BGE 138 V 41 | |||
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6. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. K. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_615/2011 vom 3. Januar 2012 | |
Regeste |
Art. 84 Abs. 2 UVG; Art. 86 ff. VUV; Übergangsentschädigung. | |
Sachverhalt | |
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A.a K. war ab 1. April 1993 als Produktionsmitarbeiter bei der Firma X. AG, einem Hersteller von Backwaren, tätig und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfälle und Berufskrankheiten versichert. Ab dem 22. Mai 2006 setzte er die Arbeit wegen Rhinitis, Juckreiz in den Augen und häufigem Niesen aus. Die Beschwerden wurden auf den Kontakt mit Mehlstaub zurückgeführt und von der SUVA als Berufskrankheit anerkannt. Mit Verfügung vom 27. September 2006 erklärte die SUVA den Versicherten als nicht geeignet für Tätigkeiten mit Exposition zu Mehlen von Roggen, Weizen und Hafer sowie zu Alpha- Amylase. In der Folge gewährte der Versicherer vom 1. Oktober 2006 bis 31. Januar 2007 ein Übergangstaggeld. Seit dem 1. Juni 2007 arbeitet K. als Chauffeur in einer Wäscherei. Zudem ist er weiterhin (seit April 2005) im Nebenerwerb als Sicherheitsangestellter bei einem Bewachungs- und Sicherheitsunternehmen tätig.
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A.b Am 7. November 2007 sprach die SUVA dem Versicherten eine Übergangsentschädigung für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis 31. Januar 2008 im Betrag von Fr. 11'601.15 zu. Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 teilte sie K. mit, sie habe den Anspruch auf eine zweite Rate der Übergangsentschädigung für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2009 geprüft und müsse diesen verneinen, da keine erhebliche Lohneinbusse von 10 % vorliege. Dagegen erhob der Versicherte am 4. und 15. September 2009 Einwände. Mit Verfügung vom 1. Oktober 2009 verneinte die SUVA mangels erheblicher Lohneinbusse einen Anspruch auf Übergangsentschädigung. Die von K. hiegegen eingereichte Einsprache wies die SUVA mit Entscheid vom 5. Februar 2010 ab.
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B. Beschwerdeweise beantragte K. die Aufhebung des Einspracheentscheids und die Zusprechung der gesetzlichen Leistungen, insbesondere einer Übergangsentschädigung von Februar 2008 bis Januar 2009. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid vom 7. Juni 2011 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt K. die Aufhebung des kantonalen Entscheids beantragen und sein vorinstanzliches Leistungsbegehren erneuern.
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Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
3.1 Die Vorinstanz hat in Übereinstimmung mit dem Einspracheentscheid erwogen, eine erhebliche Beeinträchtigung im wirtschaftlichen Fortkommen gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 19. Dezember 1983 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (Verordnung über die Unfallverhütung, VUV; SR 832.30) setze eine Einkommenseinbusse von mindestens 10 % voraus. Es bestehe eine gewisse Nähe zur Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG [SR 832.20]), bei der ebenfalls von einer Erheblichkeitsgrenze von 10 % ausgegangen wird. Die Rechtsprechung zum Sozialversicherungsrecht zeige, dass der Begriff "erheblich" eine hohe Hürde darstelle. Beispielsweise müsse "bei der Eröffnung der Wartezeit bei Rentenfragen in der Invalidenversicherung (Variante b von Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG) die Arbeitsunfähigkeit erheblich sein, wobei von einer Erheblichkeitsgrenze von 20 % ausgegangen wird (AHI 1998 S. 124 E. 3c; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in Sachen Z. vom 14. Juni 2005 E. 2.1.1 in fine mit Hinweisen)". Auch im Obligationenrecht (z.B. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3, Art. 197 Abs. 1 und Art. 258 Abs. 1 OR) sei mit dem Begriff "erheblich" ein hoher Schwellenwert verbunden. Die vom Beschwerdeführer erlittene Einbusse von 5,52 % genüge daher nicht.
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4. Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer als Folge der Nichteignungsverfügung vom 27. September 2006 Anspruch auf eine Übergangsentschädigung für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2009 hat. Streitig ist dabei einzig, ob der Begriff "in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erheblich beeinträchtigt bleibt" (Art. 86 Abs. 1 lit. a VUV) ein Mindestmass von 10 % an Lohneinbusse voraussetzt. Dieser Grenzwert wäre mit der hier unstreitig gegebenen Lohneinbusse von 5,52 % nicht erreicht.
