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49. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Vaudoise Leben Versicherungs-Gesellschaft AG gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_867/2014 vom 11. August 2015 | |
Regeste |
Art. 82 Abs. 2 BVG; Art. 1 Abs. 1 BVV 3; Bestimmung des Erwerbsunfähigkeitsgrades in der Säule 3a. | |
Sachverhalt | |
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Am 5. März 2006 zog sich A. bei einem Verkehrsunfall Frakturen im Schulter- und Beckenbereich zu. Mit Schreiben vom 29. Mai 2008 teilte die Vaudoise mit, aus der Vorsorge-Police Nr. y stehe ihm ab 5. März 2008 (Ablauf der 24-monatigen Wartefrist) bis 31. Mai 2008 Rentenleistungen von Fr. 3'583.30 auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % zu, auch werde von 1. März bis 31. Mai 2008 eine Prämienbefreiung im Betrag von Fr. 254.20 gewährt. Am 20. Juni 2008 forderte die Vaudoise ebendiese Leistungen sowie betreffend die Police Nr. x den Betrag von Fr. 62.20 (Prämienbefreiung von 1. März bis 31. Mai 2008) zurück, da gemäss Akten der Invalidenversicherung (IV) seit Mitte Februar 2008 in einer angepassten Tätigkeit eine volle Arbeitsfähigkeit bestehe. A. und die Vaudoise waren sich in der folgenden Korrespondenz uneinig über die gegenseitigen Leistungsansprüche. Am 28. Mai 2010 setzte A. den Betrag von Fr. 15'000.- in Betreibung.
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Die IV-Stelle Luzern (nachfolgend: IV-Stelle) sprach A. mit Verfügung vom 20. März 2012 eine von 1. März 2007 bis 30. April 2008 befristete ganze Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad von 100 %). Für den Zeitraum ab 1. Mai 2008 verneinte sie einen Rentenanspruch (Invaliditätsgrad von 29 %).
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Das Kantonsgericht Luzern hiess die Klage mit Entscheid vom 23. Oktober 2014 gut. Es verpflichtete die Vaudoise, dem Kläger aus der gebundenen Vorsorge-Police Nr. y bei einem Erwerbsunfähigkeitsgrad von 29 % für den Zeitraum von Juni 2008 bis Mai 2012 insgesamt Fr. 14'855.85 zuzüglich 5 % Zins auf Fr. 6'155.85 seit 28. Mai 2010 (Betreibung) sowie zuzüglich 5 % Zins auf Fr. 8'700.- ab 25. September 2012 (erstmalige Klageeinreichung) zu bezahlen. Zudem verpflichtete es die Vaudoise, den Kläger von den jährlichen Prämien aus den gebundenen Vorsorge-Policen Nr. x und y wie folgt zu befreien: Für 2008 im Betrag von Fr. 73.90 bzw. Fr. 126.20, für 2009 im Betrag von Fr. 76.- bzw. Fr. 319.75, für 2010 im Betrag von Fr. 78.45 bzw. Fr. 333.90 und für 2011 im Betrag von Fr. 81.45 bzw. Fr. 349.55.
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C. Hiegegen erhebt die Vaudoise Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Klage vom 4. März 2013 abzuweisen.
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Während der Beschwerdegegner auf Abweisung der Beschwerde schliesst, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherungen nicht vernehmen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
1.1 Streitig ist die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin aus zwei gebundenen Vorsorgeversicherungen der Säule 3a nach Art. 82 Abs. 2 BVG und Art. 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 13. November 1985 über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3; SR 831.461.3). Solche Streitigkeiten fallen in die sachliche Zuständigkeit der Berufsvorsorgegerichte ![]() | 9 |
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2.1 Definition der Erwerbsunfähigkeit
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Erwerbsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge medizinisch objektiv feststellbarer Krankheit oder eines Unfalls ausserstande ist, ihren Beruf oder eine andere zumutbare Erwerbstätigkeit auszuüben (ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage) und sie dadurch gleichzeitig einen Erwerbsausfall oder einen diesem entsprechenden finanziellen Nachteil erleidet. Zumutbar ist eine Tätigkeit, wenn sie den Fähigkeiten und der Lebensstellung der versicherten Person entspricht, auch wenn die hierfür notwendigen Kenntnisse erst durch eine Umschulung erworben werden müssen.
