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15. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Sozialversicherungen gegen Arbeitslosenkasse Ob- und Nidwalden und Mitb. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_417/2014 vom 11. Februar 2015 | |
Regeste |
Art. 50 Abs. 2 IVG i.V.m. Art. 20 Abs. 2 AHVG; Art. 63 Abs. 2 und Art. 71 Satz 2 ATSG; Rz. 10061 der Wegleitung über die Renten (RWL) in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung; Rangfolge bei der Verrechnung. | |
Sachverhalt | |
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Im Nachgang zur Rentenverfügung der IV-Stelle verpflichtete die Arbeitslosenkasse A., die von 1. September 2009 bis 18. Oktober 2011 ausgerichteten Taggelder - beschränkt auf die Höhe der von der IV für denselben Zeitraum ausgerichteten Leistungen im Betrag von Fr. 19'218.15 - zurückzuerstatten; sie kündigte an, den Rückforderungsbetrag direkt mit den Leistungen der IV zu verrechnen (Verfügung vom 28. Februar 2012).
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Die IV-Stelle setzte mit Verfügung Nr. 9 vom 16. Mai 2012 die für die Zeit von 1. August 2009 bis 31. März 2011 nachzuzahlenden Rentenbetreffnisse auf insgesamt Fr. 9'327.- (zuzüglich Verzugszins von Fr. 11.-) fest und verrechnete diese - bis auf eine Restanz von Fr. 330.- - im Betrag von Fr. 6'082.- mit einer Forderung der Arbeitslosenkasse und im Betrag von Fr. 2'926.- (dieser entspreche den dem Ehemann von A. zu viel ausbezahlten Leistungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHV]) mit einer Forderung der Ausgleichskasse Schweizerischer Baumeisterverband (fortan: Ausgleichskasse). Mit Verfügung Nr. 10 gleichen Datums setzte die IV-Stelle die Nachzahlung für die Zeit von 1. April 2011 bis 29. Februar 2012 auf Fr. 18'678.- fest und erklärte Verrechnung im Betrag von Fr. 5'922.40 mit einer Forderung des Krankentaggeldversicherers AXA Versicherungen AG (nachfolgend: Krankentaggeldversicherer), im Betrag von Fr. 8'883.60 mit einer Forderung der Arbeitslosenkasse sowie im Betrag von Fr. 3'872.- mit einer Forderung der Ausgleichskasse.
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B. In Gutheissung der von der Arbeitslosenkasse gegen die beiden Verfügungen erhobenen Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des ![]() | 4 |
C. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV; nachfolgend: Beschwerdeführer) erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sowie die Verfügungen Nr. 9 und 10 der IV-Stelle seien aufzuheben und die Sache sei zu weiteren Abklärungen und zum Erlass einer neuen Verrechnungsverfügung an die IV-Stelle zurückzuweisen.
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Während sich die Ausgleichskasse nicht vernehmen lässt, beantragt die Beschwerdegegnerin, der angefochtene Entscheid sei dahin gehend anzupassen, als die Ausgleichskasse anzuweisen sei, ihr die restliche Rückerstattungsforderung im Betrag von Fr. 2'023.50 (statt Fr. 4'252.55) zu überweisen. Die IV-Stelle verzichtet auf eine Stellungnahme.
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D. Mit Verfügung vom 5. November 2014 wurde der Krankentaggeldversicherer zur Beantwortung der Beschwerde eingeladen und gleichzeitig aufgefordert, sich zur Frage zu äussern, ob er Leistungen gemäss KVG oder Versicherungsvertragsgesetz (VVG; SR 221. 229.1) erbracht habe.
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Der Krankentaggeldversicherer reicht am 25. November 2014 entsprechende Unterlagen zu den Akten und sieht mit Eingabe vom 17. Dezember 2014 von einer materiellen Stellungnahme ab.
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Mit Stellungnahme vom 14. Januar 2015 hält der Beschwerdeführer an seinem Rechtsbegehren fest.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
4. Im angefochtenen Entscheid werden die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen zur Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen (Art. 25 ATSG [SR 830.1]), zur Vorleistungspflicht (Art. 70 ATSG) sowie zur Rückerstattung von Vorleistungen (Art. 71 Satz 2 ATSG). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass nach Art. 50 Abs. 2 IVG für die Verrechnung Art. 20 Abs. 2 AHVG sinngemäss Anwendung findet. Gemäss ![]() | 11 |
Erwägung 5 | |
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5.2 Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung sei eine Verrechnung der vom Ehemann zu viel bezogenen Rentenbetreffnisse mit der IV-Nachzahlung an ![]() | 13 |
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Erwägung 6 | |
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Die Beschwerdegegnerin ist entgegen dem Beschwerdeführer der Ansicht, bei der Rückerstattung von Vorleistungen gelange Art. 20 Abs. 2 AHVG nicht zur Anwendung bzw. die Rückerstattung ![]() | 16 |
6.2 Die Vorinstanz hat zur Verrechnung der Forderung der AHV mit der Nachzahlung der IV festgestellt, dass Schuldner und Gläubiger nicht identisch sind. Darüber, ob die Forderung der AHV unter den konkreten Umständen der Verrechnung überhaupt zugänglich ist, hat sie indes keine Ausführungen gemacht. Wie der Beschwerdeführer diesbezüglich zutreffend darlegt, wird im Bereich der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der Invalidenversicherung eine Verrechnung auch in Fällen zugelassen, in denen die versicherte Person nicht gleichzeitig Schuldner und Gläubiger von einander gegenüberstehenden Forderungen ist. Es reicht hierfür aus, dass unter versicherungstechnischem oder rechtlichem Blickwinkel eine enge ![]() | 17 |
Die Rückforderung unrechtmässig bezogener AHV-Rentenbetreffnisse gegenüber dem Ehemann der A. resultiert aus der bei Ehepaaren vorzunehmenden Rentenplafonierung (Art. 35 Abs. 1 AHVG) sowie der splittingbedingten Verringerung seines massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommens (Art. 29quinquies Abs. 3 lit. a AHVG), welche zu einer rückwirkenden Herabsetzung der Altersrente des Ehemannes führte. Sowohl die Rentenplafonierung als auch das Beitragssplitting sind notwendigerweise mit der rückwirkend zugesprochenen Invalidenrente der A. verbunden. Unter diesen Umständen bejaht die Rechtsprechung die erforderliche, versicherungstechnisch oder rechtlich enge Beziehung zwischen den zu verrechnenden Forderungen ohne Weiteres (Urteil 9C_149/2012 vom 6. Februar 2013 E. 4 mit Hinweisen).
