage ist daher abzuweisen. Das ändert nichts daran, dass der Beschwerdegegnerin ein Anspruch gegen ihren ehemaligen Ehemann auf Durchführung der Teilung zusteht (E. 6.3 hievor). Dieser Anspruch ist bei der Vorinstanz geltend zu machen (E. 1 hievor). Im Falle eines schweizerischen Scheidungsurteils wäre die Sache von Amtes wegen an die Vorinstanz überwiesen worden, welche unter Anhörung der Ehegatten und der Einrichtungen der beruflichen Vorsorge von Amtes wegen die Teilung durchzuführen hätte (Art. 142 ZGB und Art. 25a FZG), d.h. namentlich ohne Bindung an die Parteianträge (vgl. Urteil 9C_137/2007 vom 21. April 2008 E. 4.2). Die Überweisung seitens des Scheidungsgerichts ist hier unterblieben, weil dieses im Ausland liegt. Das ändert aber an den übrigen Verfahrensvorschriften von Art. 25a FZG nichts. Diese sind anwendbar, sobald die Beschwerdegegnerin die Vorinstanz mit ihrer Klage befasst hat. Ungeachtet des Umstandes, dass in der Klage (die übrigens gemäss ihrem Rubrum sowohl gegen den ehemaligen Ehemann als auch gegen die Beschwerdeführerin gerichtet ist) beantragt wurde, die Beschwerdeführerin sei zur Zahlung des streitigen Betrags zu verpflichten, hätte die Vorinstanz daher auch von Amtes wegen einen Anspruch gegenüber dem ehemaligen Ehemann prüfen und beurteilen müssen. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie dies nachholt.
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