BGE 143 V 52 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
4. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Agrisano Krankenkasse AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_224/2016 vom 25. November 2016 | |
Regeste |
Art. 11 Abs. 1 und 3 Bst. a und e, Art. 32 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004; Anhang XI der Verordnung (EG) Nr. 883/2004; Art. 3 Abs. 1, 2 und 3 lit. a, Art. 4a lit. a, Art. 6 und 95a lit. a KVG; Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. d und f, Art. 2 Abs. 1 lit. c, d und e KVV: Gemeinschaftsrechtliche Kollisionsregeln. | |
Sachverhalt | |
A. Der 1979 geborene A., polnischer Staatsangehöriger, war vom 1. Mai bis 30. November 2015 als landwirtschaftlicher Mitarbeiter bei B. angestellt. Für diesen Zeitraum verfügte er über eine Kurzaufenthaltsbewilligung (Ausweis L). Er und seine - in Polen wohnhafte - Familie (Ehefrau sowie die beiden 2003 und 2006 geborenen Kinder) waren ab 1. Januar bzw. 1. Mai 2015 bei der Agrisano Krankenkasse AG (nachfolgend: Agrisano) obligatorisch krankenpflegeversichert. Nachdem ihm anlässlich der Lohnabrechnung für den Monat Mai 2015 ein Betrag von Fr. 624.40 für die Krankenkassenprämien der gesamten Familie abgezogen worden war, liess A. mit Schreiben vom 6. Juni 2015 die Krankenversicherungsverträge seiner Frau und seiner Kinder kündigen. Am 31. August 2015 verfügte die Agrisano, dass auch die Familienangehörigen von A. der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nach KVG in der Schweiz zu unterstellen seien und deshalb an den betreffenden Versicherungsverhältnissen festgehalten werde. Eine dagegen erhobene Einsprache wurde mit Entscheid vom 8. Oktober 2015 abgewiesen.
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B. Die hierauf von A. geführte Beschwerde beschied das Versicherungsgericht des Kantons Aargau abschlägig (Entscheid vom 23. Februar 2016).
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei festzustellen, dass seine Ehefrau und seine beiden Kinder nicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nach KVG unterstünden, und es seien ihm die bereits entrichteten Krankenkassenprämien zurückzuerstatten. Ferner sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege (Befreiung von den Prozesskosten, Verbeiständung) zu gewähren. Der Eingabe wurden ein Merkblatt der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern mit dem Titel "Obligatorische Krankenpflegeversicherung in der Schweiz, Informationen für nichterwerbstätige Familienangehörige mit Wohnsitz in einen EU-/EFTA-Staat" sowie die E-Mail-Nachricht einer Mitarbeiterin des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) vom 30. März 2016 beigelegt.
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Während die Agrisano auf Abweisung der Beschwerde schliesst, ersucht das Bundesamt für Gesundheit (BAG) um deren Gutheissung.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: | |
4. Unbestrittenermassen ist der polnische Beschwerdeführer, welcher im Rahmen einer vom 1. Mai bis 30. November 2015 ausgestellten "Kurzaufenthaltsbewilligung EU/EFTA L" als landwirtschaftlicher Mitarbeiter in der Schweiz erwerbstätig war, der schweizerischen obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt (vgl. Art. 3 Abs. 3 lit. a KVG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 lit. f KVV [SR 832.102]).
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Fraglich und zu prüfen ist, ob auch seine in diesem Zeitraum in Polen wohnhaften Familienangehörigen obligatorisch gemäss KVG versichert sind. Da die Streitigkeit einen grenzübergreifenden Charakter aufweist, muss sie nicht nur hinsichtlich des schweizerischen Rechts im Bereich der Krankenpflegeversicherung, sondern auch im Lichte der Bestimmungen des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) und der Verordnungen, auf die es verweist, entschieden werden.
