VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 141 V 5  Materielle Begründung
Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:

Zitiert selbst:

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 4
Erwägung 4.2
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
2. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle des Kantons Solothurn gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
8C_446/2014 vom 12. Januar 2015
 
 
Regeste
 
Art. 17 ATSG; zumutbare Selbsteingliederung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 141 V, 5 (6)A. A. meldete sich im Oktober 1998 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Mit Verfügung vom 21. März 2000 verneinte die IV-Stelle des Kantons Solothurn (nachfolgend: IV-Stelle) einen Leistungsanspruch. Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hiess die dagegen erhobene Beschwerde am 18. September 2001 insofern gut, als es die Sache wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs an die Verwaltung zu neuem Entscheid zurückwies. Gestützt auf das Gutachten des Dr. med. B., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 9. Mai 2002, sprach die IV-Stelle am 1. November 2002 ab 1. April 1998 eine halbe sowie ab 1. August 2000 eine ganze Invalidenrente zu. Mit Mitteilung vom 1. Dezember 2005 bestätigte die IV-Stelle den bisherigen Rentenanspruch.
1
Im Rahmen der 2008 eingeleiteten erneuten Revision teilte die IV-Stelle A. gestützt auf das Gutachten des Instituts C. vom 27. Oktober 2009 mit, es bestehe nur noch Anspruch auf eine halbe Rente. Im Rahmen seiner Einwendungen liess A. je ein Gutachten des Prof. Dr. med. D., Facharzt für Chirurgie, speziell Allgemeinchirurgie und Traumatologie, sowie des Dr. med. E., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 3. Oktober 2010 einreichen. Am 9. Mai 2011 teilte die IV-Stelle mit, angesichts des nunmehr ermittelten Invaliditätsgrades von 39 % beabsichtige sie, die Rente einzustellen. Mit Verfügung vom 4. Januar 2013 reduzierte die IV-Stelle den Rentenanspruch auf eine Viertelsrente bei einem Invaliditätsgrad von 42 %.
2
B. Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 1. Mai 2014 gut, hob die Verfügung vom 4. Januar 2013 auf, stellte fest, A. habe weiterhin Anspruch auf die bisherige Rente, und wies die Sache zur Prüfung sowie allfälligen Durchführung von Eingliederungsmassnahmen an die IV-Stelle zurück.
3
C. Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei in Gutheissung der Beschwerde der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Verfügung vom 4. Januar 2013 zu bestätigen. (...)
4
A. lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, soweit darauf eingetreten werden könne. (...) Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. (...)
5
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
6
(Auszug)
7
 