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Der Grad der Erwerbsunfähigkeit entspricht der Differenz zwischen dem Erwerbseinkommen, das die versicherte Person vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit erzielt hat und demjenigen, das die versicherte Person nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit erzielt oder bei ausgeglichenem Arbeitsmarkt erzielen könnte.
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Bei einem vor der Erwerbsunfähigkeit schwankenden Einkommen und bei Selbständigerwerbenden erfolgt die Berechnung aufgrund des Durchschnittseinkommens der dem Beginn der Erwerbsunfähigkeit vorangehenden 24 Monate.
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Teilweise Erwerbsunfähigkeit gibt Anspruch auf herabgesetzte Leistungen.
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Beträgt die Erwerbsunfähigkeit jedoch mindestens 66 2/3 %, besteht der volle Leistungsanspruch; beträgt die Erwerbsunfähigkeit zwischen 25 % und weniger als 66 2/3 %, berechnen wir die Leistungen im Verhältnis zum Grad der Erwerbsunfähigkeit. Eine Erwerbsunfähigkeit von weniger als 25 % gibt weder Anspruch auf Prämienbefreiung noch auf Rente.
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Erwägung 3 | |
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3.2 Die Beschwerdeführerin hält dagegen, die Vorinstanz sei in Willkür verfallen, indem sie von einer Bindung an den IV-Entscheid aufgrund der begrifflichen Anlehnung der AVB an das Gesetz ![]() | 20 |
Erwägung 4 | |
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4.2 Die BVV 3 enthält keine Bestimmung zu den hier interessierenden Rentenleistungen bei Erwerbsunfähigkeit. Ebenso wenig sehen, wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, die AVB der Beschwerdeführerin eine Bindung an die Entscheide der IV vor, insbesondere was den Grad der Erwerbsunfähigkeit betrifft (zur Praxis der Anwendbarerklärung des von der IV-Stelle ermittelten Invaliditätsgrades: MARIUS GROS, Versicherungsfall "Erwerbsunfähigkeit"; Eine Studie zur rentenbegründenden Erwerbsunfähigkeit bei sich an das ![]() | 22 |
Eine auch in der Säule 3a geltende Bindung an die Feststellungen der IV wird in der Lehre soweit ersichtlich nicht diskutiert oder gar postuliert (vgl. immerhin GROS, a.a.O., S. 134 f. Rz. 225 f.; wohl ausschliesslich die Säule 3b betreffend). Es sprechen denn auch gewichtige Gründe dagegen, die im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge geltenden Grundsätze zur Bindungswirkung subsidiär heranzuziehen: Namentlich ist die Säule 3a im Vergleich zur zweiten Säule, in welcher mittels der Verweise von Art. 23 ff. BVG eine Kongruenz zur ersten Säule - auch den Invaliditätsbegriff betreffend - ausdrücklich angestrebt wird, freier gestaltbar. Von Bedeutung ist dabei insbesondere, dass der Begriff der Invalidität - gleichermassen wie in der weitergehenden beruflichen Vorsorge - weiter gefasst werden kann als in der IV (erwähntes Urteil 2A.292/2006 E. 5.3 und 6.3). Ferner können Rentenleistungen - wie gemäss den hier massgebenden AVB - bereits ab Erwerbsunfähigkeitsgraden vorgesehen werden, welche in der IV nicht anspruchsbegründend und daher nicht präzise zu bestimmen sind (vgl. dazu Urteil 9C_909/2010 vom 15. Dezember 2010 E. 2.2.2 mit Hinweisen). Hinzu kommt in verfahrensmässiger Hinsicht, dass die Verfügungen der IV zwar den Trägern der zweiten Säule, jedoch nicht denjenigen der Säule 3a (Versicherungseinrichtungen nach Art. 1 Abs. 1 lit. a bzw. Bankstiftungen nach Art. 1 Abs. 1 lit. b BVV 3) eröffnet werden müssen (Art. 49 Abs. 4 ATSG, Art. 73bis Abs. 2 und Art. 76 Abs. 1 IVV e contrario; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 55 f. zu Art. 49 ATSG). Mithin ist es nicht geboten, die in der (obligatorischen) zweiten Säule geltenden Grundsätze zur Bindungswirkung subsidiär heranzuziehen. Folglich entfällt die Prüfung, ob - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - die IV-Verfügung vom 20. März 2012 als offensichtlich unhaltbar zu qualifizieren ist (BGE 130 V 270 E. 3.1 S. 273).
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