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Erwägung 5 | |
5.1 Nach Art. 3 Abs. 1 KVG (in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 KVV) ist jede Person, die in der Schweiz wohnt, krankenversicherungspflichtig. Für die gesamte Schweiz gilt somit ein Versicherungsobligatorium. Gemäss Art. 6 KVG sind die Kantone damit beauftragt, die Versicherungspflicht durchzusetzen, wenn nötig auch in Form einer Zwangszuweisung an einen Krankenversicherer. Die Rechte und Pflichten der krankenversicherten Person ergeben sich individuell aus deren Versicherungszugehörigkeit. Das Versicherungsverhältnis gilt jeweils lediglich für die angeschlossene Person. Nur diese wird vom Versicherungsschutz erfasst, denn die obligatorische Krankenpflegeversicherung der Schweiz ist nach dem Prinzip der Individualversicherung ausgestaltet (GEBHARD EUGSTER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG], 2010, N. 2 zu Art. 3 KVG [nachfolgend: EUGSTER, Rechtsprechung]; NADINE SIEGLE, Der Einfluss des europäischen Prinzips der Familienversicherung auf das schweizerische Krankenversicherungsrecht, SZS 2014 S. 310 ff., insb. S. 322 Ziff. 6.1 und 6.2). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung der Schweiz wird im Gegensatz zum europäischen Verständnis also nicht von der Familienversicherung beherrscht. Der Versicherungsschutz eines Familienoberhaupts dehnt sich nicht wie in anderen europäischen Staaten auf seine nicht erwerbstätigen Familienangehörigen aus. Jedes einzelne Familienmitglied muss stattdessen ein individuelles Versicherungsverhältnis begründen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts [heute: I. und II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts] K 137/02 vom 4. Juli 2003 E. 4.1 mit Hinweisen; SIEGLE, a.a.O., S. 323 Ziff. 6.2 und Fn. 67 f.).
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Erwägung 6 | |
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Mit Wirkung auf 1. April 2012 sind diese beiden Rechtsakte durch die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: VO Nr. 883/2004) sowie (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.11) abgelöst worden (BGE 141 V 246 E. 2.1 S. 249).
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6.2.2 Nichterwerbstätige sind ebenfalls den Rechtsvorschriften (nur) eines Mitgliedstaats unterstellt. Nach Art. 11 Abs. 3 Bst. e VO Nr. 883/2004 unterliegen sie den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, sofern nichts Anderes bestimmt ist. Dabei handelt es sich um einen eigenen Anspruch auf Grund des Wohnorts (BGE 140 V 98 E. 8.1 S. 103).
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6.2.2.1 Wie in E. 5.2 hiervor bereits dargelegt, kann der Bundesrat die Krankenpflegeversicherungspflicht laut Art. 3 Abs. 3 KVG in bestimmten Fällen auf nicht in der Schweiz wohnhafte Personen ausdehnen, beispielsweise im Falle einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz (Art. 3 Abs. 3 lit. a KVG). Mit Art. 1 Abs. 2 lit. d KVV wurde diese Erweiterung der Versicherungspflicht unter Verweis auf das FZA explizit für Personen festgehalten, die in einem EU-Mitgliedstaat wohnen.
