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2. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle des Kantons Graubünden gegen S. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_65/2010 vom 17. Januar 2011 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 2 und 4 IVG; Art. 14 IVV; Art. 2 Abs. 1 HVI; Ziff. 1.03 HVI-Anhang; Kostenvergütung für definitive Brust-Exoprothesen als Hilfsmittel der Invalidenversicherung. | |
Sachverhalt | |
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B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess die dagegen eingereichte Beschwerde mit Entscheid vom 2. Dezember 2009 gut und verpflichtete die IV-Stelle zur Kostenvergütung für die Brust-Teilprothese (einschliesslich Spezialbüstenhalter).
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C. Die IV-Stelle führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids.
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Während S. auf Abweisung der Beschwerde schliesst, soweit darauf einzutreten sei, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.2 Unter Hilfsmittel im IV-rechtlichen Sinne ist ein Gegenstand zu verstehen, dessen Gebrauch den Ausfall gewisser Teile des menschlichen Körpers zu ersetzten vermag (BGE 131 V 9 E. 3.3 S. 13; BGE 115 V 191 E. 2c S. 194 mit Hinweis). Daraus ist zu schliessen, dass der ![]() | 7 |
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Erwägung 4 | |
4.1 Das Ausmass des operativen Eingriffs bei Brustkrebs wird von der bildgebenden Mammadiagnostik, vom präoperativ vorliegenden histopathologischen Befund und dem Wunsch der Patientin unter ![]() | 10 |
4.2 Den unterschiedlichen Operationsverfahren und den daraus resultierenden Veränderungen im Körperbild der betroffenen Frauen entsprechen die verschiedenen Arten von Brust-Exoprothesen, mit denen ein optischer Ausgleich angestrebt wird. Fachleute empfehlen, sich etwa sechs bis acht Wochen nach der Operation mit der Wahl einer definitiven Brustprothese zu befassen (die Narbe hat sich bis dann meistens stabilisiert und die Schwellungen sind abgeklungen). Bei Mastektomie ohne nachfolgende Brustrekonstruktion werden (serienmässig hergestellte, im Fachgeschäft individuell ![]() | 11 |
Erwägung 5 | |
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Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend. Anderseits vermag aber nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich insbesondere aus den Materialien ergibt) aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten, vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen Umständen anpasst oder es ergänzt (BGE 129 I 12 E. 3.3 S. 16; BGE 129 V 95 E. 2.2 S. 98).
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5.3.2 In systematischer Hinsicht ergibt sich bereits aus dem in der streitigen Ziff. 1.03 HVI-Anhang selber angeführten alternativen ![]() | 16 |
5.3.3 Auch aus teleologischer (zweckbezogener) Sicht verbietet sich eine wortwörtliche Auslegung von Ziff. 1.03 HVI-Anhang. Das Eidg. Versicherungsgericht hat festgestellt, dass bei der Konkretisierung der Einfachheits- und Zweckmässigkeitsanforderung an ein bestimmtes Hilfsmittel auf die technische Entwicklung Rücksicht zu nehmen ist. Die Hilfsmittelversorgung muss zeitgemäss sein (BGE 132 V 215 E. 4.3.3 S. 226 f.; FRIEDRICH BELLWALD, Hilfsmittel gemäss Art. 14 ATSG, SZS 2009 S. 461 ff., 462; derselbe, Der Begriff des Hilfsmittels in der Unfallversicherung, SZS 2005 S. 309 ff., 311). Diese Überlegungen sind gleichermassen im Zusammenhang mit dem in der Hilfsmittelliste vorgeschriebenen jeweiligen Anwendungsbereich eines Hilfsmittels anzustellen. Wenn der Verordnungsgeber - wie dargelegt (E. 5.3.1 hievor) - im Lichte des seinerzeitigen Erkenntnisstandes einzig die Mamma-Amputation als Anwendungsfall für die Versorgung mit einer Brust-Exoprothese nach Krebserkrankung zu erblicken vermochte, darf sich die Invalidenversicherung dem (damals nicht voraussehbaren) Fortschritt der operativen Therapie beim Mammakarzinom, namentlich des brusterhaltenden Behandlungskonzepts, nicht einfach verschliessen. Vielmehr verlangt die aufgezeigte Regelungsabsicht des EDI, nämlich die wesentliche Erleichterung bei der Pflege gesellschaftlicher Kontakte und beim Auftreten in der Öffentlichkeit, dass sämtliche versicherten Frauen, die organisch bedingt (Poland-Syndrom, Agenesie der Mamma) oder nach einer Krebsoperation (welcher Art auch immer) ein augenfälliges Brustvolumendefizit aufweisen, gegenüber der ![]() | 17 |
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Unbestrittenermassen verlor die Beschwerdegegnerin durch die bei ihr vorgenommene Krebsoperation rund ein Drittel des Volumens der rechten Brust. Die Invalidenversicherung hat ihr daher die Kosten der zur Wiederherstellung eines ausgeglichenen Körperbildes selbst angeschafften definitiven Brust-Teilprothese (einschliesslich Zubehör) nach dem anwendbaren Tarifvertrag zu vergüten. Dies führt zur Abweisung der von der IV-Stelle erhobenen Beschwerde.
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