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16. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. CSS Kranken-Versicherung AG gegen Gemeinde A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_489/2015 vom 11. Februar 2016 | |
Regeste |
Art. 7 Abs. 1 lit. b und 2 lit. b Ziff. 9 KLV; Leistungen für Behandlungspflege, die "von Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause" erbracht werden. | |
Sachverhalt | |
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Nach diverser Korrespondenz teilte die CSS der Einwohnergemeinde A. am 3. Mai 2013 mit, die bisherige Leistungsgewährung (Tagespauschale) sei seit Einführung der neuen Spitalfinanzierung nicht mehr gesetzeskonform. In Anwendung der Bestimmungen der Pflegefinanzierung werde sie per 1. Juni 2013 die effektive Interventionszeit der Spitex von 3,33 Stunden pro Nacht (20 Interventionen à zehn Minuten) zum Tarif für die Behandlungspflege vergüten, ausmachend Fr. 217.78 pro Tag, sofern die Leistungen durch eine anerkannte Pflegeperson erbracht würden. Für den Restbetrag (abzüglich des Anteils der versicherten Person) habe die Gemeinde aufzukommen. Am 12. August 2013 verfügte die CSS wie in Aussicht gestellt. Eine Einsprache der Gemeinde A. wies die CSS mit Entscheid vom 20. August 2014 ab.
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C. Die CSS führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem (sinngemässen) Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 20. August 2014 zu bestätigen.
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Während die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde schliesst, soweit darauf einzutreten sei, lässt sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) nicht vernehmen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen materiellrechtlichen Grundlagen gemäss Gesetz und Rechtsprechung zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Dies betrifft namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zur Umschreibung des Leistungsbereichs der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 24 mit Verweis auf Art. 25-31 und 32-34 KVG), zu den allgemeinen Leistungen bei Krankheit (Art. 25 KVG) und den Pflegeleistungen bei Krankheit (Art. 25a Abs. 1 KVG) sowie ![]() | 8 |
3. Die Vorinstanz setzte sich einleitend mit dem Undine-Syndrom auseinander und stellte fest, ohne künstliche Beatmung würde die Versicherte nachts ersticken, weshalb sie maschinell beatmet werden müsse. Die Beatmung wiederum müsse permanent durch Pflegefachleute überwacht werden. Diese Überwachung lasse sich unter die Pflichtleistungen gemäss Art. 7 Abs. 1 und 2 lit. b KLV subsumieren. Indes stelle sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, es seien nur tatsächliche Vorkehren (Interventionen) zu entschädigen, nicht aber "wartende" Zeiten. In der Folge setzte sich das kantonale Gericht einlässlich mit den dokumentierten Spitexleistungen auseinander und erwog, die pflegerischen Massnahmen umfassten die Überwachung lebensbedrohlicher Situationen (Unterbrechung der Verbindung der Beatmungsmaschine mit dem Beatmungsschlauch, Überwachung kritischer Momente im Tiefschlaf), die Bewältigung von Alarmen mittels situativem Lagerungswechsel, Wecken der Versicherten, Kontrolle und gegebenenfalls Fixierung der Beatmungsmaske, des Weiteren das Entfernen von Kondenswasser aus dem Schlauch, das Anpassen des Drucks am Gerät, die Überprüfung der Messdaten sowie die Überwachung des Geräts mit Blick auf sonstige Ausfälle. Diese Massnahmen fielen tatsächlich alle wiederholt an. Pro Nacht seien teilweise deutlich mehr als 20 Alarme zu verzeichnen. Der anfallende Pflegeaufwand sei weder zeitlich noch qualitativ planbar. Aus der Pflegedokumentation und dem (undatierten [Posteingang IV-Stelle: 22. April 2014]) Arztbericht des Universitätsspitals D. erhelle, dass die Interventionen nur gewährleistet werden könnten, wenn die Pflegefachkraft einerseitsdie Versicherte selbst und andererseits das Beatmungsgerät während der medizinisch ausgewiesenen Schlafphasen von total 58 Stunden pro Woche durchgehend genau beobachte. Mithin stelle die Überwachung, welche stete Aufmerksamkeit bedinge, um ein sofortiges Eingreifen zum Einleiten von vital notwendigen Massnahmen sicherzustellen, eine durchgehend aktive Tätigkeit dar, die als Behandlungspflege zu qualifizieren sei. Daran ändere nichts, dass in den ![]() | 9 |