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6.2.2.2 Das FZA konkretisiert als Ergänzung zu Anhang XI der VO Nr. 883/2004 in seinem Anhang II Abschnitt A Nr. 1 Bst. i Ziff. 3 Bst. a FZA die Personenkategorien, welche, obgleich nicht in der Schweiz wohnhaft, dem schweizerischen Krankenversicherungsrecht unterstehen. Dies sind nach Bst. i der Bestimmung insbesondere diejenigen Personen, für die nach Titel II der VO Nr. 883/2004 das schweizerische Recht gilt, also selbstständig und unselbstständig Erwerbstätige mit Beschäftigungsort in der Schweiz (vgl. Art. 11 Abs. 3 Bst. a VO Nr. 883/2004; E. 6.2.1 hiervor). Die Familienangehörigen der betroffenen Arbeitnehmenden und Selbstständigerwerbenden sind im Sinne der Familienversicherungsidee grundsätzlich - vorbehältlich gewisser, vorliegend jedoch nicht einschlägiger Staaten - ebenfalls in der Schweiz zu versichern (Anhang XI der VO Nr. 883/2004 "Schweiz" Nr. 3 Bst. a Ziff. iv). Beim Leistungsanspruch der Familienangehörigen (zum hier unstrittig zu bejahenden Begriff der Familienangehörigen: Art. 1 Bst. i Ziff. 1 und 2 VO Nr. 883/2004 sowie deren Anhang XI "Schweiz" Nr. 3 letzter Absatz; Art. 3 Abs. 2 KVV; ferner EUGSTER, Krankenversicherung, a.a.O., S. 434 Rz. 80; SIEGLE, a.a.O., S. 325 unten f. Ziff. 6.7) handelt es sich um einen abgeleiteten Anspruch, d.h. der Anspruch ist mit demjenigen der erwerbstätigen Person verbunden. Der abgeleitete Anspruch besteht jedoch nur, wenn der Familienangehörige selber keinen eigenen Sozialrechtsstatus auf Grund von Erwerbstätigkeit, des Bezugs einer eigenen Rente oder von Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit begründet (vgl. E. 5.2 hiervor). Nichterwerbstätige Personen (ohne anderweitigen Lohn-, Renten- oder Leistungsbezug) haben sich deshalb, auch wenn sie in einem Mitgliedstaat zurückgeblieben sind, grundsätzlich der schweizerischen obligatorischen Krankenpflegeversicherung anzuschliessen, wenn sie Familienangehörige einer ausschliesslich in der Schweiz erwerbstätigen Person mit EU-Staatsangehörigkeit sind, von der sie ihre Rechte ableiten (EUGSTER, Krankenversicherung, a.a.O., S. 437 Rz. 91; ders., Rechtsprechung, a.a.O., N. 20 zu Art. 3 KVG; SIEGLE, a.a.O., S. 325 Ziff. 6.6; EDGAR IMHOF, Über die Kollisionsnormen der Verordnung Nr. 1408/71 [anwendbares Sozialrecht, zugleich Versicherungsunterstellung], SZS 2008 S. 313 ff., insb. S. 337 f.;URSULA HOHN, Rechtsprobleme bei der Umsetzung des Koordinationsrechts in der Krankenversicherung, in: Das europäische Koordinationsrecht der sozialen Sicherheit in der Schweiz, Erfahrungen und Perspektiven, 2006, S. 61 ff., insb. S. 65 unten f.).
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"(1) Ein eigenständiger Sachleistungsanspruch aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats oder dieses Kapitels hat Vorrang vor einem abgeleiteten Anspruch auf Leistungen für Familienangehörige. Ein abgeleiteter Anspruch auf Sachleistungen hat jedoch Vorrang vor eigenständigen Ansprüchen, wenn der eigenständige Anspruch im Wohnmitgliedstaat unmittelbar und ausschliesslich aufgrund des Wohnorts der betreffenden Person in diesem Mitgliedstaat besteht.
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(2) Wohnen die Familienangehörigen eines Versicherten in einem Mitgliedstaat, nach dessen Rechtsvorschriften der Anspruch auf Sachleistungen nicht vom Bestehen einer Versicherung, einer Beschäftigung oder einer selbstständigen Erwerbstätigkeit abhängt, so werden die Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers in dem Mitgliedstaat erbracht, in dem sie wohnen, sofern der Ehegatte oder die Person, die das Sorgerecht für die Kinder des Versicherten hat, eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat ausübt oder von diesem Mitgliedstaat aufgrund einer Beschäftigung oder einer selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Rente erhält."
