BGE 139 V 547 | |||
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73. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. D. gegen IV-Stelle Schwyz (Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_972/2012 vom 31. Oktober 2013 | |
Regeste |
Lit. a Abs. 1 der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket); Überprüfung der Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden. | |
Sachverhalt | |
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A.a D., geb. 1959, erlitt anlässlich eines Auffahrunfalles im Jahre 1996 ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule (HWS). Namentlich gestützt auf ein Gutachten des Dr. med. K., Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 18. Mai 1999 bezog sie in der Folge vom 1. November 1997 bis 31. Januar 1998 eine ganze und ab dem 1. Februar 1998 eine halbe Rente der Invalidenversicherung (Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 26. August 1999). Dieser Anspruch wurde am 30. September 2003 durch die nunmehr zuständige IV-Stelle Schwyz (nachfolgend: IV-Stelle) verfügungsweise bestätigt. Mit Verfügung vom 25. Februar 2010 stellte sie die Rentenleistungen auf der Basis einer interdisziplinären Expertise der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 11. November 2009 nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens auf Ende März 2010 ein. Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz gut und verpflichtete die IV-Stelle, D. weiterhin eine halbe Rente auszurichten (rechtskräftiger Entscheid vom 27. September 2010).
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A.b Am 30. November 2011 leitete die Verwaltung ein Revisionsverfahren ein und hob die bisherige Rente unter Hinweis auf lit. a Abs. 1 der per 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket [AS 2011 5659; BBl 2011 2723 und 2010 1817]; nachfolgend: SchlBest. IVG) mit Verfügung vom 16. Mai 2012 auf Ende Juni 2012 auf.
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B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 16. Oktober 2012 ab.
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C. D. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es sei ihr über Ende Juni 2012 hinaus eine halbe Rente zu gewähren. Eventualiter sei ein psychiatrisches Gutachten einzuholen, welches auf die Schwere des Schmerzleidens und die sog. "Foerster-Kriterien" Bezug nehme.
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Die Vorinstanz verzichtet auf eine Antragstellung, während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst. Im Rahmen der Replik hält D. an ihren Rechtsbegehren fest und reicht ein von Prof. Dr. iur. Jörg Paul Müller und Dr. iur. Matthias Kradolfer verfasstes Rechtsgutachten vom 20. November 2012 "zur Rechtslage betreffend Zusprache von IV-Renten in Fällen andauernder somatoformer Schmerzstörungen und ähnlicher Krankheiten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichts bis Herbst 2012 und der Bundesgesetzgebung im Rahmen der 5. und 6. IV-Revision" (nachfolgend: Gutachten Müller/Kradolfer) ein. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) äussert sich dazu. D. lässt sich ihrerseits zu den Vorbringen des BSV vernehmen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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2.2 Im Rahmen des mit Entscheid vom 27. September 2010 rechtskräftig beurteilten Revisionsverfahrens hatte das kantonale Gericht erwogen, der Gesundheitszustand der Versicherten habe sich seit Erlass der rentengewährenden Verfügung vom 26. August 1999 nicht in erheblicher, eine Aufhebung der bisherigen halben Rente rechtfertigenden Weise verändert. Die Rentenleistungen seien folglich weiterhin zu erbringen. Im betreffenden Verfahren wie auch im hier angefochtenen Entscheid war festgestellt worden, dass der strittigen Rente kein nachweisbarer organischer Befund zu Grunde gelegen hatte. Die Zusprache der Leistungen war vielmehr gestützt auf die Ausführungen des Psychiaters Dr. med. K. vom 18. Mai 1999 erfolgt, wonach die Beschwerdeführerin als Folge eines Auffahrunfalles vom 13. November 1996 unter einer somatoformen Schmerzstörung, einer leichten neuropsychologischen Funktionsstörung und einer leichten neurotischen Persönlichkeitsstörung leide. Dieses Beschwerdebild gehört rechtsprechungsgemäss - wie auch Fibromyalgien, dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen, Chronic Fatigue Syndrome (CFS; chronisches Müdigkeitssyndrom), Neurasthenie, dissoziative Bewegungsstörungen, nichtorganische Hypersomnie, leichte Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerzsyndrom sowie spezifische und unfalladäquate HWS-Verletzungen (Schleudertrauma) ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle (siehe dazu im Detail BGE 137 V 64 E. 4.2 S. 68 mit Hinweisen; Urteile 8C_167/2012 vom 15. Juni 2012 E. 6 und 9C_776/2010 vom 20. Dezember 2011 E. 2.2 in fine, in: SVR 2012 IV Nr. 32 S. 127; ferner Rz. 1002 des Kreisschreibens des BSV über die Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG [KSSB], gültig ab 1. März 2013 http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/3936/lang:deu/category:34) - zu den hievor genannten unklaren Beschwerden. Mit der Vorinstanz ist daher davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Rentenüberprüfung nach Massgabe der SchlBest. IVG grundsätzlich gegeben sind.
