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23. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV und Stiftung Sicherheitsfonds BVG gegen IGP-BVG-Stiftung und Bernische BVG- und Stiftungsaufsicht (BBSA) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_612/2016 / 9C_667/2016 vom 16. Mai 2017 | |
Regeste |
Art. 56 Abs. 1 lit. b und c, Art. 65d Abs. 1 BVG; Art. 25 SFV; Zahlungsunfähigkeit des Versichertenkollektivs. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.a Die IGP-BVG-Stiftung bezweckt als Sammelstiftung die Durchführung der beruflichen Vorsorge im Rahmen des BVG und seiner Ausführungsbestimmungen (nachfolgend: Sammelstiftung). Sie untersteht der Bernischen BVG- und Stiftungsaufsicht (BBSA). Am ![]() | 2 |
A.b Am 1. Oktober 2014 erliess die BBSA eine Verfügung betreffend Aufhebung des Vorsorgewerks Rentenkasse B. Darin wurde der Stiftungsrat der Sammelstiftung angewiesen, innert 30 Tagen seit der Verfügungszustellung bei der Stiftung Sicherheitsfonds BVG den Antrag zur Übernahme der Verpflichtungen des Vorsorgewerks Rentenkasse B. zu stellen (Dispositiv-Ziffer 1), wobei die Übernahme der Leistungen des Vorsorgewerks Rentenkasse B. durch die Stiftung Sicherheitsfonds BVG per 1. Dezember 2014 zu erfolgen habe (Dispositiv-Ziffer 2). Ferner seien die Rentendeckungskapitalien, die versicherungstechnischen Reserven und die Anteile Wertschwankungsreserven des Vorsorgewerks Rentenkasse B. per 30. November 2014 an die Stiftung Sicherheitsfonds BVG zu überweisen (Dispositiv-Ziffer 3). Sodann forderte die BBSA die Sammelstiftung auf, einen Schuldenruf durchzuführen (Dispositiv-Ziffer 4). Schliesslich verlangte sie eine Bestätigung von Experte bzw. Revisionsstelle, dass die erworbenen Leistungen der Rentner per 1. Dezember 2014 nicht geschmälert (Dispositiv-Ziffer 5) bzw. die vorhandenen Mittel an den Sicherheitsfonds BVG übertragen worden seien (Dispositiv-Ziffer 6).
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A.c Am 13. November 2014 verfügte die Stiftung Sicherheitsfonds BVG (kurz: Sicherheitsfonds), dass die gesetzlichen und reglementarischen Leistungen der Versicherten des Vorsorgewerks Rentenkasse B. sichergestellt werden und der Sicherheitsfonds die laufenden Renten selber weiterführt (Dispositiv-Ziffer 1). Ausserdem wies der Sicherheitsfonds den Stiftungsrat der Sammelstiftung an, für die Absprache der administrativen Übertragung der Rentenleistungen und der Aktiven des Vorsorgewerks mit seiner Geschäftsstelle Kontakt aufzunehmen (Dispositiv-Ziffer 2), sowie die Rentenleistungen bis zur Regelung der administrativen Übertragung aus den noch ![]() | 4 |
B.
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B.a Mit Entscheid vom 12. Juli 2016 stellte das Bundesverwaltungsgericht auf Beschwerde der Sammelstiftung hin fest, dass Dispositiv-Ziffern 2, 3, 5 und 6 der Verfügung der BBSA vom 1. Oktober 2014 nichtig seien (Dispositiv-Ziffer 1). Es hiess die Beschwerde gut, soweit es darauf eintrat, und hob Dispositiv-Ziffern 1, 4 sowie 7 (Kosten) der Verfügung auf (Dispositiv-Ziffer 2).
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B.b Mit (Folge-)Entscheid vom 25. August 2016 hiess das Bundesverwaltungsgericht die von der Sammelstiftung gegen die Verfügung des Sicherheitsfonds vom 13. November 2014 eingereichte Beschwerde in dem Sinne gut, als es die nämliche Verfügung aufhob.
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C.
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C.a Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV (kurz: OAK) erhebt gegen den Entscheid vom 12. Juli 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, dessen Dispositiv-Ziffern 2, 3 (Kosten) und 4 (Parteientschädigung) seien aufzuheben (Verfahren 9C_612/2016).
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Die Sammelstiftung schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Nichteintreten, eventualiter auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet darauf, formell einen Antrag zu stellen. Die BBSA reicht keine Stellungnahme ein.
