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39. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. F. gegen Pensionskasse Q. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_902/2010 vom 14. September 2011 | |
Regeste |
Art. 20a Abs. 1 lit. a und Art. 49 Abs. 2 Ziff. 3 BVG; begünstigte Personen für Hinterlassenenleistungen. |
Bei einer Lebensgemeinschaft ist in Bezug auf das zusätzliche Erfordernis eines unmittelbar vor dem Tod während mindestens fünf Jahren ununterbrochen geführten gemeinsamen Haushalts massgebend, ob die Lebenspartner den manifesten Willen hatten, ihre Lebensgemeinschaft, soweit es die Umstände ermöglichen, als ungeteilte Wohngemeinschaft im selben Haushalt zu leben (E. 3.3). |
Auslegung und Anwendung des reglementarischen Begriffs, dass während mindestens fünf Jahren "ununterbrochen ein gemeinsamer Haushalt geführt wurde" (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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B. Am 9. Oktober 2009 liess F. beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Klage gegen die Pensionskasse Q. einreichen mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte sei zur Zahlung einer Hinterlassenenrente, rückwirkend ab 8. Juni 2008, zuzüglich Zinsen zu 5 % zu verurteilen. Nach Antwort der Vorsorgeeinrichtung und einem zweiten Schriftenwechsel wies die Sozialversicherungsrechtliche Abteilung des angerufenen Gerichts mit Entscheid vom 28. September 2010 die Klage ab.
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C. F. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 28. September 2010 sei aufzuheben, die Pensionskasse Q. zur Zahlung einer Hinterlassenenrente rückwirkend ab 8. Juni 2008, zuzüglich Zinsen zu 5 %, zu verurteilen, eventualiter die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Die Pensionskasse Q. beantragt die Abweisung der Beschwerde. Kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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(Auszug)
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Gemäss Art. 22 Ziff. 2 Satz 1 "Kassenreglement und Bestimmungen für die zusätzliche Vorsorge" der Beschwerdegegnerin in der vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2008 gültig gewesenen Fassung (nachfolgend: Vorsorgereglement) besteht ein Anspruch auf eine Partnerrente beim Tod einer versicherten Person ebenfalls bei einem Konkubinatsverhältnis, sofern unmittelbar vor dem Tod während mindestens fünf Jahren ununterbrochen ein gemeinsamer Haushalt geführt wurde und der Tod vor dem ordentlichen Rücktrittsalter eintritt.
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Erwägung 2 | |
2.1 Die Vorinstanz hat den Anspruch der Klägerin (Beschwerdeführerin) auf eine Partnerrente gestützt auf Art. 22 Ziff. 2 des Vorsorgereglements der Beklagten (Beschwerdegegnerin) im Wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Diese Bestimmung weiche inhaltlich lediglich insoweit vom Gesetzestext (Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG) ab, als die darin erwähnte "Lebensgemeinschaft" im Rahmen eines "gemeinsamen Haushaltes" geführt worden sein müsse. Für den Nachweis des Begünstigungsfalls einen mindestens fünfjährigen, ununterbrochenen, gemeinsamen Haushalt vorauszusetzen, sei systemkonform. Im erläuternden Bericht zur Vernehmlassungsvorlage über die 1. BVG-Revision werde zur einschlägigen Stelle in der Botschaft ausgeführt, die begünstigte Person habe bei der Geltendmachung ihres Anspruchs der Institution gegenüber den Nachweis des mindestens fünf Jahre bis zum Ableben der versicherten Person dauernden, gemeinsamen Wohnsitzes zu erbringen. Sodann würden Konkubinatspaare, von denen in Art. 22 Ziff. 2 des Vorsorgereglements die Rede sei, "per definitionem" zusammenwohnen. Eine Ungleichbehandlung gegenüber einem (überlebenden) ![]() | 9 |
In Würdigung der Akten ist das kantonale Gericht zum Ergebnis gelangt, das Führen eines gemeinsamen Haushalts könne erst ab April 2004 als nachgewiesen gelten. Ein ununterbrochener gemeinsamer Haushalt im Sinne von Art. 22 Ziff. 2 des Vorsorgereglements habe weder durch die offensichtlich nur sporadischen Einreisen und Aufenthalte des Versicherten in der Schweiz noch durch die gemeinsame Miete einer Ferienwohnung begründet werden können. Dieser habe (denn) auch in der Vaterschaftsanerkennung vom 10. Februar 2004 als Wohnsitz P. angegeben. Daran änderten die im Klageverfahren beigebrachten Bestätigungen von Bekannten, bei welchen es sich nicht um echtzeitliche Aufzeichnungen handle, nichts. Selbst nach der amtlich bescheinigten Begründung des gemeinsamen Haushalts ab April 2004 sei es durch längere Aufenthalte des Versicherten zur Unterbrechung desselben gekommen. Die beklagte Vorsorgeeinrichtung habe daher zu Recht die notwendige Leistungsvoraussetzung eines in den letzten fünf Jahren vor dessen Tod (im Juni 2008) ununterbrochen geführten gemeinsamen Haushalts im Sinne von Art. 22 Ziff. 2 des Vorsorgereglements nicht als gegeben erachtet.
