![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
33. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle Luzern gegen S. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_510/2009 vom 30. August 2010 | |
Regeste |
Art. 4 Abs. 1 IVG; Art. 7 und 8 Abs. 1 ATSG. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
![]() | 2 |
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, den Entscheid vom 5. Mai 2009 aufzuheben. S. und das kantonale Gericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde, das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
| 3 |
Am 20. August 2010 hat eine gemeinsame Sitzung der I. und II. sozialrechtlichen Abteilung gemäss Art. 23 BGG stattgefunden.
| 4 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
| 5 |
(Zusammenfassung)
| 6 |
Aus den Erwägungen: | |
7 | |
Erwägung 3 | |
3.1 Nach der Rechtsprechung kann eine bei einem Unfall erlittene Verletzung im Bereich von HWS und Kopf auch ohne organisch nachweisbare (d.h. objektivierbare) Funktionsausfälle zu länger dauernden, die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden Beschwerden führen. Derartige Verletzungen sind gemäss Rechtsprechung durch ein komplexes und vielschichtiges Beschwerdebild (BGE 119 V 335 E. 1 S. 338; BGE 117 V 359 E. 4b S. 360) mit eng ineinander verwobenen, einer Differenzierung kaum zugänglichen Beschwerden physischer und psychischer Natur gekennzeichnet (BGE 134 V 109 E. 7.1 S. 118). Diese mit Bezug auf die obligatorische ![]() | 8 |
Erwägung 3.2 | |
9 | |
Bezüglich der unter die Kategorie der psychischen Leiden fallenden somatoformen Schmerzstörungen entschied das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 130 V 352 E. 2.2.2 und 2.2.3 S. 353 ff., dass im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsprüfung Schmerzangaben durch damit korrelierende, fachärztlich schlüssig feststellbare Befunde hinreichend erklärbar sein müssen, andernfalls sich eine rechtsgleiche Beurteilung der Rentenansprüche nicht gewährleisten lässt. Solche Leiden vermögen in der Regel keine lang dauernde, zu einer Invalidität im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG führende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu bewirken. Die - nur in Ausnahmefällen ![]() | 10 |
In BGE 130 V 396 E. 6 S. 399 ff. hielt das Gericht hinsichtlich psychogener Schmerzzustände und der damit verbundenen Beweisschwierigkeiten überdies fest, dass die Annahme eines invalidisierenden Gesundheitsschadens grundsätzlich eine fachärztliche, lege artis auf die Vorgaben eines anerkannten Klassifikationssystems abgestützte Diagnose voraussetzt. Mit BGE 132 V 65 E. 4 S. 70 ff. beschloss das Eidg. Versicherungsgericht, die im Bereich der somatoformen Schmerzstörungen entwickelten Grundsätze bei der Würdigung des invalidisierenden Charakters von Fibromyalgien analog anzuwenden. In Bezug auf Chronic Fatigue Syndrome oder Neurasthenie (Urteile 9C_662/2009 vom 17. August 2010 E. 2.3; I 70/07 vom 14. April 2008 E. 5), dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörung (SVR 2007 IV Nr. 45 S. 149, I 9/07 E. 4) sowie dissoziative Bewegungsstörung (Urteil 9C_903/2007 vom 30. April 2008 E. 3.4) gelangte das Bundesgericht zum selben Schluss. In SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203, 9C_830/2007 E. 4.2, schliesslich bestätigte das Bundesgericht die Rechtsprechung zum invalidisierenden Charakter anhaltender somatoformer Schmerzstörungen bei weitgehendem Fehlen eines somatischen Befundes und vergleichbaren pathogenetisch (ätiologisch) unklaren syndromalen Zuständen, nachdem es sich eingehend mit der daran geübten Kritik auseinandergesetzt hatte.
| 11 |
![]() | 12 |
13 | |
Aus Gründen der Rechtsgleichheit ist es in der Tat geboten, sämtliche pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebilder ohne nachweisbare organische Grundlage den gleichen sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen zu unterstellen (Urteil I 70/07 vom 14. April 2008 E. 5). Es rechtfertigt sich daher, die in BGE 130 V 352 im Zusammenhang mit somatoformer Schmerzstörung entwickelten Kriterien auch für die Beurteilung der invalidisierenden Wirkung einer spezifischen HWS-Verletzung ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle analog anzuwenden. Dem steht der allenfalls organische Charakter des Leidens nicht entgegen, hat doch die Rechtsprechung die zu vorwiegend psychisch begründeten Schmerzstörungen (ICD-10: F45.4) entwickelten Regeln u.a. bereits auf die als organisches Leiden betrachtete Fibromyalgie (ICD-10: M79.0) übertragen (E. 3.2.1). Invaliditätsrechtlich ist auch von Bedeutung, dass als "Schleudertrauma" oder "Chronic Whiplash Injury" bezeichnete Beeinträchtigungen im Sinne eines komplexen und chronischen ![]() | 14 |
15 | |
Erwägung 4 | |
4.1 Nach Auffassung der Vorinstanz fallen für die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nur die Unfallfolgen in Betracht. Gestützt auf die Gutachten des Dr. med. O. vom 8. Oktober 2003 und des Dr. med. Z. vom 22. September 2006 hat das kantonale Gericht festgestellt, die Beschwerdegegnerin leide unter typischen Beschwerden nach einem Schleudertrauma der HWS wie Nackenbeschwerden, Kopfschmerzen, vegetativen Beschwerden in Form von Atemnot-Episoden, Kollapsneigung, Oberbauchbeschwerden ohne gastroskopisch feststellbares Substrat, neuropsychologischen Funktionsstörungen (ohne ![]() | 16 |
17 | |
18 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |