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33. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Erbengemeinschaft A. gegen Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_698/2015 vom 17. Juni 2016 | |
Regeste |
Art. 9 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 lit. b und Art. 14 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 und 3 ELG; Art. 16c Abs. 1 und 2 ELV; Art. 9 Abs. 2 der Verordnung des Kantons St. Gallen vom 11. Dezember 2007 über die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten bei den Ergänzungsleistungen; Mietzinsabzug bei gemeinsam bewohnter Wohnung. | |
Sachverhalt | |
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A.a Die 1914 geborene A. bezog seit 1. März 2009 Ergänzungsleistungen (EL) zu ihrer AHV-Rente. In der Anspruchsberechnung wurde im Rahmen der Ausgaben u.a. ein Mietzins in der Höhe von Fr. 11'280.- jährlich bzw. Fr. 940.- monatlich berücksichtigt. Mit Verfügungen vom 5. Juli 2010 und 10. Dezember 2012 (recte: 2010) sprach ihr die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA) ferner Vergütungen für private Haushaltshilfe im Betrag von Fr. 4'800.- (2009), Fr. 3'500.- (Januar bis Mai 2010) und Fr. 1'300.- (Fr. 675.- und Fr. 625.- [Juni/Juli 2010]) zu. Für die Zeit von August bis Dezember 2010 wurden keine Kosten für private Haushaltshilfe erstattet, da das gesetzliche Maximum von Fr. 4'800.- jährlich bereits erreicht war. Mit Verfügungen vom 25. Mai, 13. September und 6. Dezember 2011 sowie 9. Februar, 21. Mai, 12. Juli und 19. Oktober 2012 vergütete die SVA sodann Fr. 4'800.- (12 x Fr. 400.-) und Fr. 3'600.- (9 x Fr. 400.-) zur Deckung der Kosten der privaten Haushaltshilfe für das Jahr 2011 und den Zeitraum von Januar bis September 2012.
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A.b Nachdem aus dem anlässlich der periodischen Überprüfung der Ergänzungsleistungen von A. bzw. deren Vertreter ausgefüllten Formular vom 8. Juli 2012 ersichtlich geworden war, dass die Enkelin der Leistungsansprecherin, E., welche deren Betreuung und Pflege übernommen hatte, seit Oktober 2010 im Haus ihrer Grossmutter ![]() | 3 |
A.c Am 11. Dezember 2012 teilte der Vertreter der SVA mit, dass A. am Vortag in ein Heim eingetreten sei. Mit Verfügung vom 29. Januar 2013 wurde ihr infolge Heimeintritts rückwirkend ab Dezember 2012 erneut eine EL zugesprochen. Am 25. März 2013 verfügte die Verwaltung die Vergütung der Kosten der privaten Haushaltshilfe Oktober/November 2012 im Betrag von Fr. 1'200.-.
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A.d Nach dem Tod von A. am 7. Mai 2013 reichten ihre Erben B., C. und D. der SVA in der Folge die Erbbescheinigung sowie eine Vollmacht zur Vertretung der Erbengemeinschaft im hängigen Einspracheverfahren ein. Mit Einspracheentscheid vom 4. März 2014 reduzierte die SVA die EL-Rückforderung von Fr. 9'702.- auf Fr. 9'333.-; im Übrigen wies sie die Einsprache ab, soweit darauf eingetreten wurde. Als Begründung führte sie insbesondere an, dass Kosten für die notwendige Hilfe und Begleitung im Haushalt lediglich vergütet würden, wenn die Hilfe von einer Person erbracht werde, die nicht im gleichen Haushalt lebe oder nicht über eine anerkannte Spitex-Organisation eingesetzt werde. Ferner sei der Mietzins auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn Wohnungen oder Häuser auch von Personen bewohnt würden, die nicht in der ![]() | 5 |
B. Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 25. August 2015 ab.
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C. Die Erben der verstorbenen A. führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragen (sinngemäss) die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, des Einspracheentscheids vom 4. März 2014 und der Verfügungen der SVA vom 3. Dezember 2012; "hilfsweise" sei die zurückgeforderte Summe von insgesamt Fr. 16'935.20 zu erlassen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 3 | |
3.1 Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG [SR 831.30]). Die anerkannten Ausgaben und die anrechenbaren Einnahmen werden nach Massgabe der in Art. 10 f. ELG sowie Art. 11 bis 18 ELV (SR 831.301) festgelegten Bestimmungen ermittelt. Als Ausgaben anzurechnen sind nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG u.a. der Mietzins einer Wohnung und die damit zusammenhängenden Nebenkosten; der jährliche Höchstbetrag für alleinstehende Personen beträgt dabei Fr. 13'200.- (Ziff. 1). Werden ![]() | 10 |
3.2 Gemäss dem mit Verordnungsänderung vom 26. November 1997 auf den 1. Januar 1998 eingefügten Art. 16c ELV ist der Mietzins, wie hiervor dargelegt, auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn Wohnungen oder Einfamilienhäuser auch von Personen bewohnt werden, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind. Dem Wortlaut der Bestimmung nach setzt die Aufteilung des Mietzinses nicht voraus, dass die Wohnung oder das Einfamilienhaus gemeinsam gemietet sind; es genügt das gemeinsame Wohnen. In BGE 127 V 10 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht diese Regelung als gesetzmässig qualifiziert und festgestellt, die neu in die Verordnung aufgenommene Bestimmung von Art. 16c ELV erweise sich als sachgerecht, gehe es doch darum, die indirekte Mitfinanzierung von Personen, die nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen seien, zu