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3.2 Aus den Materialien (zu deren Bedeutung für die Gesetzesauslegung BGE 133 III 273 E. 3.2.2 S. 278) ergibt sich somit insoweit klar das mit der Schaffung von Art. 20a BVG verfolgte Ziel der ![]() | 14 |
3.3 Mit dem Erfordernis eines unmittelbar vor dem Tod während mindestens fünf Jahren ununterbrochen geführten gemeinsamen Haushalts stellt Art. 22 Ziff. 2 Satz 1 des Vorsorgereglements somit eine grundsätzlich zulässige weitere Voraussetzung für den Anspruch auf eine Partnerrente auf. Wie schon die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, kann indessen nicht eine ständige ungeteilte Wohngemeinschaft an einem festen Wohnort verlangt werden. Ein solches Verständnis trüge den gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen und wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht Rechnung. Oft können Lebenspartner aus beruflichen, gesundheitlichen oder ![]() | 15 |
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4.1 Unter dem Begriff der Lebensgemeinschaft im Sinne von Art. 20a Abs. 1 lit. a BGG ist eine Verbindung von zwei Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts zu verstehen, welcher grundsätzlich Ausschliesslichkeitscharakter zukommt, sowohl in geistig-seelischer als auch in körperlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Dabei müssen diese Merkmale nicht kumulativ gegeben sein. Insbesondere ist weder eine ständige ungeteilte Wohngemeinschaft notwendig, noch dass eine Partei von der anderen massgeblich unterstützt worden war. Entscheidend ist, ob aufgrund einer Würdigung sämtlicher Umstände von der Bereitschaft beider Partner, einander Beistand und Unterstützung zu leisten, wie es Art. 159 Abs. 3 ZGB von Ehegatten fordert, auszugehen ist (BGE 134 V 369 E. 6.1.1 sowie E. 7 Ingress und E. 7.1 S. 374 ff.). Für eine im dargelegten Sinne ![]() | 17 |
Erwägung 4.2 | |
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4.2.2 Nach Feststellung der Vorinstanz hatten die Beschwerdeführerin und der Versicherte spätestens seit April 2004 einen ![]() | 19 |
In Würdigung der gesamten Akten ist gerade auch in Berücksichtigung der besonderen Umstände (Alter der Beschwerdeführerin, aufenthaltsrechtlicher Status des verstorbenen Versicherten) davon auszugehen, dass nach der abgebrochenen ersten Schwangerschaft im Sommer 2002 die Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Versicherten sich gefestigt und spätestens seit Juni 2003 die für eine Lebensgemeinschaft erforderliche Intensität erreicht hatte. Die Grundvoraussetzung für eine Partnerrente nach Art. 22 Ziff. 2 des Vorsorgereglements eines unmittelbar vor dem Tod des Versicherten am 8. Juni 2008 mindestens fünf Jahre ununterbrochen dauernden Konkubinatsverhältnisses ist somit gegeben.
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Erwägung 5 | |
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Erwägung 5.2 | |
5.2.1 (...) Aufgrund der im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Unterlagen hatten die beiden vom 1. Juni bis 30. September ![]() | 22 |
5.2.2 Weiter steht mit Bezug auf die von der Vorinstanz als sporadisch bezeichneten Einreisen und Aufenthalte in der Schweiz aufgrund der Akten fest, dass der Versicherte nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Mai 2004 mindestens zweimal wieder in sein Heimatland zurückkehrte. Dabei wurde er indessen jeweils von der Beschwerdeführerin begleitet. Von einem fehlenden gemeinsamen Haushalt in diesen Zeitabschnitten kann entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin jedenfalls nicht gesprochen werden, wird ein gemeinsamer Haushalt doch nicht dadurch aufgehoben, dass sich die daran Beteiligten auf Reisen begeben. Der Umstand sodann, dass der Versicherte bis zum Erhalt der Aufenthaltsbewilligung nach der Anerkennung der Vaterschaft am 10. Februar 2004 nach Ablauf der Arbeitsbewilligung jeweils die Schweiz verlassen musste, letztmals Ende September 2003, war einzig fremdenpolizeirechtlich begründet. Damit wird der aus den gesamten ersichtlichen Umständen sich aufdrängende Schluss nicht entkräftet, dass die Beschwerdeführerin und ihr verstorbener Partner vor- und nachher tatsächlich miteinander unter einem Dach zusammenlebten. In diesem Zusammenhang weist die Beschwerdeführerin zu Recht darauf hin, dass die Angabe von P. als Wohnsitz in der Vaterschaftsanerkennung der damaligen rechtlichen Situation entsprach und daraus allein nicht auf einen fehlenden Willen, zusammen im selben Haushalt zu leben, geschlossen werden kann. In welchem genauen Zeitpunkt der Versicherte nach seiner Ausreise Ende September 2003 wieder in die Schweiz zurückkehrte, kann offenbleiben. Jedenfalls war dies offenbar nicht erst im Februar 2004, wie die Beschwerdegegnerin vorbringt. Die Beschwerdeführerin hatte im Schreiben vom 12. August 2008 an die Vorsorgeeinrichtung angegeben, der Versicherte ![]() | 23 |
Nach dem Gesagten ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz das Erfordernis eines unmittelbar vor dem Tod des Versicherten (im Juni 2008) während mindestens fünf Jahren ununterbrochen geführten gemeinsamen Haushalts nach Art. 22 Ziff. 2 des Vorsorgereglements für den Anspruch auf eine Partnerrente zu bejahen.
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