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Erwägung 3 | |
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3.2.1 Der Vorwurf im damaligen Verfahren 9C_776/2010 (Urteil vom 20. Dezember 2011, in: SVR 2012 IV Nr. 32 S. 127; vgl. auch die Urteile 8C_167/2012 vom 15. Juni 2012 E. 6.2 in fine; 9C_936/2011 vom 21. März 2012 E. 2.2; 9C_736/2011 vom 7. Februar 2012 E. 2.2 und 8C_420/2011 vom 26. September 2011 E. 2.4) lautete, dass bei bestimmten Diagnosen die Frage nach der invalidisierenden Wirkung eines Gesundheitsschadens anhand besonderer Regeln beantwortet werde, ohne dass eine derartige Ungleichbehandlung zu rechtfertigen sei (E. 2.3.1). Es hielt diesem Vorbringen entgegen (E. 2.3.2), dass von einer Normauslegung im Bereich der Invalidenversicherung naturgemäss stets gesundheitlich beeinträchtigte Personen betroffen seien. Fehle es mithin an einer - allein an die Zugehörigkeit zu einer verletzlichen Personengruppe anknüpfenden - Ungleichbehandlung, so handle es sich von vornherein nicht um ein Problem der Diskriminierung (im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV sowie Art. 14 in Verbindung mit Art. 6 EMRK).
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"Die Beschwerdeführerin weist an sich zu Recht darauf hin, dass soziale und andere an die versicherte Person gebundene Faktoren an der Entstehung von Gesundheitsbeeinträchtigungen beteiligt sein können (vgl. dazu GAEBEL/ZIELASEK, in: Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie, Bd. 1, Möller/Laux/Kapfhammer [Hrsg.], 2011, S. 99 f.). Der für Rentenleistungen der Invalidenversicherung geltende enge Begriff des Gesundheitsschadens klammert Wechselwirkungen von Psyche, Soma und
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sozialem Umfeld denn auch nur soweit aus, als es darum geht, die für die Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit kausalen versicherten Faktoren zu umschreiben. Soweit ein verselbständigter Gesundheitsschaden im Rechtssinne gegeben ist (vgl. BGE 127 V 294 E. 5a S. 299), ist für dessen Anspruchserheblichkeit nicht bedeutsam, ob soziale Umstände bei seiner Entstehung eine massgebende Rolle spielten. Kein verselbständigter Gesundheitsschaden liegt jedenfalls dann vor, wenn durch soziale Umstände verursachte psychische Störungen wieder verschwinden, wenn die Belastungsfaktoren wegfallen (SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203, 9C_830/2007 E. 4.2). Die erwähnten Elemente fliessen auch in die Folgenabschätzung ein: Die funktionelle, letztlich erwerbsbezogene Auswirkung eines Gesundheitsschadens wird auch anhand der individuellen Eigenschaften der versicherten Person bestimmt (vgl. BRUNNER/BIRKHÄUSER, Somatoforme Schmerzstörung - Gedanken zur Rechtsprechung und deren Folgen für die Praxis, insbesondere mit Blick auf die Rentenrevision, BJM 2007 S. 181 ff.). Psychosoziale und soziokulturelle Faktoren sind also mittelbar invaliditätsbegründend, wenn und soweit sie den Wirkungsgrad der - unabhängig von den invaliditätsfremden Elementen bestehenden - Folgen des Gesundheitsschadens beeinflussen (vgl. BGE 127 V 294 E. 5a S. 299; SVR 2008 IV Nr. 15 S. 43, I 514/06 E. 2.2.2.2; THOMAS LOCHER, Die invaliditätsfremden Faktoren in der rechtlichen Anerkennung von Arbeitsunfähigkeit und Invalidität, in: Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2003, S. 253; vgl. aus medizinischer Sicht JÖRG JEGER, Wer bemisst invaliditätsfremde [soziokulturelle und psychosoziale] Ursachen der Arbeitsunfähigkeit - der Arzt oder der Jurist?, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2008, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2009, S. 166 ff.). Die Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 wahrt diese Vorgaben durchaus. Somit ist auch die Rüge der Beschwerdeführerin unbegründet, die Voraussetzungen für die Annahme einer invalidisierenden Wirkung pathogenetisch-ätiologisch unklarer syndromaler Beschwerdebilder führten zu einer indirekten Diskriminierung im eingangs umschriebenen Sinn. Im Gegenteil leisten die - sofern sachgemäss und differenziert gehandhabten - Kriterien gerade Gewähr dafür, dass Faktoren, welche die Kompensation der gesundheitlichen Einschränkung erschweren, bei der Einschätzung der Arbeits(un)fähigkeit rechtsgleich berücksichtigt werden."
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"Die kritisierte Praxis gibt den begutachtenden Fachpersonen und den Organen der Rechtsanwendung auf, die Arbeitsfähigkeit im Einzelfall mit Blick auf bestimmte Kriterien zu prüfen, um damit eine einheitliche und rechtsgleiche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten (BGE 135 V 201 E. 7.1.3 S. 213). Die Gesamtheit der ursprünglich als fachpsychiatrische Prognosekriterien formulierten Gesichtspunkte (vgl. BGE 135 V 201 E. 7.1.2 S. 212; KLAUS FOERSTER, Begutachtung und Erwerbsfähigkeit bei Patienten mit psychogenen Störungen, SZS 1996 S. 486 ff., 498) ist zu einem rechtlichen Anforderungsprofil verselbständigt worden. Mit diesem soll sichergestellt werden, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Feststellung eines rechtserheblichen Gesundheitsschadens und von dessen anrechenbaren Folgen für die Leistungsfähigkeit erfüllt sind (vgl. THOMAS GÄCHTER, Die Zumutbarkeit und der sozialversicherungsrechtliche Beweis, in: Was darf dem erkrankten oder verunfallten Menschen zugemutet werden?, Murer [Hrsg.], 2008, S. 253 f.). Dementsprechend schlagen sich Neuformulierungen von Kriterienkatalogen in der medizinischen Fachliteratur nicht unmittelbar in den für diese Gruppe von Leiden geschaffenen Beurteilungselementen nieder (Urteil 8C_420/2011 vom 26. September 2011 E. 2.4). Die einzelnen Kriterien orientieren sich zwar an medizinischen Erkenntnissen. Eine direkte Anbindung besteht aber nicht, weshalb sich die Frage der Validierung hier nicht stellt. Davon abgesehen bestehen in der Schweiz nur verfahrensmässige Leitlinien (der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie für die Begutachtung psychischer Störungen [Schweizerische Ärztezeitung, SAeZ 2004 S. 1048 ff.] sowie für die Begutachtung rheumatologischer Krankheiten und Unfallfolgen [der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie; SAeZ 2007 S. 736 ff.]), jedoch (noch) kein von involvierten Fachverbänden getragener, breit abgestützter materieller Grundkonsens in solchen Fragen, dies im Unterschied etwa zu Deutschland (vgl. Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften [AWMF], 2005-07, www.awmf.org; JÖRG JEGER, Die Entwicklung der "Foerster-Kriterien" und ihre Übernahme in die bundesgerichtliche Rechtsprechung: Geschichte einer Evidenz, Jusletter vom 16. Mai 2011, Rz. 7 ff., 27 ff., 142 und 161)."
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4.2 Im angefochtenen Entscheid wurde hiezu festgehalten, nach Art. 190 BV seien Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die rechtsanwendenden Behörden massgebend. Somit hätten sich sowohl die IV-Stellen als auch das kantonale Gericht an die gesetzlichen Bestimmungen des IVG zu halten. Der Gesetzgeber habe mit den SchlBest. IVG beabsichtigt, dass Rentenleistungen, welche bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage zugesprochen wurden, innert dreier Jahre überprüft und gegebenenfalls aufgehoben würden. Eine IV-relevante Erwerbsunfähigkeit liege nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht unüberwindbar sei. Durch die Schlussbestimmungen werde garantiert, dass alle unter unklaren Beschwerden leidenden versicherten Personen gleich behandelt würden. Seit der 5. IV-Revision bestehe in Fällen von somatoformen Schmerzstörungen und ähnlichen Sachverhalten grundsätzlich kein Rentenanspruch mehr.
