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20. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_640/2016 vom 20. Juni 2017 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 1, 1bis und 3 lit. d, Art. 21 Abs. 1, 2 und 3 IVG; Art. 2 Abs. 1, 2 und 4 HVI; Ziff. 1.01 HVI Anhang: Abgabe einer Oberschenkel-Prothese mit Genium-Kniegelenk als Eingliederungsmassnahme. |
Die Oberschenkel-Prothese Typ Genium kommt als Hilfsmittelversorgung beim Versicherten mit einer Mehrfachbehinderung (Seheinschränkungen seit Geburt und Amputation des linken Beines oberhalb des Knies) in Betracht (E. 5-7); der Einsatz dieser Prothese zu Lasten der Invalidenversicherung ist jedoch in Bestätigung von BGE 132 V 215 auf Fälle eines besonders gesteigerten Eingliederungsbedürfnisses zu beschränken (hier: spezielle Anforderungen an Mobilität und Gangsicherheit; E. 7.3.2). | |
Sachverhalt | |
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B. Die dagegen von A. erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 17. August 2016 ab.
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C. A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Verfügung vom 19. Mai 2016 sei ihm vollumfängliche Kostengutsprache für die Oberschenkel-Prothese des Typs Genium zu gewähren.
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Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.2 Als Eingliederungsmassnahme unterliegt jede Hilfsmittelversorgung den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 ![]() | 7 |
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3. Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass die Invalidenversicherung die Kosten für eine Prothese im Umfang eines C-Leg-Modells übernimmt. Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer nach Massgabe der gesetzlichen Grundlagen (E. 2 hiervor) Anspruch auf die Abgabe einer Genium-Kniegelenkprothese hat, was davon abhängt, dass es sich dabei um ein einfaches und zweckmässiges Hilfsmittel ![]() | 9 |
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Erwägung 5 | |
5.1 Das kantonale Gericht stellte verbindlich fest (vgl. nicht publ. E. 1.1 hiervor), der Beschwerdeführer leide seit seiner Geburt an einer Ptose, einer Augenmotilitätsstörung, sowie an einer gestörten Pupillenmotorik des linken Auges. Er verfüge deshalb über kein räumliches bzw. über kein Stereosehen und habe ein eingeschränktes Gesichtsfeld. Seine Tätigkeit umfasse den Betrieb und den Unterhalt der EDV-Infrastruktur. Dabei müsse er zu den verschiedenen EDV-Komponenten gehen und diese herumtragen. Dadurch halte er sich häufig in der Produktionsstätte auf und bewege sich auf unebenem Boden sowie auf Treppen. Die Vorinstanz nahm an, Seheinschränkungen für sich allein würden in alltäglichen Verrichtungen wie dem Gehen auf Treppen oder unebenem Gelände ganz allgemein noch nicht zu derart relevanten Einschränkungen und Gefahren führen, wie sie der Versicherte geltend mache. Darüber hinaus bestehe die Augenproblematik seit der Geburt. Der Versicherte habe somit seit jeher damit zu leben, weshalb selbst bei der Annahme einer Einschränkung in der Gehfähigkeit aufgrund der Sehverminderung davon auszugehen sei, er verfüge von klein auf über die Fähigkeit, ![]() | 11 |
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Erwägung 6 | |
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6.2 Die Ärzte der Klinik C. berichteten am 11. April, 14. Juli sowie am 26. August 2015, die Seheinschränkung (vgl. E. 5.1 hiervor) sei medizinisch bedeutsam. Der Versicherte habe im beruflichen Alltag deutlich erhöhte Anforderungen an seine Mobilität zu erfüllen. Er müsse in der Lage sein, ohne zusätzliche Gehhilfen mit einer funktionierenden Oberschenkelprothese mehrfach täglich Treppen sicher überwinden zu können. Dabei habe er zum Teil Gegenstände zu tragen, welche ihm die Sicht auf den zu gehenden Weg ![]() | 14 |
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Erwägung 7.1 | |
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7.2 Die persönliche Angemessenheit ist erfüllt: Prospektiv war im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung im April 2015 zu erwarten, dass der Beschwerdeführer mit dem anbegehrten Hilfsmittel keine Schwierigkeiten bekunden werde (vgl. BGE 110 V 99 E. 2 S. 102 zur prognostischen Beurteilung in der Invalidenversicherung; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 26 zu Art. 8 IVG). Der Umstand, dass die Abgabe einer Beinprothese mit dem Genium-Kniegelenk den Versicherten in die Lage versetzt, seine gehintensive berufliche Tätigkeit unter ![]() | 19 |
Erwägung 7.3 | |
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Im vorliegenden Fall besteht das besonders gesteigerte Eingliederungsbedürfnis in der speziellen beruflichen Anforderung an die Gehfähigkeit in der Produktionsstätte und dem Treppensteigen mit Herumtragen von EDV-Geräten in Kombination mit der limitierenden Seheinschränkung. Der Beschwerdeführer ist nur mehr mit einer Oberschenkel-Prothese Typ Genium in der Lage, den mit seiner langjährigen beruflichen Stellung verbundenen Aufgaben weiterhin uneingeschränkt nachzukommen, steht doch eine gleichwertige ausserbetriebliche Eingliederung nicht zur Diskussion. Nach dem Gesagten ![]() | 22 |
7.4 Unter dem Blickwinkel der zeitlichen Angemessenheit muss gewährleistet sein, dass der mit einer Eingliederungsmassnahme angestrebte Erfolg voraussichtlich von einer gewissen Dauer ist. Nach Art. 8 Abs. 1bis IVG ist dafür die gesamte noch zu erwartende Dauer des Erwerbslebens zu berücksichtigen. Darunter ist die verbleibende Zeitspanne bis zum ordentlichen Pensionierungsalter gemäss Art. 21 Abs. 1 AHVG zu verstehen (vgl. BGE 132 V 215 E. 4.5.4 S. 232; Urteil 9C_244/2010 vom 5. August 2010 E. 3.2 mit Hinweis; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 5 und 31 zu Art. 8 IVG). Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bei der IV-Stelle im April 2015 39 Jahre alt. Bis zur Vollendung des 65. Altersjahres konnte der Versicherte seine angestammte Erwerbstätigkeit folglich noch während 26 Jahren weiterführen. Mit Blick auf die zusätzlichen Kosten, die die Invalidenversicherung im vorliegenden Fall für die Genium-Kniegelenkprothese im Vergleich zum Modell C-Leg aufzuwenden hat (vgl. E. 7.3.2 hiervor), ist die Eingliederungsvorkehr zeitlich angemessen, weil sie den Beschwerdeführer während eines bedeutenden Teils der verbleibenden Aktivität befähigen wird, erwerblich weiterhin tätig zu sein. (...)
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