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17. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Pensionskasse Z. gegen T. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_848/2009 vom 6. Januar 2010 | |
Regeste |
Art. 90 und 98 BGG; Art. 26 Abs. 4 BVG; Anfechtbarkeit eines Entscheides über die Vorleistungspflicht; Regressanspruch der vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung. |
Die Vorsorgeeinrichtung, welche Vorleistungen erbracht hat, kann unmittelbar von Gesetzes wegen im Umfang der geleisteten Zahlungen einen Regressanspruch gegen die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung geltend machen (E. 3.6). | |
Sachverhalt | |
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B. Nachdem sowohl die BVG-Sammelstiftung X. und die Pensionskasse Y. als auch die Pensionskasse Z. eine Leistungspflicht abgelehnt hatten, erhob T. Klage beim Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt gegen die Pensionskasse Z. Er beantragte die Zusprechung einer Rente ab 1. Mai 2002 und die Feststellung, dass die Pensionskasse Z. vorleistungspflichtig sei; die Pensionskasse Z. sei mittels vorsorglicher Verfügung anzuweisen, ihm einen Rentenbetrag in Höhe von Fr. 172'913.50 nebst Zins zu bezahlen.
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Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt verurteilte in Gutheissung der Klage mit Entscheid vom 31. August 2009 die ![]() | 3 |
C. Die Pensionskasse Z. erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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T. beantragt Abweisung der Beschwerde, während die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichten.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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1.1.1 Der Beschwerdegegner hat in Ziff. 1-6 seiner vorinstanzlichen Klage Rentenzahlungen eingeklagt. Sodann hat er in Ziff. 7 beantragt, es sei festzustellen, dass die vorinstanzliche Beklagte bzw. letztinstanzliche Beschwerdeführerin vorleistungspflichtig sei (was er unter Hinweis auf Art. 26 Abs. 4 BVG [SR 831.40] begründete). Diese sei mittels vorsorglicher Verfügung anzuweisen, ihm einen Rentenbetrag von Fr. 172'913.50 nebst Zins zu bezahlen. Die Vorinstanz hat der Beklagten eine erstreckbare Frist gesetzt für die Einreichung einer Klageantwort und eine nicht erstreckbare Frist zur Stellungnahme bezüglich der Vorleistungspflicht. Die Beklagte hat ![]() | 10 |
1.1.2 Vor- und Zwischenentscheide sind Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen (Art. 90 BGG e contrario), sondern bloss eine formell- oder materiellrechtliche Frage im Hinblick auf die Verfahrenserledigung regeln, mithin einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid darstellen (Urteil 9C_740/2008 vom 30. Oktober 2008 E. 1; FELIX UHLMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 2 zu Art. 92 BGG). Für die verfahrensrechtliche Qualifizierung eines angefochtenen Erkenntnisses unter dem Gesichtspunkt der Art. 90 ff. BGG ist nicht dessen formelle Bezeichnung entscheidend, sondern sein materieller Inhalt (BGE 135 II 30 E. 1.3.1 S. 33). Zwischenverfügungen sind akzessorisch zu einem Hauptverfahren; sie können nur vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden und nur für die Dauer desselben Bestand haben bzw. unter der Bedingung, dass ein solches eingeleitet wird. Sie fallen mit dem Entscheid in der Hauptsache dahin (BGE 135 III 238 E. 2 S. 239; BGE 134 I 83 E. 3.1 S. 86; BGE 134 II 349 E. 1.3 S. 351; HANSJÖRG SEILER, in: VwVG, Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2009, N. 13 zu Art. 56 VwVG mit Hinweisen). Eine Anordnung, die der (wenn auch befristeten, vorläufigen oder vorübergehenden) Regelung eines Rechtsverhältnisses dient, aber nicht im ![]() | 11 |
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1.2 Die Beschwerde muss ein Rechtsbegehren enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde an das Bundesgericht ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), muss auch das Rechtsbegehren grundsätzlich reformatorisch gestellt werden; ein blosser Antrag auf Rückweisung ist nicht zulässig, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte (BGE 134 III 379 E. 1.3 S. 383). Die Beschwerdeführerin stellt formal bloss ![]() | 13 |
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1.3.2 Wie vorne ausgeführt (E. 1.1.3), kann der Entscheid über die Vorleistungspflicht je nach den Umständen faktisch zur Folge haben, dass die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung ihre Leistungen definitiv erbringen muss. Zudem setzt die Vorleistungspflicht voraus, dass grundsätzlich ein Leistungsanspruch gegeben und lediglich ungewiss ist, welchen Versicherer eine Leistungspflicht trifft. Das Bestehen eines Leistungsanspruchs muss daher im Rahmen des Entscheids über die Vorleistungspflicht materiell geprüft werden (vgl. BGE 131 V 78 E. 2 S. 81 und E. 3.1 S. 82 sowie Urteil K 110/06 vom 30. Oktober 2007 E. 2.1 in Bezug auf die Vorleistungspflicht gemäss Art. 70 ATSG). Der Entscheid über die Vorleistungspflicht ist somit kein Entscheid über eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG (vgl. auch BGE 131 V 78, wo das Eidg. Versicherungsgericht ohne weiteres auf eine Beschwerde betreffend Vorleistungspflicht nach Art. 70 ATSG eintrat, sowie Urteil K 65/05 vom 21. Juli 2005 E. 3.1, wonach die Vorleistungspflicht nach Art. 70 ATSG keine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 56 VwVG ![]() | 16 |
(...)