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5.1 Das Bundesgericht hat sich bereits in BGE 102 V 165 mit dieser Problematik befasst. Es hat vorerst festgestellt, Gegenstand der Invalidenversicherung sei nicht der körperliche oder geistige Gesundheitsschaden an sich, sondern seine wirtschaftliche Auswirkung, also die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit. Zu den geistigen Gesundheitsschäden, welche in gleicher Weise wie die körperlichen eine Invalidität zu begründen vermöchten, gehörten neben den eigentlichen Geisteskrankheiten auch seelische Abwegigkeiten mit Krankheitswert. Nicht als Auswirkungen einer krankhaften seelischen Verfassung und daher als IV-rechtlich irrelevant hätten demgegenüber Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit zu gelten, welche die versicherte Person bei Aufbietung allen guten Willens, Arbeit in ausreichendem Masse zu verrichten, zu vermeiden in der Lage wäre. Massgebend sei, was der versicherten Person infolge ihres geistigen Zustandes zugemutet werden könne. Entscheidend sei dabei nicht, dass sie in nur ungenügendem Masse eine Erwerbstätigkeit ausübe, sondern vielmehr, dass ihr die Verwertung der Arbeitsfähigkeit sozial-praktisch nicht mehr zumutbar oder für die Gesellschaft untragbar sei.
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Diese Grundsätze galten nach der damaligen Rechtsprechung insbesondere für Psychopathien, psychische Fehlentwicklungen, Trunksucht, suchtbedingten Missbrauch von Medikamenten und für Neurosen.
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5.3 Seit den neunziger Jahren haben die Krankheitsbilder mit somatoformen Schmerzstörungen stark an Bedeutung gewonnen. Als Ausfluss daraus wurden durch die psychiatrische Literatur in Deutschland Kriterien für die Stellung einer Prognose (KLAUS FOERSTER, Begutachtung und Erwerbsfähigkeit bei Patienten mit psychogenen Störungen, SZS 1996 S. 486 ff., 498) und die Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erarbeitet (KLAUS FOERSTER, Psychiatrische Begutachtung im Sozialrecht, in: Psychiatrische Begutachtung, 3. Aufl. 2000, S. 509, 511; vgl. auch KOPP/WILLI/KLIPSTEIN, Im Graubereich zwischen Körper, Psyche und sozialen Schwierigkeiten, Schweizerische Ärztezeitung [SAeZ] 1997 S. 1380 ff., 1434 f. mit Hinweis auf die grundlegenden Untersuchungen von WINCKLER und FOERSTER). Die Lehre hat diese Kriterien für das schweizerische Recht entsprechend herangezogen (HANS-JAKOB MOSIMANN, Somatoforme Störungen: Gerichte und [psychiatrische] Gutachten, SZS 1999 S. 1 ff. und 105 ff.), woraufhin sie durch das damalige Eidgenössische Versicherungsgericht (Urteil I 554/98 vom 19. Januar 2000, teilweise veröffentlicht in: VSI 2000 S. 152 E. 2c S. 154 f.) und die Verwaltungspraxis übernommen wurden (IV-Rundschreiben des BSV Nr. 180 vom 27. Mai 2003 [Rz. 1018 des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSIH] http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/3950/lang:deu/category:34, gültig ab 1. Juli 2003]). Diese Rechtsprechung stellte keine grundlegende Abkehr von den in BGE 102 V 165 aufgestellten Grundsätzen dar, sondern deren konkrete Anwendung auf die Diagnose "somatoforme Schmerzstörung" (zum Ganzen BGE 135 V 215 E. 6.1.2 S. 226 mit diversen Hinweisen).
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5.7 Mit der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen 5. IV-Revision wurden diverse Sparmassnahmen bei der Invalidenversicherung verwirklicht und namentlich der Grundsatz "Eingliederung vor Rente" nachhaltiger umgesetzt. Unter anderem wurde Art. 7 ATSG ergänzt. In Abs. 2 Satz 1 der Bestimmung wird festgehalten, dass bei der Beurteilung einer Erwerbsunfähigkeit ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen sind. Satz 2 verdeutlicht, dass eine Erwerbsunfähigkeit nur vorliegt, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist. Damit wurde einerseits der Zumutbarkeitsgrundsatz ins Gesetz aufgenommen, was bedeutet, dass die versicherte Person alles vorzukehren hat, um die drohende Invalidität zu vermeiden oder zu verringern (vgl. Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [5. IV-Revision; nachfolgend: Botschaft], BBl 2005 4459 ff., insb. 4528 Ziff. 1.6.1.5.2 in fine, 4530 f. Ziff. 1.6.1.5.3 und 4532 Ziff. 1.6.1.5.4; ferner BGE 135 V 215 E. 7.3 S. 231). Anderseits wurde das Gebot der Objektivierbarkeit gesetzlich verankert. In der Botschaft führte der Bundesrat dazu unter ausdrücklicher Bezugnahme auf BGE 130 V 352 aus, eine objektive Beurteilung sei insbesondere bei Schmerzpatienten erforderlich (BBl 2005 4531 Ziff. 1.6.1.5.3). Der Antrag, von einer entsprechenden Ergänzung des Art. 7 ATSG sei abzusehen, wurde im Nationalrat deutlich abgelehnt (AB 2006 N 410 f. und S 611). Mit der Präzisierung von Art. 7 ATSG wurde somit die Rechtsprechungsentwicklung sowohl zur Frage der Zumut- bzw. Überwindbarkeit von gesundheitlichen Beeinträchtigungen als auch zu deren Objektivierbarkeit durch den Gesetzgeber bestätigt (vgl. auch UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 31 ff. zu Art. 7 ATSG). Diese Bestätigung bezog sich vorerst allerdings auf Neuanmeldungen und nicht auf bestehende Renten.