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Aus dem Wortlaut von Art. 84 Abs. 2 Satz 2 UVG und Art. 86 Abs. 1 VUV, der Systematik der VUV sowie Sinn und Zweck der Übergangsentschädigung ergibt sich sodann, dass nur jene versicherte Person eine solche beanspruchen kann, welche im Rahmen der ihr verbliebenen Erwerbsfähigkeit zufolge der Nichteignungsverfügung in ihrem beruflichen Fortkommen auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt ist (erwähntes Urteil 8C_1031/2008 E. 6.1). Auf Kausalitätsüberlegungen beruht auch die Befristung auf vier Jahre. Der Kausalzusammenhang zwischen der Nichteignungsverfügung und der Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt nimmt mit der Zeit ab. Hat ein Versicherter nach dieser Zeit noch immer keine geeignete Arbeit gefunden, ist die Beeinträchtigung nicht mehr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Nichteignungsverfügung zurückzuführen, sondern auf andere Gründe, für die der Unfallversicherer nicht verantwortlich ist (RKUV 1994 S. 320, U 72/93 E. 4a und 4b).
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4.3 Nicht zu folgen ist dem Einwand des Beschwerdeführers, eine Grenzziehung von 10 % müsste auf dem Gesetzesweg und nicht durch eine Praxis der Beschwerdegegnerin eingeführt werden. Der Gesetzgeber hat - anders als u.a. im Arbeitslosenversicherungsrecht (vgl. E. 4.5) oder bei der Invalidenrente (vgl. E. 4.6) - keine konkrete Schwelle im Sinne eines Prozentwertes bestimmt. Angesichts der Massenverwaltung im Bereich der Arbeitslosenentschädigung und der Rentenansprüche erscheint dort eine vom Gesetzgeber festgelegte derartige Grenze naheliegend. Demgegenüber kommt es nicht oft zu Übergangsentschädigungen und genügt es insofern, wenn das Gesetz einen unbestimmten, offenen Begriff verwendet und dessen Konkretisierung der Praxis überlässt (vgl. BGE 136 I 87 E. 3.1 S. 90; Urteil 1C_278/2009 vom 16. November 2010 E. 6.4). Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber Erheblichkeit verlangt und damit eine für die gegebene Problematik hinreichend bestimmte Grenze umschreibt.
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4.4 Das Ausmass der Lohneinbusse bestimmt die Höhe der Entschädigung (nicht publ. E. 2.2). Beide Parteien gehen ohne Weiteres davon aus, dass gestützt darauf auch zu entscheiden ist, in welchen Fällen überhaupt ein Anspruch besteht, dass das Ausmass der Lohneinbusse also gleichzeitig die Anspruchsvoraussetzung umschreibt. Es ist aber nicht ohne Weiteres klar, dass die vom Gesetz verwendete Umschreibung der Anspruchsvoraussetzung "erhebliche Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens" ebenfalls am Ausmass der Lohneinbusse anknüpfen will. Wenn jemand durch eine Berufskrankheit nur in einem engen Tätigkeitsbereich eingeschränkt ist und ihm im Übrigen viele berufliche Möglichkeiten offenstehen, ist er in seinem wirtschaftlichen Fortkommen kaum erheblich beeinträchtigt. Trotzdem erleidet er unter Umständen als Folge des erzwungenen Berufswechsels eine Lohneinbusse. Indessen zeigen die Materialien zu Art. 65bis Abs. 2 KUVG, der eine gleichlautende Formulierung wie der aktuelle Art. 84 Abs. 2 UVG enthielt, dass in der Tat "die mit dem Berufswechsel verbundene Verdiensteinbusse" ausgeglichen werden sollte (Botschaft vom 20. Juni 1947 über den Erlass eines Bundesgesetzes betreffend Ergänzung und Abänderung des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung, BBl 1947 II 384 ff., 389 f. Ziff. I/4; nachfolgend: Botschaft), die zu erfassenden Fälle somit nur von einer quantitativen und nicht von einer weiteren qualitativen Voraussetzung abhängig sein sollen. Deutlicher als die deutschsprachige Formulierung von Art. 86 Abs. 1 VUV zeigt dies auch der französische und italienische Wortlaut (nicht publ. E. 2.2). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Erheblichkeit der Beeinträchtigung vom Ausmass der Lohneinbusse abhängig gemacht wird.
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4.6.2 Entscheidend für die mit BGE 122 V 335 vorgenommene Praxisänderung war somit, dass der damalige Gesetzeswortlaut keine "erhebliche" Verminderung der Erwerbstätigkeit verlangte und dies - ausdrücklich - im Gegensatz zur Regelung bei der Übergangsentschädigung. Wenn der Gesetzgeber als Folge dieses Urteils eine solche Erheblichkeitsschwelle für die Rente einführte, bestand für ihn kein Grund - nachdem das Bundesgericht in seiner Motivation ausdrücklich auf das Bestehen eines Erheblichkeitserfordernisses bei der Übergangsentschädigung hingewiesen hatte - auch bei dieser eine ausdrückliche 10 %-Grenze einzuführen. Von einem qualifizierten Schweigen kann daher keine Rede sein.