BGE 141 V, 5 (7)Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 4
 
8
 
Erwägung 4.2
 
4.2.1 Für die Ermittlung, ob der Eckwert des 55. Altersjahres oder des 15-jährigen Rentenbezugs vorliegt, hat das Bundesgericht in anderen Fällen ohne einlässliche Begründung auf den Zeitpunkt der rentenaufhebenden Verfügung resp. auf den darin verfügten Zeitpunkt der Rentenaufhebung und nicht auf den Zeitpunkt der Einleitung des Revisionsverfahrens oder der ärztlichen Begutachtung abgestellt (vgl. etwa SVR 2012 IV Nr. 25 S. 104, 9C_363/2011 E. 3.2.1, sowie Urteile 9C_178/2014 vom 29. Juli 2014 E. 7.2; 9C_920/2013 vom 20. Mai 2014 E. 4.5; 9C_128/2013 vom 4. November 2013 E. 4.2.1; 8C_39/2012 vom 24. April 2012 E. 5.2 und 9C_254/2011 vom 15. November 2011 E. 7.2). Daran ist festzuhalten. Denn massgeblicher Gedanke bei der Einführung dieser zu berücksichtigenden Parameter ist der Schutz der versicherten Person, welcher infolge eines langjährigen Rentenbezugs eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. BGE 139 V 442 E. 4.2.2.2 S. 448). Bei Einleitung des Revisionsverfahrens ist der Ausgang der Überprüfung in aller Regel noch offen und die versicherte Person muss namentlich bei den periodisch durchgeführten Revisionen nicht von vornherein mit der Aufhebung ihrer Rente rechnen. Auch die Erstattung des medizinischen Gutachtens kann nicht als massgebend erachtet werden, da zu diesem Zeitpunkt das Ergebnis der Rentenüberprüfung ebenfalls noch nicht abschliessend feststeht, weil bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades noch weitere Faktoren mitspielen (etwa Abklärungen zur Festlegung der anwendbaren Methode [z.B. Haushaltsabklärung] oder zu den beruflichen Einsatzmöglichkeiten). Mit Erlass der rentenaufhebenden Verfügung BGE 141 V, 5 (8)ist jedoch für die versicherte Person ohne Zweifel klar, dass ihr Rentenanspruch unsicher ist und sie sich neu orientieren muss. Diese Überlegungen stimmen denn auch mit jenen zur Schutzbedürftigkeit der versicherten Person beim andauernden Entzug der aufschiebenden Wirkung in Fällen der Rückweisung zu weiteren Abklärungen überein, wo die versicherte Person ab Erlass der strittigen Verfügung mit der Rentenaufhebung rechnen und bereits während des Rechtsmittelverfahrens entsprechend anders disponieren muss (SVR 2011 IV Nr. 33 S. 96, 8C_451/2010 E. 4.2.2). Auch stellt diese Anknüpfung an die rentenaufhebende Verfügung einen klar terminierten Fixpunkt dar (vgl. BGE 139 V 442 E. 4.2.2.2 S. 449). Damit ist die Vorinstanz zu Recht von einem massgebenden Alter von knapp 54 Jahren sowie einem Rentenbezug von 14 Jahren und 11 Monaten ausgegangen ist. Entgegen der Ansicht der IV-Stelle spielt es für die Berechnung der 15-jährigen Bezugsdauer denn auch keine Rolle, ob es sich dabei um eine Voll- oder eine Teilrente handelt, denn massgebend ist die andauernde Abwesenheit vom Arbeitsmarkt (vgl. etwa BGE 140 V 15 E. 5.2 S. 17; BGE 139 V 442 E. 5.1 S. 450).
9
4.2.2 Nach der Rechtsprechung kann die Eingliederung auch in Grenzfällen wie dem vorliegenden (Renteneinstellung im Alter von knapp 54 Jahren und nach einem Rentenbezug von 14 Jahren und 11 Monaten) angeordnet werden, wenn aus den Akten hervorgeht, dass die Verwertung eines bestimmten Leistungspotenzials ohne vorgängige Durchführung befähigender Massnahmen allein mittels Eigenanstrengung der versicherten Person nicht möglich ist (vgl. etwa Urteil 8C_324/2013 vom 29. August 2013 E. 5.2, nicht publ. in: BGE 139 V 442, oder SVR 2012 IV Nr. 25 S. 104, 9C_363/2011 E. 3.1). Das bedeutet nicht, dass sich die versicherte Person auf eine Bestandesgarantie berufen kann, sondern lediglich, dass ihr zugestanden wird, dass ihre Rente erst nach Prüfung und Durchführung von Eingliederungsmassnahmen eingestellt wird (vgl. etwa Urteil 9C_920/ 2013 vom 20. Mai 2014 E. 4.4 mit Hinweis auf SVR 2011 IV Nr. 73 S. 220, 9C_228/2010). Angesichts der konkreten Umstände, wonach der Versicherte bei Rentenaufhebung seit mindestens 13 Jahren keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen ist, nur eine rudimentäre berufliche Ausbildung aufweist und sowohl bezüglich des Alters als auch des Rentenbezugs die vorgegebene Grenze nur knapp nicht erreicht, ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Prüfung und Durchführung von Eingliederungsmassnahmen vor Aufhebung der Rente anordnete (vgl. insbesondere SVR 2012 IV Nr. 25 S. 104, 9C_363/2011 E. 3.2.1).
10
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).