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"Befindet sich der Versicherte beim Entstehen des Leistungsanspruchs nicht in der leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung, so ist jene Vorsorgeeinrichtung vorleistungspflichtig, der er zuletzt angehört hat. Steht die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung fest, so kann die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung auf diese Rückgriff nehmen."
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Im französischen Wortlaut: "Si l'assuré n'est pas affilié à l'institution de prévoyance tenue de lui fournir des prestations au moment où est né le droit à la prestation, l'institution de prévoyance à laquelle il était affilié en dernier est tenue de verser la prestation préalable. Lorsque l'institution de prévoyance tenue de verser la prestation est connue, l'institution tenue de verser la prestation préalable peut répercuter la prétention sur elle."
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In der italienischen Fassung: "Se, nel momento in cui è sorto il diritto alle prestazioni, l'assicurato non era affiliato all'istituto di previdenza tenuto a versargliele, l'ultimo istituto di previdenza al quale era affiliato da ultimo è tenuto ad anticipargliele. Se è stabilito quale sia l'istituto di previdenza tenuto a versare le prestazioni, l'istituto di previdenza tenuto ad anticiparle può esercitare il regresso su di esso."
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3.2 Zur Frage, wie die vorleistungspflichtige Einrichtung ihren Rückgriff gegen die definitiv leistungspflichtige wahrnehmen kann, werden in der Lehre verschiedene Auffassungen vertreten: UELI KIESER (Vorleistungspflichten der Pensionskassen nach BVG und ATSG - Fragen und einige Antworten, in: Die 1. BVG-Revision, 2005, S. 101 ff., 133 f.) und HANS-ULRICH STAUFFER (Berufliche Vorsorge, 2005, S. 290 Rz. 779) sind der Ansicht, die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung könne den Versicherten unter Berufung auf seine Schadenminderungspflicht auffordern, seine Ansprüche gegenüber der leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung geltend zu machen, und bei dessen Nichttätigwerden ihre Leistungen einstellen. Nach STAUFFER kann sich die vorleistungspflichtige ![]() | 23 |
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3.4 Der im deutschen und italienischen Gesetzestext verwendete Ausdruck "Rückgriff" bzw. "regresso" bezeichnet in der juristischen Terminologie gemeinhin eine Situation, in welcher jemand, der an Stelle eines leistungspflichtigen Dritten einem Berechtigten eine Zahlung geleistet hat, gegen diesen Dritten vorgehen kann, um sich schadlos zu halten (vgl. z.B. Art. 50 Abs. 2, Art. 51 Abs. 1, Art. 55 Abs. 2, Art. 56 Abs. 2, Art. 58 Abs. 2, Art. 148 Abs. 2 OR; Art. 72 VVG [SR 221.229.1]; Art. 56a BVG). Dieser Rückgriff kann als Subrogation bzw. Legalzession (Art. 149 und 166 OR), aber auch als ![]() | 25 |
3.5 Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff "Rückgriff" bzw. "regresso" in Art. 26 Abs. 4 BVG eine andere Bedeutung haben sollte als sonst überall in der Rechtsordnung. Die französische Fassung ("peut répercuter la prétention sur elle") unterscheidet sich zwar von dem üblicherweise in solchen Konstellationen verwendeten terminus technicus "recours", betont aber ebenfalls, dass es Sache der vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung ist, gegen die andere vorzugehen. Dafür spricht auch die ratio legis, wonach die Position des Versicherten verbessert werden soll, welcher sich einer Mehrzahl von Vorsorgeeinrichtungen gegenübersieht, wobei nicht klar ist, welche dieser Einrichtungen eine Leistungspflicht trifft (AB 2002 N 544, Votum Robbiani; KIESER, a.a.O., S. 116). Diesem Ziel entspricht, wenn der Versicherte sich nur an die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung halten muss und dieser die weitere Auseinandersetzung mit anderen potenziell leistungspflichtigen Einrichtungen überlassen kann (HÜRZELER, SZS 2006 S. 331 und Invaliditätsproblematiken, S. 267 Rz. 615; MAURER/SCARTAZZINI/HÜRZELER, Bundessozialversicherungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 616 Rz. 48 f.). Für die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung sind damit nebst gewissen Nachteilen auch Vorteile verbunden: Der Versicherte könnte im Bewusstsein, die Vorleistung ohnehin zu erhalten, den Prozess gegen die andere Vorsorgeeinrichtung zwar einleiten, aber ![]() | 26 |
3.6 Zusammenfassend kann die Vorsorgeeinrichtung, welche Vorleistungen erbracht hat, unmittelbar von Gesetzes wegen in diesem Umfang einen Regressanspruch gegen die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung geltend machen (ebenso HÜRZELER, SZS 2006 S. 335 f.; ders., Intrasystemische Vorleistungspflichten, S. 159; ders., Invaliditätsproblematiken, S. 267 Rz. 615). Anders als nach der Regelung, wie sie in aArt. 26 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) vorgesehen war, ist es somit nicht erforderlich, dass sich die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung die Ansprüche des Versicherten gegen die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung abtreten lässt. Ebenso wenig besteht ein Grund, den Versicherten zu verpflichten, selber gegen die andere Einrichtung Klage zu erheben. Wenn die Vorinstanz die Vorleistungspflicht der Beschwerdeführerin bejaht hat, ist dies somit nicht zu beanstanden.
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