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5.9 Zusammenfassend stellt sich die Entwicklung wie folgt dar: Mit BGE 130 V 352 wurden die Voraussetzungen, welche an den Nachweis der Invalidität bei Schmerzpatienten (somatoforme Schmerzstörung) gestellt werden, in Bezug auf die Zumutbarkeit und die Objektivierbarkeit präzisiert und für alle Schmerzpatienten rechtsgleich ausgestaltet. Die entsprechende Stossrichtung hatte ihre Wurzeln allerdings schon in zahlreichen früheren bundesgerichtlichen Urteilen. Sie gründet in der Überzeugung, dass sich nicht jedes Krankheitsbild invalidisierend auswirkt. Die invaliditätsbezogenen Folgen der gesundheitlichen Störungen sind aus objektiver Sicht zu beurteilen; auf die bloss subjektiven Angaben der Betroffenen kann nicht ohne Weiteres abgestellt werden. Diese Rechtsprechung beruht einerseits auf medizinischen Grundlagen, nämlich der Erkenntnis, dass die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) Diagnosen von Beschwerdebildern und Störungen enthält, die sich hinsichtlich ihrer invalidisierenden Wirkung einer objektiven Beurteilung weitgehend entziehen, weil sie auf den Angaben der Patienten basieren, pathogenetisch-ätiologisch aber unklar bleiben und daher nicht objektivierbar sind. Sie fusst zudem auf juristischen Überlegungen, welche den Nachweis bzw. Beweis der Invalidität solcher Krankheitsbilder betreffen: Fehlt es an einer objektiven Nachweismöglichkeit durch einen ärztlichen Sachverständigen, kann auch der Beweis, wonach derartige Störungen invalidisierende Folgen zeitigen, nicht erbracht werden.
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Diese Grundsätze gelangten erstmals bei der somatoformen Schmerzstörung zur Anwendung und wurden in der Folge auf weitere unklare Beschwerdebilder ausgedehnt (vgl. Auflistung in E. 2.2 hievor). Der Gesetzgeber hat die dieser Rechtsprechung zu Grunde liegenden Erkenntnisse und Überlegungen im Rahmen der 5. und 6. IV-Revision rezipiert.
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Erwägung 7 | |
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7.1.2 Bei den Folgen von Schleudertraumen (vgl. BGE 136 V 279) etwa ist die Ätiologie - die zu Grunde liegende Ursache - in leichteren Fällen meist nicht objektiv ausgewiesen. Immerhin ist aber von morphologischen Schädigungen (Mikroverletzungen; vgl. BGE 117 V 359 E. 5d/aa S. 363 f.) auszugehen; die Rechtsprechung nimmt denn auch nach wie vor an, dass eine bei einem Unfall erlittene Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule oder des Kopfes auch ohne organisch nachweisbare (objektivierbare) Funktionsausfälle zu länger dauernden, die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden Beschwerden führen kann (BGE 134 V 109 E. 6.2.1, BGE 134 V 7 und 9 S. 116 ff.). Andere von der Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 erfasste Krankheitsbilder, so die anhaltende somatoforme Schmerzstörung, haben eine (überwiegend) psychische Ursache, vorbehältlich des oft vorhandenen somatischen Kerns (vgl. die Definition in ICD-10, German Modification [GM] 2011, Ziff. 45.41) und des Umstands, dass psychische Prozesse als generell von neurophysiologischen Abläufen begleitet gelten (URS MÜLLER, Die materiellen Voraussetzungen der Rentenrevision in der Invalidenversicherung, 2003, S. 28). Bei weiteren Syndromen ist die Ursache gänzlich unbekannt, so bei der Fibromyalgie (BGE 132 V 65 E. 3.3 S. 68 f.; vgl. aber auch EGLE UND ANDERE, Fibromyalgie und Leistungseinschränkung, Psychotherapeut 2007 S. 436 ff., 442) oder beim chronischen Müdigkeitssyndrom (Urteil 9C_662/2009 vom 17. August 2010 E. 2.3, in: SVR 2011 IV Nr. 26 S. 73).