verhindern. Daher sei als Grundregel immer dann eine Aufteilung des Gesamtmietzinses vorzunehmen, wenn sich mehrere Personen den gleichen Haushalt teilten (BGE 127 V 10 E. 5d S. 16; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts P 56/00 vom 5. Juli 2001 E. 2a, in: AHI 2001 S. 237). Zur Auffassung der Vorinstanz, wonach eine Aufteilung des Mietzinses nur in Frage käme, wenn die Wohnung gemeinsam gemietet oder das Mietverhältnis entgeltlich sei, erwog das Gericht, wenn der Bundesrat die bisherige Praxis in die Verordnung hätte aufnehmen wollen, hätte er dies tun können. Nach dem Wortlaut von Art. 16c ELV gebe jedoch bereits das gemeinsame Bewohnen Anlass für eine Mietzinsaufteilung, wie der französische und italienische Text ("aussi occupés par", "sono occupati anche da") bestätige und wovon auch die Verwaltungsweisungen (Rz. 3023 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen [BSV] über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV [WEL] in der vom 1. Januar 1998 bis 31. März 2011 in Kraft gestandenen Fassung; seit 1. April 2011: Rz. 3231.03) ausgingen. Laut dieser Weisung sei für die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung der Mietzins (inklusive Nebenkosten) zu gleichen Teilen auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn mehrere Personen in einer Wohnung oder einem ![]() | 11 |
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3.2.2 Ausnahmen sind jedenfalls dann zuzulassen, wenn das (unentgeltliche) Wohnen im gemeinsamen Haushalt auf einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht beruht. Andernfalls wäre eine ![]() ![]() | 13 |
Erwägung 4 | |
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5.1 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom ![]() | 17 |
Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen (BGE 139 V 358 E. 3.1 S. 361, BGE 139 V 537 E. 5.1 S. 545). Auch ist den Grundrechten und verfassungsmässigen Grundsätzen Rechnung zu tragen und zwar in dem Sinne, dass - sofern durch den Wortlaut (und die weiteren massgeblichen normunmittelbaren Auslegungselemente) nicht klar ausgeschlossen - der Verordnungsbestimmung jener Rechtssinn beizumessen ist, welcher im Rahmen des Gesetzes mit der Verfassung (am besten) übereinstimmt (verfassungskonforme oder verfassungsbezogene Interpretation; BGE 141 V 642 E. 4.2 S. 647 mit Hinweisen).
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Erwägung 5.2 | |
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5.2.2 In Bezug auf das teleologische Element des Auslegungsprozesses ist zu beachten, dass der Mietzins einer Wohnung zu den anerkannten Ausgaben gehört (Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG). Die Anrechnung des Mietzinses zielt darauf ab, den existenziellen Wohnbedarf einer EL-beziehenden Person zu decken. Nicht Ziel der Übernahme des Mietzinses kann demgegenüber sein, die Wohnkosten von nicht ![]() | 20 |
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5.3 Zusammenfassend ist ein Absehen von der in Art. 16c Abs. 1 und 2 ELV vorgesehenen Mietzinsaufteilung zu gleichen Teilen im Sinne eines Ausnahmefalles in der vorliegenden Konstellation, namentlich angesichts der seit 1. Januar 2008 geltenden Rechtslage, mit der Vorinstanz als nicht sachgerecht zu qualifizieren. Die Beschwerdegegnerin hat demnach ab 1. Oktober 2010 zu Recht auf ![]() | 22 |
Offenbleiben kann vor diesem Hintergrund, ob im BGE 105 V 271 zugrunde liegenden Sachverhalt tatsächlich von einem aus moralischen oder sittlichen Gründen erfolgten Verzicht auf eine Beteiligung des Mitbewohners am Mietzins auszugehen ist oder ob es sich dabei nicht vielmehr um eine Gegenleistung der EL-Bezügerin für die ihr erbrachten Betreuungsleistungen handelt. Eine korrekte EL-Anspruchsberechnung hätte diesfalls einerseits einen reduzierten Mietzins und anderseits entsprechende Ausgaben für Pflegeleistungen ausweisen müssen, denn die Pflegeleistungen wurden im Wert der von der betreuenden Person verursachten Wohnkosten in natura vergütet. Es erscheint daher zumindest zweifelhaft, ob BGE 105 V 271 überhaupt als Präjudiz für eine Praxis herangezogen werden kann, welche es zulässt, aus sittlichen oder moralischen Gründen auf eine Mietzinsaufteilung zu verzichten (zur diesbezüglichen Diskussion: vgl. JÖHL, a.a.O., S. 1759 Fn. 269).
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Erwägung 6 | |
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6.2 Es kann diesbezüglich vollumfänglich auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Danach wird bei Altersrentnerinnen und -rentnern ein Zehntel des Reinvermögens als Einnahmen angerechnet, soweit es bei alleinstehenden Personen Fr. 37'500.- übersteigt (Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG). Da mit dem kantonalen Gericht davon auszugehen ist, dass die Enkelin der verstorbenen Versicherten für ihre Leistungen bereits entschädigt worden ist, insoweit also keine allenfalls abzugsfähigen Schulden der Verstorbenen mehr bestehen, können die - nachträglich zurückgeforderten - vergüteten Kosten für die private Haushaltshilfe nicht gleichsam rückwirkend vom Vermögen abgezogen werden. Der Umstand schliesslich, dass die verstorbene Versicherte, wie in der Beschwerde moniert, im betreffenden Zeitraum effektiv einen Mietzins von ![]() | 25 |
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