BGE 141 V 365 | |||
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40. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_863/2014 vom 16. März 2015 | |
Regeste |
Art. 17 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 AVIG; Art. 45 Abs. 3 und 4 AVIV; Art. 19 Abs. 4 AVG; Einstellungsdauer. | |
Sachverhalt | |
A. Der 1967 geborene A. war ab 1. Oktober 2012 für die B. AG tätig. Diese Arbeit wurde ihm von der C. AG vermittelt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis am 5. März 2013 mündlich auf den 12. März 2013. Am 5. März 2013 meldete sich A. bei der Arbeitslosenversicherung an und machte Arbeitslosenentschädigung ab 13. März 2013 geltend. Mit Verfügung vom 22. April 2013 stellte das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Obwalden Nidwalden A. wegen ungenügender persönlicher Arbeitsbemühungen vor der Arbeitslosigkeit für die Dauer von zwölf Tagen in der Anspruchsberechtigung ein, da er in den drei Monaten vor der Arbeitslosigkeit keineArbeitsbemühungen nachweisen konnte. Daran hielt das RAV auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 22. Mai 2013).
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B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 16. Dezember 2013 insofern teilweise gut, als es die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf vier Tage reduzierte.
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C. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid des RAV vom 22. Mai 2013 zu bestätigen.
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Das kantonale Gericht und A. schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das RAV verzichtet auf eine Stellungnahme.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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2.4 Die Verwaltungsweisungen sind für das Gericht grundsätzlich nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (BGE 138 V 346 E. 6.2 S. 362; BGE 137 V 1 E. 5.2.3 S. 8; BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258).
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Erwägung 3 | |
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3.2 Nach Auffassung des SECO hat die Vorinstanz mit der Reduktion der Einstellungsdauer von zwölf auf vier Einstelltage das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt und damit Bundesrecht verletzt. Zur Begründung bringt der Beschwerdeführer vor, massgebend bei Temporärarbeitsverhältnissen sei nicht die vorgesehene Kündigungsfrist von zwei oder sieben Tagen, sondern der Umstand, dass Temporärarbeitnehmende ein erhöhtes Risiko hätten, arbeitslos zu werden. Sie seien daher verpflichtet, sich frühzeitig intensiv um Arbeit zu bemühen. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen hätten sie nicht nur für die Dauer der Kündigungszeit, sondern mindestens für die drei letzten Monate des Arbeitsverhältnisses Stellenbewerbungen nachzuweisen. Tun sie dies nicht, ist laut SECO von anhaltend fehlenden Arbeitsbemühungen auszugehen. Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung sei daher im Rahmen des für fehlende Arbeitsbemühungen bei über dreimonatiger Kündigungsfrist vorgesehenen Rasters von zwölf bis achtzehn Einstelltagen zu bemessen.
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Erwägung 4 | |
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4.3 Die private Arbeitsvermittlung richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG; SR 823.11). Art. 19 Abs. 4 AVG sieht spezielle Kündigungsfristen für unbefristete Verträge vor, die von der üblichen gesetzlichen Regelung abweichen. Danach kann das Arbeitsverhältnis während der ersten sechs Monate von den Vertragsparteien wie folgt gekündigt werden: Während der ersten drei Monate der ununterbrochenen Anstellung mit einer Frist von mindestens zwei Tagen (lit. a); in der Zeit vom vierten bis und mit dem sechsten Monat der ununterbrochenen Anstellung mit einer Frist von mindestens sieben Tagen (lit. b). Ab dem siebten Monat einer ununterbrochenen Anstellung gelten die Kündigungsfristen nach Art. 335c OR resp. jene des allgemeinverbindlich erklärten GAV Personalverleih (MICHAEL KULL, Arbeitsvermittlungsgesetz [AVG], 2014, N. 26 zu Art. 19 AVG). Diese Regelung gilt gemäss Art. 49 der Verordnung vom 16. Januar 1991 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsverordnung, AVV; SR 823.111) allerdings nur für das Überlassen von Arbeitnehmern an Einsatzbetriebe in der Form der Temporärarbeit.
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4.5 Mit Blick auf den auf (zweimal) drei Monate befristeten Temporäreinsatz des Beschwerdegegners und das damit einhergehende erhöhte Risiko, arbeitslos zu werden, wenn nicht frühzeitig eine neue Stelle gesucht wird, kommt der siebentägigen Kündigungsfrist im vorliegenden Fall keine gesonderte Bedeutung zu. Das Arbeitsverhältnis hätte ohne die vorherige Kündigung spätestens nach Ende der vereinbarten dreimonatigen Einsatzdauer geendet. Bei einer solchen Konstellation lässt sich das Abstellen auf die Kündigungsfrist bei der Bemessung der Einstellungsdauer gestützt auf den Einstellraster des SECO nicht rechtfertigen, weil damit temporär Angestellte, denen (zufällig) vor Ablauf der Befristung des Vertrages gekündigt wird, gegenüber jenen, deren Vertrag ohne Kündigung mit Ablauf der Befristung endet, sanktionsmässig besser gestellt würden. Da die objektiven Gegebenheiten bei fehlenden Arbeitsbemühungen eines auf drei Monate befristeten und eines auf drei Monate gekündigten Arbeitsverhältnisses unter dem Aspekt der Schadenminderungspflicht (Art. 17 Abs. 1 AVIG) vergleichbar sind, erscheint es sachgerecht, die Einstelldauer in beiden Fällen nach dem für Arbeitsverhältnisse mit dreimonatiger Kündigungsfrist vorgesehenen Raster von zwölf bis achtzehn Tagen festzusetzen. Besondere, die subjektive Situation des Beschwerdegegners beschlagende Gegebenheiten sind nicht ersichtlich, weshalb die vom RAV verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung im Umfang von zwölf Tagen nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen.
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