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C.b Der Sicherheitsfonds reicht gegen den Entscheid vom 25. August 2016 ebenfalls Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein und beantragt, dieser sei aufzuheben, und die im vorangegangenen Verfahren eingereichte Beschwerde der Sammelstiftung sei abzuweisen (Verfahren 9C_667/2016).
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Die Sammelstiftung schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das BSV verzichtet darauf, formell einen Antrag zu stellen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab.
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(...)
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Demgegenüber vertritt die OAK die Auffassung, bei reinen Rentenvorsorgewerken resp. reinen Rentnerkassen, die längerfristig nicht mehr sanierbar seien, müsse die Aufsichtsbehörde die Möglichkeit haben, in Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsfonds frühzeitig zu intervenieren und die Aufhebung zu veranlassen. Sie müsse nicht tatenlos zuschauen, bis die gesetzlichen oder reglementarischen Leistungen nicht mehr erbracht werden könnten.
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4.2 Das Gesetz verbietet die Gründung einer reinen Rentnerkasse nicht. Der Bundesrat, der die Verordnung vom 22. Juni 1998 über den Sicherheitsfonds BVG (SFV; SR 831.432.1) erliess, hat sich implizit für die Zulässigkeit von korrekt errichteten und genügend finanzierten Rentnerkassen ausgesprochen (Stellungnahme des Bundesrates vom 6. Dezember 2013 zur Motion Nr. 13.3753 "BVG und Rentnerkassen. Unerwünschten Folgen vorbeugen" von Nationalrat Stéphane Rossini). Nichts anderes lässt sich seinem Bericht zuhanden der Bundesversammlung über die Zukunft der 2. Säule, Entwurf ![]() | 19 |
Es braucht an dieser Stelle nicht darüber befunden zu werden, nach welcher Formel die Ausfinanzierung eines Rentnerbestandes, der separat ausgegliedert und versichert werden soll, zu erfolgen hat (vgl. zum Beispiel MAX MEILI, Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Führung von Rentenbeständen, Schweizer Personalvorsorge 2013 Heft 7 S. 47 f.). Ebenso wenig braucht hier der Frage nachgegangen zu werden, ob und inwieweit das Vorsorgewerk Rentenkasse B. - auf lange Sicht hin - finanziell genügend ausgestattet wurde, zumal im Zeitpunkt des Entscheides der Aufsichtsbehörde vom 13. Juni 2005 die Liquidation von Arbeitgeberfirma und abgebender Vorsorgeeinrichtung bereits im Gange waren (vgl. E. 4.3 nachfolgend). Beide fielen daher als dereinst in Frage kommende Nachfinanzierende bzw. Sanierende von vornherein ausser Betracht, mithin die Gefahr von Moral Hazard - anders als die OAK glauben zu machen versucht - eher damals als heute ein Thema (gewesen) wäre. ERICH PETER (Rentnerkassen, Zulässigkeit und Voraussetzungen der Neugründung, SZS 2014 S. 308) meint jedenfalls, dass eine gültige, volle vertragliche Entlastung der abgebenden Vorsorgeeinrichtung betreffend Nachfinanzierung und/oder des Arbeitgebers betreffend eine allfällige Nachfinanzierung und/oder nachträgliche Sanierungspflicht nur denkbar ist, wenn die Berechnung des Deckungskapitals zu einem tatsächlich risikolosen technischen Zins erfolgt, d.h. zu einer technischen Verzinsung mit dem Zins von Bundesobligationen, deren Laufzeiten kongruent sind mit der Lebenserwartung des Rentnerbestands. Dabei weist er darauf hin, dass die Tatsächlichkeit dieser risikolosen Betrachtung von der Grösse des Rentnerbestands abhängt; nur bei einem grossen Rentnerbestand könne davon ausgegangen werden, dass sich aus den angewendeten Generationentafeln auch keine Abweichungen betreffend die angenommene Sterblichkeit ergeben.
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Erwägung 5 | |
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Zahlungsunfähig ist eine Vorsorgeeinrichtung oder ein Versichertenkollektiv, wenn die Vorsorgeeinrichtung oder das Versichertenkollektiv fällige gesetzliche oder reglementarische Leistungen nicht erbringen kann und eine Sanierung nicht mehr möglich ist (Art. 25 Abs. 1 SFV; vgl. auch Art. 56 Abs. 3 Satz 2 BVG: Die Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgewerke ist getrennt zu beurteilen). Nicht mehr möglich ist die Sanierung eines Versichertenkollektives, wenn über den Arbeitgeber ein Konkursverfahren oder ein ähnliches Verfahren eröffnet worden ist (Art. 25 Abs. 2 lit. b SFV).