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7.1.4 Gewisse Störungsbilder, wie etwa Schizophrenie sowie Zwangs-, Ess- und Panikstörungen (vgl. Rz. 1003 KSSB), können auf Grund klinischer psychiatrischer Untersuchungen klar diagnostiziert werden. Bezüglich ihrer Überprüf- und Objektivierbarkeit sind diese Leiden mit den somatischen Erkrankungen vergleichbar. Beim (im Wesentlichen psychogenen) Schmerzsyndrom und ähnlichen Störungen hingegen gibt es keine derartigen direkt beobachtbaren Befunde. Auch im Gegensatz zu den "klassischen", beispielsweise affektiven, psychischen Störungen fehlt es mithin in zwei Richtungen an Massstäben, wie sie zur Klärung von invalidenversicherungsrechtlichen Ersatzansprüchen nötig sind: Einerseits ist die rechtskonforme Abgrenzung zu nicht versicherten (sozialen) Faktoren weitaus stärker gefährdet als bei anderen psychischen Beschwerdebildern. Anderseits mangelt es an einer substanziellen Grundlage zur Feststellung, wie weit die somatoformen Beschwerden eine erwerbliche Tätigkeit gegebenenfalls unzumutbar machen. Die Grenzziehung ist im Einzelfall nicht leicht vorzunehmen (vgl. nachfolgend E. 9.2). Die medizinische Diagnosestellung bleibt aber in jedem Fall den ärztlichen Fachpersonen vorbehalten. Immerhin gibt die internationale Klassifikation der Krankheiten ICD-10 nachvollziehbare Unterscheidungskriterien vor. Dem Gericht bleibt es vorbehalten, die Vollständigkeit und Plausibilität der medizinischen Begutachtung nach den anerkannten Regeln (vgl. BGE 137 V 210 ff.) zu überprüfen.
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7.2 Die pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebilder sind nach dem Gesagten nicht messbar und folglich kaum zu überprüfen. Daher mangelt es an der Objektivierbarkeit dieser Störungen. Deren beschriebene Eigenschaften lassen den direkten Nachweis einer anspruchsbegründenden Arbeitsunfähigkeit vorerst nicht zu (vgl. MEYER/SCHWENDENER, Krankheit als leistungsauslösender Begriff im Sozialversicherungsrecht, in: Rechtsfragen zum Krankheitsbegriff, 2009, S. 20). An dessen Stelle tritt behelfsweise ein auf Indizien gestützter indirekter Beweis über das Vorliegen eines Gesundheitsschadens (insoweit: Morbiditätskriterien, BGE 137 V 64 E. 5.1 S. 69; zum Erfordernis einer nach einem wissenschaftlich anerkannten Klassifikationssystem gestellten Diagnose: BGE 130 V 398 E. 5.3 und 6 S. 398 ff.; vgl. auch die Ausschlusskriterien in BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 51 [zweiter Abs.]), über dessen funktionelle Auswirkungen sowie über die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit. Die notgedrungen weitgehend subjektiven Symptome werden einer objektivierenden Konsistenzprüfung unterzogen (dazu MICHAEL PHILIPP, Zur Bedeutung der objektivierten Beschwerdeschilderung für die psychiatrische Rentenbegutachtung, Der medizinische Sachverständige, 2010, S. 181 ff., 185). Würden die Defizite in der Beweisbarkeit, wie sie in der Eigenart der geschilderten Symptome angelegt sind, nicht durch Hilfstatsachen ausgeglichen, wäre eine invalidisierende Einschränkung oft von vornherein nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) nachweisbar. Insofern verhindert das mit BGE 130 V 352 etablierte normative Instrumentarium - je nach Ausgang der Wertung - eine Beweislosigkeit, die sich nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast zuungunsten der von den fraglichen Leiden betroffenen versicherten Personen auswirken und letztlich dazu führen müsste, dass die fragliche Gruppe von Gesundheitsschädigungen im Ergebnis generell aus dem Kreis der entschädigungsfähigen Tatbestände ausschiede. Insofern hat die kritisierte Rechtsprechung BGE 130 V 352 eine gewährleistende Funktion. Der primäre Mangel an Beweisbarkeit rechtserheblicher Tatsachen führt erst dann und insoweit zu einer Ablehnung des Leistungsanspruchs, wenn die Indizien, wie sie bei einer umfassenden, kriteriengeleiteten Prüfung zutage gefördert wurden, nicht hinreichend Grund zur Annahme bieten, eine Erwerbstätigkeit sei ganz oder teilweise unzumutbar.
