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70. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Kantonales Arbeitsamt Appenzell Ausserrhoden gegen W. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_278/2013 vom 22. Oktober 2013 | |
Regeste |
Art. 16 Abs. 2 lit. b und d, Art. 17 Abs. 1 und 2, Art. 30 lit. c AVIG; Art. 26 AVIV. |
Die Pflicht der Versicherungsleistungen beanspruchenden Person, sich regelmässig um Stellen zu bewerben, ergibt sich für die Zeit vor der Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung nicht aus Art. 26 AVIV, sondern aus der in Art. 17 Abs. 1 AVIG verankerten allgemeinen Schadenminderungspflicht (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Am 27. Februar 2012 meldete sich W. zur Arbeitsvermittlung an und stellte Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. Mit Verfügung vom 9. Mai 2012 stellte ihn das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) wegen ungenügender persönlicher Arbeitsbemühungen in der Zeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ab 1. März 2012 für die Dauer von drei Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. Dies bestätigte das Arbeitsamt des Kantons Appenzell Ausserrhoden mit Einspracheentscheid vom 8. Juni 2012.
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B. Die von W. dagegen erhobene Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei von der Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen, hiess das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 9. Januar 2013 gut und hob den Einspracheentscheid vom 8. Juni 2012 und die Verfügung vom 9. Mai 2012 auf.
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C. Das Arbeitsamt führt Beschwerde mit dem Antrag, es sei der Entscheid des Obergerichts vom 9. Januar 2013 aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 8. Juni 2012 zu bestätigen.
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Weder W. noch das kantonale Gericht und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) haben sich vernehmen lassen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 2.1 | |
2.1.1 Nach Art. 17 Abs. 1 AVIG (SR 837.0) muss die versicherte Person, die Versicherungsleistungen beanspruchen will, mit ![]() | 8 |
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2.1.3 Die Eigeninitiative der versicherten Person hat sich laut Art. 17 Abs. 1 Satz 2 AVIG wenn nötig auch auf ausserberufliche Arbeitsgelegenheiten zu erstrecken. Nach Art. 16 Abs. 1 AVIG muss der Versicherte zur Schadenminderung grundsätzlich jede Arbeit unverzüglich annehmen. Dessen Abs. 2 besagt, dass eine Arbeit unzumutbar und somit von der Annahmepflicht ausgenommen ist, die ![]() | 10 |
Zur Frage, ob die versicherte Person allenfalls verpflichtet ist, die Arbeitssuche bereits während der Kündigungszeit auf weitere Branchen auszudehnen, hat das Bundesgericht bisher - soweit ersichtlich - nicht ausdrücklich Stellung genommen. Im Entwurf zur zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes war vorgesehen, die Anwendbarkeit von Art. 16 Abs. 2 lit. b AVIG dann auszuschliessen, wenn die Arbeitslosigkeit länger als vier Monate gedauert hat (Botschaft vom 29. November 1993 zur zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, BBl 1994 I 340 ff., 357 Ziff. 2 zu Art. 16 AVIG, 377). Diese Grenze hat jedoch nicht Eingang ins Gesetz gefunden (vgl. dazu auch THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2269 Rz. 296; JACQUELINE CHOPARD, Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung, 1998, S. 118). Sie hätte sich zudem nur auf die Zeit der Arbeitslosigkeit und somit nicht auf die Kündigungszeit bezogen. Nimmt die Rücksichtnahme auf Art. 16 Abs. 2 lit. b AVIG mit längerdauernder Arbeitslosigkeit ab (in diesem Sinne SVR 2007 ALV Nr. 6 S. 19, C 244/05 E. 2.1), ist die in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 AVIG statuierte Schadenminderungspflicht zu Beginn der Stellensuche noch nicht allzu streng zu handhaben.
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2.2 Nebst den soeben erwähnten materiellen Pflichten von Art. 17 Abs. 1 AVIG regelt Art. 17 AVIG im zweiten Absatz Pflichten formeller Natur (Erfüllung der Kontrollvorschriften). Demnach muss sich die versicherte Person möglichst frühzeitig, spätestens jedoch am ersten Tag, für den sie Arbeitslosenentschädigung beansprucht, persönlich bei ihrer Wohngemeinde oder der vom Kanton bestimmten zuständigen Amtsstelle zur Arbeitsvermittlung melden und von da an die Kontrollvorschriften des Bundesrates befolgen (Art. 17 Abs. 2 AVIG). Diese werden in den Art. 18 bis 27 AVIV geregelt. So müssen bei der Anmeldung bei der zuständigen Amtsstelle verschiedene Unterlagen eingereicht werden (Art. 20 Abs. 1 AVIV). Zu diesem Zeitpunkt wird die versicherte Person von der zuständigen Durchführungsstelle auch über die Rechte und Pflichten aufgeklärt (Art. 19a AVIV). Zum Kern der Beratungspflicht gehört es, die versicherte Person darauf aufmerksam zu machen, ihr Verhalten könne eine der Voraussetzungen des Leistungsanspruchs gefährden (BGE 131 V 472 E. 4.3 S. 479). Art. 26 Abs. 1 AVIV in der vorliegend anwendbaren, seit 1. April 2011 in Kraft stehenden Fassung verpflichtet die versicherte Person, sich gezielt um Arbeit zu bemühen, in der Regel in Form einer ordentlichen Bewerbung. Absatz 2 derselben Bestimmung lautet in der seit 1. April 2011 in Kraft stehenden Fassung: Sie muss den Nachweis der Arbeitsbemühungen für jede Kontrollperiode spätestens am fünften Tag des folgenden Monats oder am ersten auf diesen Tag folgenden Werktag einreichen; die Arbeitsbemühungen werden nicht mehr berücksichtigt, wenn sie die Frist verstreichen lässt und keinen entschuldbaren ![]() | 14 |
Erwägung 3 | |
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Erwägung 4 | |
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4.2 Daraus allein folgt jedoch nicht, dass bei insgesamt genügender Anzahl und Qualität der persönlichen Arbeitsbemühungen während der Kündigungszeit ein mehr als einmonatiger Unterbruch der Stellensuche ohne Weiteres zu tolerieren wäre (vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 141/02 vom 16. September 2002 E. 3.2). Denn für die Zeit vor der Anmeldung bei der zuständigen Amtsstelle ergibt sich die Pflicht der Versicherungsleistungen beanspruchenden Person zur persönlichen Arbeitssuche direkt aus der in Art. 17 Abs. 1 AVIG verankerten allgemeinen Schadenminderungspflicht (vgl. E. 2.1 hievor). Daraus folgt, dass Versicherte in gekündigter Stellung bereits während der Kündigungsfrist alles Zumutbare zu unternehmen haben, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen. Die Anzahl der erforderlichen Stellenbewerbungen richtet sich nach den konkreten Umständen. So können von einer spezialisierten Arbeitskraft wesensgemäss weniger Bewerbungen vorgenommen werden als von einer Hilfskraft (vgl. auch E. 2.1.3 hievor). Regelmässige Bewerbungen bereits während der Kündigungszeit, solange die betroffene Person ![]() | 18 |
4.3 Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung erfolgte somit zu Recht. Unter Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven Umstände ist die von der Verwaltung verfügte Festlegung der Einstellungsdauer auf drei Tage und damit im unteren Bereich eines leichten Verschuldens (Art. 45 Abs. 3 lit. a AVIV) nicht zu beanstanden.
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