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Antragstellerin für die Leistungen des Sicherheitsfonds ist die zahlungsunfähig gewordene Vorsorgeeinrichtung oder die Rechtsträgerin des insolvent gewordenen Versichertenkollektivs (Art. 24 Abs. 1 SFV). Die Aufsichtsbehörde bestätigt zuhanden des Sicherheitsfonds, dass über die Vorsorgeeinrichtung ein Liquidations- oder Konkursverfahren oder ein ähnliches Verfahren eröffnet worden ist (Art. 24 Abs. 2 SFV).
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Erwägung 6 | |
6.1 In Subsumption des massgebenden Sachverhalts (vgl. E. 4.3 vorne) unter die rechtlichen Gegebenheiten (vgl. E. 5.2 vorne) ergibt sich, dass das Vorsorgewerk Rentenkasse B. nach wie vor zahlungsfähig ist. Die erste Voraussetzung von Art. 25 Abs. 1 SFV ist klarerweise nicht erfüllt; das Vorsorgewerk kann die fälligen gesetzlichen und reglementarischen Leistungen weiterhin erbringen. Damit besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Sicherstellungsleistungen des Sicherheitsfonds, und diesem kommt keine Rolle zu. In der Praxis kommt es wohl verschiedentlich im Vorfeld eines Liquidationsverfahrens zu Kontakten und Gesprächen zwischen den ![]() | 27 |
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6.2.2 Der Verweis des Sicherheitsfonds auf verwandte Bestimmungen, wie Art. 84a ZGB und Art. 725 Abs. 2 OR, hilft ebenfalls nicht weiter. Dies schon deshalb nicht, weil sich keine der beiden Bestimmungen mit der vorliegenden Konzeption eines gesetzlich verankerten Risikoträgers vergleichen lässt; vor allem gehen die speziellen ![]() | 30 |
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Erwägung 7 | |
7.1 DÜRR/FISCHER (a.a.O., S. 87) weisen in Bezug auf eine Lage, wie sie sich hier präsentiert (vgl. E. 6.2.2 in fine), darauf hin, dass sich nach der Eröffnung der Liquidation (infolge blosser Sanierungsunfähigkeit) auch eine Zahlungsunfähigkeit im engeren Sinn einstellen werde, da im Rahmen des Liquidationsverfahrens alle Aktiven aus der Vorsorgeeinrichtung austreten (Fälligkeit der ![]() | 32 |
Eine solche "künstlich" ausgelöste Zahlungsunfähigkeit kann bei einer sanierungsunfähigen Rentnerkasse, die immer noch zahlungsfähig ist, zur Vermeidung falscher Anreize insoweit angebracht sein, als es aus ökonomischen Gründen angezeigt ist, mit der Sicherstellung der gesetzlichen und reglementarischen Leistungen nicht bis zum vollständigen Mittelverzehr, d.h. bis sich die Zahlungsunfähigkeit von selber einstellt, zuzuwarten. Solange eine Rentnerkasse die fälligen Leistungen problemlos erbringen kann, was bis zu einem tiefen Deckungsgrad der Fall sein kann (MOZAR/SCHMID, a.a.O., S. 69 unten), bildet der Einwand der fehlenden Zweckerreichung allein keinen überzeugenden Rechtfertigungsgrund für die vorzeitige Aufhebung einer Rentnerkasse.
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Dem ist jedenfalls beizufügen, dass es nicht ausreicht, die (aktuelle) Ist-Situation wiederzugeben. Vielmehr sind die Entwicklungen der einzelnen Faktoren, insbesondere diejenigen des Rentnerbestandes und des damit jeweils einhergehenden administrativen Aufwandes, aufzuzeigen. Zu berücksichtigen ist zudem der Umstand, dass die bestehende Verwaltung die konkreten Verhältnisse der einzelnen Destinatäre besser kennt und ihr insoweit grundsätzlich ein effizienteres Handeln zu attestieren ist.
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Erwägung 8 | |
8.1 Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid vom 12. Juli 2016 einlässlich dargelegt, weshalb auch bei vorsichtiger Prognose davon auszugehen sei, dass die Verpflichtungen gegenüber den Anspruchsberechtigten des Vorsorgewerkes Rentenkasse B. noch längerfristig uneingeschränkt erbracht werden können, mithin die streitige ![]() | 39 |
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Gleichzeitig steht fest, dass das Bundesverwaltungsgericht auch die Verfügung des Sicherheitsfonds vom 13. November 2014 zu Recht ![]() | 43 |
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