BGE 138 V 169 | |||
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22. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV gegen G. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_614/2011 vom 15. März 2012 | |
Regeste |
Art. 9 Abs. 1, 2 und 4 ELG; Art. 14a Abs. 2 ELV; Art. 276 Abs. 1 und 2 ZGB; Berücksichtigung eines in natura geleisteten Kindesunterhalts (Betreuung) in der EL-Berechnung des nicht sorgeberechtigten Konkubinatspartners. | |
Sachverhalt | |
Das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich lehnte das Gesuch des 1960 geborenen, ledigen G. um Ergänzungsleistungen ab (aufgrund der Verhältnisse Stand November 2008; mit Einspracheentscheid vom 30. April 2009 bestätigte Verfügung vom 25. November 2008). Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hob den Einspracheentscheid auf und wies die Sache an die Verwaltung zurück, damit sie über den Anspruch von G. auf Zusatzleistungen im Sinne der Erwägungen neu verfüge (Entscheid vom 31. Mai 2011).
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Das Amt für Zusatzleistungen führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.3 Um die zumutbaren beiderseitigen Unterhaltsleistungen im Rahmen der bestehenden familiären Gemeinschaft vollständig zu erfassen, rechnete die Verwaltung dem Kind einen hypothetischen jährlichen Unterhaltsbeitrag der vollerwerbstätigen Mutter als Einnahme an (Einspracheentscheid vom 30. April 2009). Dieser entsprach dem in einer EL-Schattenberechnung für das Jahr 2008 ermittelten Einnahmenüberschuss der Mutter über Fr. 6'117.-. Das führte dazu, dass die anrechenbaren Einnahmen des Kindes von Fr. 19'407.- (hypothetischer Unterhaltsbeitrag zuzüglich Kinderrente der IV von Fr. 6'816.- und der beruflichen Vorsorge von Fr. 1'434.- sowie Kinderzulagen von Fr. 5'040.-) höher waren als die anerkannten Ausgaben von Fr. 17'480.- (allgemeiner Lebensbedarf von Fr. 9'480.-, Krankenversicherungsprämien von Fr. 1'008.- sowie Mietzinsanteil [1/3] über Fr. 6'992.-). Aufgrund ihres Einnahmenüberschusses fiel die Tochter für die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung des Beschwerdegegners ausser Betracht (Art. 9 Abs. 4 ELG). Dessen anerkannte Ausgaben von Fr. 29'791.- unterschritten die anrechenbaren Einnahmen von Fr. 32'038.- (Renten der Invalidenversicherung und der beruflichen Vorsorge sowie ein gemäss Art. 14a Abs. 2 lit. c ELV mit Blick auf die Teilinvalidität von 61 Prozent anzurechnendes hypothetisches Erwerbseinkommen). Demgemäss lehnte das zuständige Amt das Gesuch um Ergänzungsleistung ab.
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Ohne Anrechnung des Unterhaltsbeitrages der Kindsmutter und unter Einbezug des in dieser Variante anfallenden Ausgabenüberschusses des Kindes (von rund Fr. 4'190.-, das heisst Fr. 349.- monatlich) hätte sich hingegen bei Zugrundelegung der von der Verwaltung verwendeten Zahlen ein Defizit von Fr. 1'943.- (32'038.- [29'791.- + 4'190.-]) ergeben. Aufgrund dieser Berechnungsweise wäre der Anspruch des Beschwerdegegners auf Ergänzungsleistung begründet.
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Erwägung 2.4 | |
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2.4.2 Die beschwerdeführende Verwaltung hält entgegen, nach den Prinzipien des Ergänzungsleistungsrechts und auch des Zivilrechts sei die Deckung des Kindesunterhalts in erster Linie Sache der Eltern. Ergänzungsleistung werde nur ausgerichtet, wo ein Bedarf ausgewiesen sei. Daher müsse in der EL-Berechnung für den Beschwerdegegner mit Kind unter dem Titel von Art. 11 Abs. 1 lit. h ELG auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mutter berücksichtigt werden. Nach Anrechnung der Kinderrenten und der Kinder- und Familienzulagen verbleibe im Unterhaltsbedarf des Kindes eine monatliche Deckungslücke von bloss Fr. 349.-. In der konkreten Verdienst- und Betreuungssituation habe die Mutter im Rahmen von Art. 276 ZGB diesen ungedeckten Teil zu übernehmen, soweit bei ihr dadurch keine Mankosituation entstehe.
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Im Rahmen der Eventualbegründung, die vom Vater in natura erbrachte Erziehungs- und Pflegeleistung sei in Gestalt einer Verzichtseinnahme (Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG) zu berücksichtigen, machte das beschwerdeführende Amt geltend, bei den üblichen Ansätzen der Kindertagesbetreuung sei die Betreuungsleistung des Beschwerdegegners mit jedenfalls Fr. 17'600.- jährlich zu bewerten. Der Einbezug einer solchen (nicht geltend gemachten) Entschädigung (anstelle des hypothetischen Mindesterwerbseinkommens nach Art. 14a ELV) führte wiederum zu einem Einnahmenüberschuss.