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8.1 Nach der allgemeinen Beweisregel (Art. 8 ZGB) hat die versicherte Person die invalidisierenden Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Gelingt dieser Nachweis nicht, verfügt sie über keinen Leistungsanspruch. Mit anderen Worten wird bei Beweislosigkeit vermutet, dass sich der geklagte Gesundheitsschaden nicht invalidisierend auswirkt: Vermutet wird Validität, nicht Invalidität. An diesem Nachweis kann es unter mehreren Aspekten mangeln: Die Einschränkung ist nicht gesundheitlich, sondern sozial/soziokulturell bedingt (1); die gesundheitliche Einschränkung ist nicht evident, wiegt nicht schwer, sodass sie überwindbar und der versicherten Person die Verrichtung einer adaptierten Tätigkeit dennoch zumutbar ist (2); die Einschränkung ist medizinisch angeh- oder gar heilbar (3); die Einschränkung ist nur vorübergehender Natur, sei es, weil sie von selbst oder nach einer medizinischen Behandlung abklingt (4). Die entsprechenden Elemente (gesundheitlicher Charakter, Evidenz und Erheblichkeit, Unheilbarkeit und Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung) sind stets - auch ausserhalb der unklaren Beschwerdebilder - nachzuweisen, damit ein Anspruch auf eine Dauerleistung der Invalidenversicherung geltend gemacht werden kann.
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Die unklaren Beschwerden unterscheiden sich demnach hinsichtlich ihrer invalidisierenden Folgen von anderen (psychischen) Leiden durch die mangelnde Objektivierbarkeit. Dabei handelt es sich um ein sachliches Kriterium, das überprüft werden kann. Die hinreichende Objektivierbarkeit der gesundheitlichen Beeinträchtigung wird für Ansprüche auf Sozialversicherungsleistungen seit jeher vorausgesetzt (vgl. E. 5.2 hievor) und hat im Rahmen der5. IV-Revision auch Eingang in die Gesetzgebung gefunden (Art. 7 Abs. 2 ATSG; E. 5.6 in fine und E. 5.7 hievor). Von einer unbegründeten Schlechterstellung bzw. einer Diskriminierung der betroffenen Versicherten in verfassungsmässigem Sinne bzw. nach Massgabe der EMRK kann daher nicht gesprochen werden.
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Erwägung 9 | |
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- das Vorliegen einer mitwirkenden, psychisch ausgewiesenen Komorbidität von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer
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oder aber das Vorhandensein anderer qualifizierter, mit gewisser Intensität und Konstanz erfüllter Kriterien wie etwa:
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- chronische körperliche Begleiterkrankungen und mehrjähriger Krankheitsverlauf bei unveränderter oder progredienter Symptomatik ohne längerfristige Remission
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- ein ausgewiesener sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens
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- ein verfestigter, therapeutisch nicht mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer Krankheitsgewinn ["Flucht in die Krankheit"])
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- ein unbefriedigendes Behandlungsergebnis trotz konsequent durchgeführter ambulanter und/oder stationärer Behandlungsbemühungen (auch mit unterschiedlichem therapeutischem Ansatz) und gescheiterte Rehabilitationsmassnahmen bei vorhandener Motivation und Eigenanstrengung der versicherten Person.
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9.1.2 Mit Blick auf das erstgenannte Kriterium der Komorbidität ist Folgendes anzufügen: Die Diagnose eines pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildes ohne nachweisbare organische Grundlage kann insbesondere im Zusammenhang mit anderen Krankheitsbildern stehen. Soweit es sich dabei um Störungen handelt, deren Nachweis anhand klinischer Untersuchungen klar erbracht werden kann, ist die Arbeitsunfähigkeit durch die Ärztin oder den Arzt auf Grund der betreffenden Diagnose zu schätzen. Seitens des Gerichts besteht sodann keine Notwendigkeit, diese Einschätzung in Zweifel zu ziehen, wenn sie auf den anerkannten Grundsätzen einer medizinischen Begutachtung beruht. Genau betrachtet ergibt sich die Arbeitsunfähigkeit in dieser Konstellation nicht aus dem Gegenbeweis der Komorbidität, sondern aus den Folgen einer Grunderkrankung ausserhalb der unklaren Beschwerden.