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6.3.2 Die zitierte Bestimmung regelt nicht nur die Anspruchskonkurrenz zwischen eigenen und abgeleiteten Leistungsansprüchen des Familienangehörigen. Vielmehr stellt sie zugleich eine Kollisionsnorm dar, die das anzuwendende Recht auch bezüglich des Statusverhältnisses (beispielsweise Versicherteneigenschaft) einschliesslich etwaiger Beitragspflichten umfassend und eindeutig bestimmt. Die Vorschrift zielt insbesondere auf die Vermeidung von Doppelversicherungen von Familienangehörigen sowie auf eine Belastungsangleichung innerhalb der EU, soweit Einwohnersysteme (sog. "nationale Gesundheitsdienste") betroffen sind (FRANK SCHREIBER, in: VO [EG] Nr. 883/2004, Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Kommentar, 2012, N. 1 zu Art. 32; KARL-JÜRGEN BIEBACK, in: Europäisches Sozialrecht, Maximilian Fuchs [Hrsg.], 6. Aufl. 2013, N. 2 und 6 zu Art. 32 VO Nr. 883/2004). Bei Letzteren handelt es sich um ein steuerbasiertes System für Leistungen bei Krankheit sowie Mutter- und Vaterschaft, das - anders als im Falle von durch Beiträge von Beschäftigen und/oder Selbstständigerwerbenden finanzierten Sozialversicherungen - allen Einwohnern eines Landes offensteht (vgl. SCHREIBER, a.a.O., N. 5 zu Art. 25 VO Nr. 883/2004).
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6.3.2.1 Art. 32 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 stellt mithin den Grundsatz auf, dass ein eigenständiger Anspruch Vorrang vor einem abgeleiteten Anspruch hat. Diesem Grundsatz ist aber dann ausnahmsweise nicht zu folgen, wenn der eigenständige Anspruch allein durch den Wohnsitz begründet wird. Diesfalls tritt der (eigenständige) Anspruch allein auf Grund des Wohnsitzes zurück gegenüber einem abgeleiteten Anspruch aus Versicherung (vgl. BIEBACK, a.a.O., N. 2 zu Art. 32 VO Nr. 883/2004). Wenn aber - so Abs. 2 der Bestimmung - bei den Familienangehörigen der Ehegatte oder die Person mit dem Sorgerecht für die Familienmitglieder im Wohnstaat gleichzeitig auch selbst eine Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit ausübt oder von einem Träger des Wohnstaats eine Rente bezieht, gehen die Ansprüche des Wohnstaats vor (BIEBACK, a.a.O., N. 3 zu Art. 32 VO Nr. 883/2004).
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6.3.2.2 Das Bestehen eines eigenständigen oder abgeleiteten Sachleistungsanspruchs ist sodann in folgender Reihenfolge zu prüfen: Nach Ermittlung des anwendbaren Rechts gemäss Titel II (Art. 11-16) und den Normen des Titels III/Kapitel 1 (Art. 17-35) VO Nr. 883/2004 - vor allem nach Massgabe von Art. 11 und 17 VO Nr. 883/2004 - ist in einem zweiten Schritt zu eruieren, ob auf Grund der Rechtsvorschriften des für den jeweiligen Anspruch zuständigen Mitgliedstaats die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Dabei sind sowohl die Rechtsfolgen der Art. 17 ff. VO Nr. 883/2004 wie auch gegebenenfalls Vor- und Nachrangregelungen des nationalen Rechts von Ansprüchen aus Erwerbstätigkeit und aus abgeleitetem Recht als Familienmitglied zu beachten. Besteht nach diesem Prüfvorgang immer noch ein Normkonflikt, insbesondere weil originärer und abgeleiteter Anspruch nach unterschiedlichen Rechtsordnungen zu bestimmen sind, ist ein Anwendungsfall von Art. 32 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 883/2004 zu bejahen (vgl. SCHREIBER, a.a.O., N. 5 zu Art. 32 VO Nr. 883/2004; BIEBACK, a.a.O., N. 6 zu Art. 32 sowie N. 19 zu Vorbem. Art. 17 ff. VO Nr. 883/2004).
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Erwägung 7 | |
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7.2.2 Das BAG spricht sich im Rahmen seiner letztinstanzlichen Vernehmlassung auf Grund des Umstands, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in Polen als Arbeitslose registriert und seit dem 5. November 2008 der dortigen Gesundheitsversicherung angeschlossen ist, ebenfalls gegen eine Unterstellung der Familienangehörigen des Beschwerdeführers unter die schweizerische Krankenpflegeversicherung aus.
