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3. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Pensionskasse des Bundes PUBLICA gegen A.A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_563/2015 vom 7. Januar 2016 | |
Regeste |
Art. 35a Abs. 2 BVG; Art. 135 OR; Verjährung des Rückforderungsanspruchs. | |
Sachverhalt | |
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Publica, der Entscheid vom 12. Juni 2015 sei aufzuheben, die Klage vom 15. Dezember 2014 vollumfänglich gutzuheissen und der Rechtsvorschlag in der Betreibung zu beseitigen.
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A.A. und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
2. Nach Art. 73 Abs. 2 des Vorsorgereglements vom 15. Juni 2007 für die Angestellten und die Rentenbeziehenden des Vorsorgewerks Bund (VRAB; SR 172.220.141.1) richtet sich die Verjährung von Rückforderungsansprüchen nach Artikel 35a BVG. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung, welche auch im Bereich der weitergehenden Vorsorge gilt (Art. 49 Abs. 2 Ziff. 4 BVG), verjährt der Rückforderungsanspruch mit Ablauf eines Jahres, nachdem die Vorsorgeeinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit Ablauf von fünf Jahren seit der Auszahlung der Leistung (Satz 1). Nach Auffassung der Vorinstanz handelt es sich bei der relativen einjährigen Frist nach Art. 35a Abs. 2 BVG um eine Verwirkungsfrist. Zu diesem Auslegungsergebnis ist sie im Wesentlichen aufgrund der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung gelangt. Da eine solche Frist weder stillstehen noch unterbrochen werden kann (BGE 111 V 135 E. 3b S. 136), hat das kantonale Berufsvorsorgegericht den Rückforderungsanspruch der am Recht stehenden Vorsorgeeinrichtung als verwirkt betrachtet, da sie spätestens seit 10. März 2011 Kenntnis davon hatte, eine Monatsrente zu viel ausgerichtet zu haben (vgl. zum Beginn des Fristenlaufs Urteil 9C_399/2013 vom 30. November 2013 E. 3.1.1, in: SVR 2014 BVG Nr. 22 S. 79), indessen erst am 15. Dezember 2014 Klage erhob. Ist dagegen von einer Verjährungsfrist im obligationenrechtlichen Sinne auszugehen, wie die Beschwerdeführerin dafürhält, ist der Anspruch nicht verjährt. Seit ![]() | 6 |
Die Rechtsprechung hat sich bisher nicht abschliessend zur rechtlichen Natur der relativen einjährigen Frist nach Art. 35a Abs. 2 BVG äussern müssen (Urteil 9C_216/2014 vom 1. September 2014 E. 4.2.1, in: SVR 2015 BVG Nr. 26 S. 98). In der Lehre wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass es sich dabei um eine Verjährungsfrist handelt ( HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2. Aufl. 2012, N. 1119; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Berufliche Vorsorge, 3. Aufl. 2013, Rz. 10 zu Art. 35a BVG; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl. 2005, N. 90 f.; BASILE CARDINAUX, Die Verjährung der Berufsvorsorgeleistungen: Eine Bestandesaufnahme und ein Ausblick, in: BVG-Tagung 2013, Aktuelle Fragen der beruflichen Vorsorge, Kieser/Stauffer [Hrsg.], S. 98; differenziertBETTINA KAHIL-WOLFF, in: LPP et LFLP, 2010, Rz. 12 zu Art. 35a BVG).
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3.1 Art. 35a Abs. 2 Satz 1 BVG ist insoweit klar, als er von verjährt ("se prescrit" bzw. "si prescrive" in der französischen und italienischen Textfassung) spricht. Nach einer allerdings schon älteren Rechtsprechung muss es sich aber nicht immer um eine Verjährungsfrist handeln, wenn eine Gesetzes- oder Verordnungsbestimmung diesen Begriff verwendet; es lässt sich auch eine Verwirkungsfrist annehmen (vgl. statt vieler BGE 117 V 208 E. 3b S. 210 mit Hinweisen; BGE 111 V 135). Aus den Materialien ergibt sich Folgendes: Gemäss der ![]() | 9 |
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3.2.1 In den meisten übrigen bundesgesetzlich geregelten Sozialversicherungszweigen, u.a. auch in der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), besteht zwischen den Beteiligten in dem Sinne ein autoritatives Verhältnis, dass der Versicherungsträger berechtigt und verpflichtet ist, über Leistungen ebenso wie über eine Rückerstattung von unrechtmässig bezogenen Leistungen eine Verfügung zu erlassen (Art. 49 Abs. 1 ATSG [SR 830.1]; vgl. auch Art. 5 Abs. 1 VwVG [SR 172.021] und BGE 130 V 388 E. 2.3 S. 391). Demgegenüber erlassen Vorsorgeeinrichtungen keine Verfügungen im Rechtssinne (BGE 140 V 154 E. 6.3.4 in fine S. 165; BGE 129 V 450 E. 2 f. S. 452; BGE 115 V 224). Diese unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Rückforderungsberechtigten und Rückerstattungspflichtigen war der wesentliche Grund dafür, dass nach der ![]() | 11 |
3.2.2 Weiter ist auf Art. 25 Abs. 2 ATSG hinzuweisen, der - im Rahmen von Art. 2 ATSG - seit 1. Januar 2003 die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs bei unrechtmässigem Leistungsbezug in zeitlicher Hinsicht für die übrigen bundesgesetzlich geregelten Sozialversicherungszweige normiert. Nach Satz 1 dieser Bestimmung erlischt ("s'éteint" bzw. "si estingue") der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung. Bei diesen Fristen handelt es sich dem Wortlaut entsprechend um Verwirkungsfristen (BGE 138 V 74 E. 4.1 S. 77 mit Hinweisen). Mit Art. 25 Abs. 2 ATSG wurde die bisherige Regelung gemäss aArt. 47 Abs. 2 AHVG übernommen (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 55 zu Art. 25 ATSG). Derselbe Gesetzgeber orientierte sich somit sowohl bei der Schaffung von Art. 25 ATSG als auch von Art. 35a BVG an aArt. 47 AHVG. Dabei sprach er in Abs. 2 der älteren, zwei Jahre früher in Kraft getretenen (ersteren) Bestimmung, welche im Bereich der beruflichen Vorsorge nicht anwendbar ist (BGE 128 V 236 E. 2b in fine S. 240), nicht mehr von verjährt, sondern von erlischt, um klarzustellen, "dass es sich hier nicht um eine unterbrechbare Verjährung handelt, wie sie das Zivilrecht kennt, sondern um ![]() | 12 |
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Im vorliegenden Fall wurde die relative einjährige Frist in Bezug auf die zu Unrecht ausgerichtete Altersrente für März 2011 durch die danach geleisteten Teilzahlungen des Beschwerdegegners jeweils rechtzeitig unterbrochen (E. 2 vorne), sodass der Rückforderungsanspruch bei Klageerhebung im Dezember 2014 noch nicht verjährt war. Die Beschwerde ist begründet. (...)
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