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9.2 Die einzelnen psychischen Störungsbilder weisen Gemeinsamkeiten und Überschneidungen auf. Ob sie pathogenetisch-ätiologisch klar nachweisbar sind, lässt sich medizinisch nicht ohne Weiteres klären. Zudem stehen sie meist in Relation zu somatischen Leiden. Das Bundesgericht hat diese Problematik erkannt und die Bedeutung einer fachkompetenten Abklärung und Begutachtung daher stets betont. Die entsprechenden Verfahrensrechte der Beteiligten sind letztmals in BGE 137 V 210 zusammengefasst und modifiziert worden (vgl. ferner ULRICH MEYER, Die psychiatrische Begutachtung als Angelpunkt der juristischen Beurteilung: Entwicklung und Perspektiven, in: Berufliche Vorsorge, Stellwerk der Sozialen Sicherheit, 2013, S. 131 ff.).
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9.3 Hiefür ist im Rahmen der auf den 1. Januar 2012 in Kraft getretenen 6. IV-Revision eine spezielle Rechtsgrundlage geschaffen worden. Der Gesetzgeber war sich der geschilderten Problematik ebenfalls bewusst und hat die voraussetzungslose Überprüfung bestehender Renten nicht unbeschränkt zugelassen. Diese kann zum einen nur während dreier Jahre vorgenommen werden und ist weder zulässig im Falle von über 55-jährigen Rentenbezügern noch bei Renten, die seit mehr als 15 Jahren ausgerichtet werden (lit. a Abs. 1 und 4 SchlBest. IVG). Überdies sehen die Schlussbestimmungen zur Vermeidung unbilliger Härtefälle spezielle Integrationsmassnahmen vor. So haben versicherte Personen, deren Rente unter diesem Revisionstitel aufgehoben werden, für maximal zwei Jahre Anspruch auf Massnahmen zur Wiedereingliederung (lit. a Abs. 2 und 3 SchlBest. IVG). Darauf sind sie anlässlich eines persönlichen Gesprächs hinzuweisen (Rz. 1004 KSSB). Betroffene können im Rahmen der 6. IV- Revision somit neue Leistungen erwirken, die sie befähigen sollen, ihr Leben durch den Einsatz ihrer Erwerbsfähigkeit und damit ohne Rente zu bestreiten. Diese Zielsetzung verdient uneingeschränkte Unterstützung, da mit der wirtschaftlichen regelmässig eine soziale Eingliederung einhergeht. Die entsprechenden Vorkehren sind geeignet, die Rentenbezüger vor einem sozialen Rückzug und vor steter Abhängigkeit von staatlichen Institutionen zu bewahren. Sie stärken ihr Selbstverständnis und ihre psychische Gesundheit. Demgegenüber können mit der Zusprache einer Rente die Verhältnisse der betroffenen Personen nur in wenigen Fällen ganzheitlich, sondern einzig in finanzieller Hinsicht verbessert werden. So verstanden und umgesetzt bietet die 6. IV-Revision den Betroffenen die Chance, ihre Lebenssituation deutlich zu optimieren.
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9.4 Zusammenfassend setzt der Nachweis der Invalidität eine gesundheitlich bedingte, erhebliche und evidente, dauerhafte sowie objektivierbare Beeinträchtigung voraus. Dieser Massstab gilt für sämtliche Leiden gleichermassen. Den unklaren Beschwerden ist eigen, dass mittels klinischer psychiatrischer Untersuchungen weder Pathologie noch Ätiologie erklärbar sind. Sie vermögen daher aus rechtlicher Sicht für sich allein den Nachweis einer gesundheitlichen Einschränkung mangels Objektivierbarkeit nicht zu erbringen. Insofern unterscheiden sich die Diagnosen pathogenetisch-ätiologisch unklarer syndromaler Beschwerdebilder ohne nachweisbare organische Grundlage sachlich entscheidend von anderen Krankheitsbildern und es rechtfertigt sich, sie namentlich mit Blick auf die Beweislast gesondert zu beurteilen. Die gestützt auf diese Erkenntnisse und Überlegungen ergangene bundesgerichtliche Rechtsprechung ist vom Gesetzgeber in das Bundesrecht übernommen worden. Die Anwendung der Vorschriften setzt allerdings eine fachgerechte und umfassende Begutachtung der betroffenen Versicherten voraus. Zudem sind sie auf die speziell geschaffenen Wiedereingliederungsmassnahmen hinzuweisen.
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