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Erwägung 6.3 | |
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Wie das kantonale Gericht korrekt wiedergegeben hat, sind Verwaltungsweisungen für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der ![]() | 20 |
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Weder Vorinstanz noch Beschwerdegegnerin vermögen darzulegen, inwiefern die Rz. 10061 RWL bzw. dieses Dreikreismodell keine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen sollte. Im Gegenteil ist der Vorrang von intrasystemischen gegenüber intersystemischen Forderungen rechtslogisch geboten (in diesem Sinne auch SCHLAURI, a.a.O., S. 160). Entgegen der Vorinstanz, welche offenbar von einem (zivilrechtlichen) Kongruenzerfordernis auszugehen scheint (MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 5 zu Art. 50 IVG), ist nicht ersichtlich, weshalb diese Rangordnung nicht gelten sollte bei der Verrechnung von Forderungen und Ansprüchen von Ehegatten, sofern die im Sozialversicherungsrecht geforderte enge Beziehung der einander gegenüberstehenden Verrechnungsforderungen besteht (E. 6.2 hievor). Soweit die Beschwerdegegnerin sinngemäss einwendet, Rz. 10061 RWL gelange bei Rückerstattungen von Vorleistungen (ausnahmsweise) nicht zur Anwendung, dringt sie nicht durch. Es wäre zwar an sich denkbar, dem vorleistungspflichtigen Versicherungszweig Vorrang bei der verrechnungsweisen Rückerstattung ![]() | 22 |
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Aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) - obwohl vom Krankentaggeldversicherer erst letztinstanzlich aufgelegt, sind sie aufgrund ihrer rechtlichen Natur dennoch zu berücksichtigen - erhellt, dass die Leistungen nicht auf einer dem KVG unterstehenden Taggeldversicherung beruhten (Art. 67 ff. KVG), sondern gemäss VVG gewährt wurden. Damit handelt es sich bei der entsprechenden Rückforderung um eine extrasystemische Forderung (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 18 zu Art. 70 ATSG). Diese steht nach dem Gesagten (E. 6.3.2 hievor; Rz. 10061 i.V.m. 10060 RWL) in der Rangfolge der Verrechnung an dritter Stelle, hinter den intra- und intersystemischen Forderungen.
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6.3.4 Die Verfügung Nr. 9, bei welcher es allein um das Verhältnis zwischen intra- und intersystemischen Forderungen geht (vgl. Sachverhalt lit. A Abs. 3 hievor), ist nicht zu beanstanden. Die Verfügung Nr. 10 beachtet zwar den Vorrang der intrasystemischen Forderung der Ausgleichskasse, hält indes die Rangfolge zwischen der inter- und der extrasystemischen Forderung nicht ein: Statt die für die betreffende Zeitspanne zur Verrechnung angemeldete (Rest-) Forderung der Beschwerdegegnerin von Fr. 13'136.15 (Fr. 19'218.15 ./. Fr. 6'082.-) zu befriedigen, werden lediglich Fr. 8'883.60 zur ![]() | 25 |
Im Verfahren vor Bundesgericht beantragt die Beschwerdegegnerin mit Stellungnahme vom 21. August 2014, es sei ihre Restforderung von nurmehr Fr. 2'023.50 (statt ursprünglich Fr. 4'252.55) zu verrechnen. Weil das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen darf (Art. 107 Abs. 1 BGG), wird die Verfügung Nr. 10 insoweit abgeändert, als zu Gunsten der Beschwerdegegnerin Fr. 10'907.10 (Fr. 8'883.60 plus Fr. 2'023.50) und zu Gunsten des Taggeldversicherers Fr. 3'898.90 (Fr. 5'922.40 ./. Fr. 2'023.50) verrechnet werden (die Verrechnung zu Gunsten der Ausgleichskasse bleibt sich gleich).
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7. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise begründet. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben, und die Verfügung der IV-Stelle Nr. 10 vom 16. Mai 2012 ist insoweit abzuändern, als zu Gunsten der Beschwerdegegnerin Fr. 10'907.10 und zu Gunsten des Taggeldversicherers Fr. 3'898.90 mit der Nachzahlung der IV-Stelle verrechnet werden.
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