Erwägung 4 | |
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4.2 Die Beschwerdegegnerin hält dagegen, beschwerdeweise werde nicht aufgezeigt, weshalb die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, wonach die Überwachung zweifelsohne eine durchgehend aktive Tätigkeit darstelle, offensichtlich unrichtig sein soll. Fehl gehe der Verweis auf das Urteil 9C_43/2012. In diesem sei im Gegenteil ![]() | 11 |
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5.1 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Überwachung der Atmung stelle entgegen der Vorinstanz keine "durchgehend aktive Tätigkeit" dar bzw. zwischen den Einsätzen lägen "wartende" Zeiten, während denen die Pflegefachkraft keine Handlungen vornehme, zielt ins Leere. Die Beschwerdeführerin vermag nichts vorzubringen, was die auf der Pflegedokumentation und dem (undatierten) Arztbericht des Universitätsspitals D. beruhende Feststellung des kantonalen Gerichts, die Pflegefachkraft müsse das Beatmungsgerät während der medizinisch ausgewiesenen Schlafphasen durchgehend genau beobachten bzw. die Überwachung der Atmung bedinge stete Aufmerksamkeit, als offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Gegenteils ist mit dem kantonalen Gericht anhand der Pflegedokumentation erstellt, dass jede Nacht zahlreiche - in Ausnahmefällen bis zu 42 - Alarme zu bewältigen sind. Dabei treten wiederkehrend prekäre Situationen wie z.B. Verbindungsunterbrüche des Beatmungsschlauches ein, welche angesichts der Folgen einer fehlenden Sauerstoffversorgung ein sofortiges und zielführendes Handeln der Pflegefachkraft erfordern. Unter diesen Umständen ist ohne Weiteres einleuchtend, dass das umgehende Einleiten der jeweils indizierten Massnahmen stete Aufmerksamkeit in Bezug auf Patientin und Beatmungsgerät erfordert. Im Einklang damit steht auch der (undatierte) pneumologische Bericht des Universitätsspitals D., in welchem die Notwendigkeit einer kontinuierlichen, "engmaschigsten" Kontrolle der Beatmung betont wird. Abgesehen davon sagt der Umstand, dass zwischen den erwähnten Interventionen und Kontrollen keine "aktive Handlung" vorgenommen wird, nichts über die Qualität der Überwachung (durchwegs aufmerksam beobachtend oder passiv wartend) aus und genügt deshalb für sich allein ohnehin nicht für die Qualifikation als blosse Sitzwache (die mit einer Massnahme im Sinne von ![]() | 13 |
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6. Des Weiteren rügt die Beschwerdeführerin die vorinstanzlichen Ausführungen zur Wirtschaftlichkeit der Spitexleistungen und bemängelt dabei zahlreiche Feststellungen des kantonalen Gerichts. Sie unterlässt es jedoch, konkret und substanziiert aufzuzeigen, dass entgegen dem angefochtenen Entscheid eine wirksame und zweckmässige Alternative zur ambulanten Pflege durch die Spitex besteht (nota bene wird vielmehr geltend gemacht, ein Kostenvergleich mit ![]() | 15 |
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Eine Leistung ist nach der Rechtsprechung zu verweigern, wenn zwischen Aufwand und Heilerfolg ein grobes Missverhältnis besteht (BGE 136 V 395 E. 7.4 S. 407 f.). Ein solches bejahte das Bundesgericht namentlich bei Kosten von rund Fr. 750'000.- bis Fr. 900'000.- für die Therapiedauer von eineinhalb Jahren bei ungewissem Ausmass der gesundheitlichen Verbesserung (Verhinderung oder Verlangsamung der weiteren Reduktion der Lungenleistung, der nächtlichen Beatmung, einer nicht näher quantifizierten Reduktion der Gehstrecke und der zunehmenden Kamptokormie) einer 69-jährigen Versicherten (a.a.O., E. 6.10 S. 406). Hier verhält es sich jedoch anders: Bereits die jährlichen Kosten sind rund dreimal tiefer als jene im erwähnten Entscheid. Zudem ist in concreto der hohe Nutzen der (lebensnotwendigen) Spitexleistungen unbestrittenermassen erstellt, welche der im Zeitpunkt des Einspracheentscheids 24-jährigen erwerbstätigen Versicherten ein weitgehend normales Leben ermöglichen. Von einem groben Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen kann somit nicht gesprochen werden. (...)
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