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Erwägung 3 | |
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3.2.1 Der Unterhalt für die 2006 geborene Tochter setzt sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf (einschliesslich Krankenkassenprämien und Mietzinsanteil) von Fr. 17'480.- (vgl. oben E. 2.3) sowie einem Aufwand für die Betreuung zusammen. Der die Kinderrenten und Kinderzulagen (von zusammen Fr. 13'290.-) übersteigende Geldbedarf von Fr. 4'188.- ist durch frei verfügbare Geldmittel der Mutter ohne Weiteres gedeckt. Beim Kind besteht somit ein Einnahmenüberschuss, der in der Anspruchsrechnung des Beschwerdegegners nicht berücksichtigt wird (Art. 9 Abs. 4 ELG).
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3.2.3 Angesichts des Umstandes, dass jeder Elternteil nach seinen Möglichkeiten zum Kindesunterhalt beitragen soll, stellt die Kindesbetreuung auch insoweit nicht eine freiwillige - und damit nicht vom anrechenbaren Jahreseinkommen abziehbare - Unterhaltsleistung dar, als sie über die unterhaltsvertragliche Verpflichtung hinausgeht (vgl. dazu AHI 1995 S. 222, P 63/94 E. 3; STEFAN WERLEN, Der Anspruch auf Ergänzungsleistungen und deren Berechnung, 1995, S. 221; RALPH JÖHL, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1744 f. Rz. 159 ff.). Dementsprechend liegt auch kein Verzicht auf Einkünfte (Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG) vor. Eine solche Annahme wäre der hier gegebenen Situation nicht angemessen: Die Betreuungsleistung des Kindsvaters erlaubt eine Vollerwerbstätigkeit der Mutter, ohne dass deswegen erhebliche Fremdbetreuungskosten anfallen. Dies wiederum leistet unter anderem Gewähr für den finanziellen Kindesunterhalt (oben E. 3.2.1).
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Zum gleichen Ergebnis führt die Rechtsprechung zu Art. 14a Abs. 2 (in Verbindung mit Abs. 1) ELV. Nach dieser Bestimmung wird teilinvaliden Personen, welche die ihnen zumutbare Resterwerbsfähigkeit nicht ausschöpfen, ein Mindesteinkommen angerechnet. Unter diesem Titel hat das beschwerdeführende Amt in die EL-Anspruchsrechnung des (im Zeitpunkt des strittigen Einspracheentscheids 49-jährigen) Beschwerdegegners einen dem Invaliditätsgrad von 61 Prozent entsprechenden Betrag eingesetzt (Art. 14a Abs. 2 lit. c ELV). Aus dem bisher Gesagten folgt, dass der Berechnungsweise der Verwaltung in diesem Punkt nicht gefolgt werden kann. Die Art. 14a Abs. 2 ELV zugrundeliegende Vermutung, die Verwertung der verbliebenen Erwerbsfähigkeit sei möglich und zumutbar, kommt nicht zum Tragen, wenn persönliche Umstände die Realisierung eines Einkommens verhindern oder erschweren (BGE 117 V 202 E. 2a S. 204; BGE 115 V 88). Die Betreuungsaufgabe des Beschwerdegegners bildet zweifellos einen solchen Hinderungsgrund.
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4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Einnahmen und Ausgaben gemeinsamer Kinder eines Konkubinatspaars beim rentenberechtigten Elternteil berücksichtigt werden (vgl. BGE 137 V 434); das Kind fällt indessen für die Berechnung der Ergänzungsleistung ausser Betracht, wenn es, wie hier, selber einen Einnahmenüberschuss aufweist (Art. 9 Abs. 4 ELG). Der mit Lebenspartnerin und gemeinsamem Kind zusammenlebende EL-Ansprecher erbringt mit der Kindesbetreuung eine Naturalunterhaltsleistung. Diese ermöglicht ein Erwerbseinkommen der Lebenspartnerin, ohne dass zugleich Fremdbetreuungskosten entstehen. Um im Sinne der Subsidiarität der Ergänzungsleitung alle für den Kindesunterhalt zur Verfügung stehenden Ressourcen zu erschliessen, wird dem Kindsvater eine hypothetische Entschädigung im Umfang des nach EL-Regeln ermittelten Einnahmenüberschusses der Kindsmutter angerechnet. Die Entschädigung tritt an die Stelle des Mindesteinkommens, wie es teilinvaliden Personen in der Regel angerechnet wird (Art. 14a Abs. 2 ELV). Nach Massgabe der so definierten Eckwerte der EL-Berechnung resultiert hier ein Einnahmenüberschuss. Daher hat der Beschwerdegegner keinen Anspruch auf Ergänzungsleistung.
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