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Obwohl Rente und Übergangsentschädigung unterschiedliche Risiken abdecken (E. 4.2) ist es daher gerechtfertigt, bei Letzterer den gleichen Grenzwert von 10 % anzuwenden. Dies trifft umso mehr zu, als der Bundesrat in der Botschaft zu Art. 65bis Abs. 2 KUVG die Einführung der Übergangsentschädigung ausdrücklich damit begründete, dass das Eidg. Versicherungsgericht in Fällen, in denen der Berufswechsel wegen der Folgen einer Berufskrankheit gefordert worden sei, die dadurch erfolgte Verminderung des wirtschaftlichen Ertrages als Folge einer Erwerbsunfähigkeit bzw. Invalidität anerkannt und daher in Form einer Rente entschädigt habe. Diese Entschädigungsform sei indessen bei nur prophylaktischem Berufswechsel nicht möglich (Botschaft, a.a.O., 389 f. Ziff. I/4).
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Was der Beschwerdeführer weiter vorbringt, ist nicht geeignet, daran etwas zu ändern. Zum Vornherein ungeeignet ist die von ihm gezogene Analogie zum Taggeldanspruch nach Art. 22 IVG. Wenn überhaupt, wäre eher auf das Taggeld in der Unfallversicherung Bezug zu nehmen. Auch dieser Leistungsanspruch setzt nun aber eine Mindestbeeinträchtigung - im Sinne einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens 25 % (Art. 16 f. UVG; Art. 25 Abs. 3 UVV) - voraus. Abgesehen davon verlangt Art. 22 IVG (im hier zu erwähnenden Abs. 1 in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung; bis dahin gleich geregelt im ersten Satz des Abs. 1) ebenfalls eine - anders umschriebene - Mindesteinschränkung.
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Auch der Vergleich mit der für eine Rentenrevision erforderlichen Änderung des Invaliditätsgrades gemäss Art. 17 ATSG und BGE 133 V 545 verfängt nicht. Das Bundesgericht bestätigte in BGE 133 V 545 seine frühere Rechtsprechung zu aArt. 41 IVG, wonach bei Renten, die auf Schwellenwerten beruhen, auch eine nur geringfügige Änderung des Invaliditätsgrades (z.B. 2 %) genügen kann, wenn dadurch die Schwelle zu einer höheren oder tieferen Rente überschritten wird. Die Erheblichkeit ergibt sich hier also nicht aus der Veränderung der Verhältnisse, sondern aus deren Auswirkung auf den Anspruch (BGE 133 V 545 E. 6 S. 546 ff.; vgl. auch die Formulierung von aArt. 41 IVG: "... in einer für den Anspruch erheblichen Weise"). Es ist offensichtlich, dass es erheblich ist, ob zum Beispiel eine Viertelsrente oder eine halbe Rente ausgerichtet wird. Bei den prozentgenauen Renten ist demgegenüber nach der Praxis massgebend, ob eine absolute Veränderung von 5 % eintritt, wobei aber bei über 50 % liegenden Invaliditätsgraden kumulativ eine relative Veränderung von mindestens 10 % verlangt wird (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 27 zu Art. 17 ATSG; JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Militärversicherungsgesetz, 2000, N. 15 f. zu Art. 44 MVG; vgl. auch die Hinweise auf diese Literatur in: BGE 133 V 545 E. 6.2 S. 547). Somit ist die Grenze der Erheblichkeit bei einem niedrigeren Invaliditätsgrad in absoluten Prozentzahlen tiefer als bei einem hohen Invaliditätsgrad. Insgesamt macht auch die Praxis zur Revision deutlich, dass das, was als erheblich zu qualifizieren ist, von den Auswirkungen und den konkreten Umständen abhängt. Eine Analogie zwischen Übergangsentschädigung und Rentenrevision ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Rente als Dauerleistung von erheblich grösserer Bedeutung für den Versicherten ist als die Übergangsentschädigung. Das würde dafür sprechen, für eine Revision tiefere Grenzen als für die Übergangsentschädigung zu akzeptieren. Selbst wenn für die Revision eine Veränderung von 5 % genügen würde, könnte der Beschwerdeführer daher daraus nichts für die Erheblichkeitsschwelle bei der Übergangsentschädigung ableiten.
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