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Erwägung 8 | |
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8.2 Dies lässt sich auf Grund des Sachverhalts, wie er sich aktuell präsentiert, nicht beantworten. Insbesondere geht aus der Bescheinigung des Bezirksarbeitsamts vom 20. Mai 2015 nicht hervor, ob die seit dem 5. November 2008 vorhandene polnische Gesundheitsversicherung auf die Registrierung der Ehefrau des Beschwerdeführers als Arbeitslose zurückzuführen ist - also eine damit zusammenhängende Pflichtversicherung darstellt (und zwar unabhängig von einem allfälligen Leistungsbezug) - oder aber ein davon losgelöstes Einwohnersystem im Sinne sogenannter "nationaler Gesundheitsdienste" (vgl. E. 6.3.2 hiervor) besteht. Falls die erstgenannte Konstellation gegeben sein sollte, wäre davon auszugehen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers nach polnischem Recht einen gestützt auf ihren Status als registrierte Arbeitslose originären krankenversicherungsrechtlichen Sachleistungsanspruch begründete. Dieser ginge nach den einschlägigen Kollisionsnormen dem vom in der Schweiz erwerbstätigen Beschwerdeführer abgeleiteten Anspruch vor, sodass Ehefrau und Kinder nicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nach KVG zu unterstellen wären (in diesem Sinne das Merkblatt der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern "Obligatorische Krankenpflegeversicherung in der Schweiz, Informationen für nichterwerbstätige Familienangehörige mit Wohnsitz in einen EU-/EFTA-Staat" [abrufbar unter: www.jgk.be.ch/jgk/de/index/praemienverbilligung/praemienverbilligung/kvg_obligatorium/besonderheiten_eu-efta.html], wonach nichterwerbstätige Familienangehörige mit Wohnsitz in Polen, die in Polen als arbeitslos registriert sind, nicht der schweizerischen Krankenpflegeversicherungspflicht unterstehen). Verhielte es sich aber dergestalt, dass nach den polnischen Rechtsvorschriften "der Anspruch auf Sachleistungen nicht vom Bestehen einer Versicherung, einer Beschäftigung oder einer selbstständigen Erwerbstätigkeit abhängt" (vgl. Art. 32 Abs. 2 VO Nr. 883/2004), Polen also über ein öffentliches Gesundheitswesen verfügt, welchem die Ehefrau des Beschwerdeführers auch ohne offizielle Registrierung als Arbeitslose, sondern einzig auf Grund ihres Wohnsitzes untersteht, erwiese sich der vom erwerbstätigen Ehemann abgeleitete Anspruch des Beschäftigungslandes, hier der Schweiz, als prioritär, da die Ehefrau in ihrem Heimatland unbestrittenermassen weder eine unselbstständige noch selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, noch auf Grund dieser Beschäftigungen eine Rente erhält.
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Der Sachverhalt ist in dieser Hinsicht unvollständig und lässt keine Beurteilung der Krankenpflegeversicherungspflicht der Ehefrau des Beschwerdeführers und seiner beiden Kinder in der Schweiz zu. Namentlich wurde das sich in den Akten befindende Formular E109 "Bescheinigung zur Eintragung der Familienangehörigen der Versicherten und für die Führung der Verzeichnisse" nicht ausgefüllt retourniert. Wie vom BAG in seiner Vernehmlassung angeregt, wird die Beschwerdegegnerin, an welche die Angelegenheit zurückzuweisen ist, dieses direkt der zuständigen Stelle des Nationalen Gesundheitsfonds in Polen zuzustellen haben, um die entsprechenden Angaben zu komplettieren. Hernach wird sie gestützt darauf sowie bedarfsweise weitere Abklärungen neu über die Versicherungspflicht der Familienangehörigen des Beschwerdeführers in der Schweiz verfügen. (...)
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