BGE 143 V 269 | |||
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29. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle Luzern gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_113/2017 vom 29. Juni 2017 | |
Regeste |
Art. 72bis Abs. 1 IVV; Art. 43 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG; Höhe der von der IV-Stelle zu tragenden Kosten eines polydisziplinären Gerichtsgutachtens. |
Was die Bemessung der Kosten dieser Abklärungen angeht, fehlt eine bundesgesetzliche Grundlage dafür, dass das BSV mit den MEDAS Tarifvereinbarungen mit Geltung auch für die erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren treffen könnte (E. 6.2.2). Eine solche Gesetzesgrundlage, die zu erlassen der Bund ohne Weiteres befugt wäre, ist unabdingbar (E. 6.2.2). |
Mit Blick auf die fehlende gesetzliche Grundlage wird die bisherige Rechtsprechung insoweit aufgegeben, als die kantonalen Versicherungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht nicht mehr an den Tarif gemäss Anhang 2 der Vereinbarung zwischen dem BSV und den MEDAS gebunden sind. Das bedeutet, dass die IV-Stellen im Rahmen der mit BGE 139 V 496 umschriebenen Grundsätze für die gesamten Kosten des Gerichtsgutachtens aufzukommen haben (E. 7.2). Der vom BSV mit den MEDAS vereinbarte Tarif kann immerhin als Richtschnur dienen, an der sich die Beteiligten zu orientieren haben. Darüber hinaus ergeht die Empfehlung, entweder die erforderliche Gesetzesgrundlage zu schaffen oder aber den bestehenden Tarif unter repräsentativem Einbezug der erstinstanzlichen Beschwerdeinstanzen an die Besonderheiten des Gerichtsverfahrens anzupassen (E. 7.3). | |
Sachverhalt | |
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B. Die von A. dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 28. November 2016 teilweise gut, indem es der Versicherten ab März 2015 eine halbe Rente zusprach. Dabei auferlegte es der IV-Stelle die Gerichtskosten, bestehend aus einer Spruchgebühr (Fr. 1'000.-) und Beweiskosten (Fr. 16'670.90) für das bei der Interdisziplinären medizinischen Gutachterstelle (MEDAS) Zentralschweiz eingeholte Gerichtsgutachten vom 26. Juli 2016.
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C. Die IV-Stelle Luzern führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei in dem Sinne abzuändern, als ihr die Kosten des Gerichtsgutachtens nur im Umfang von Fr. 10'882.10 auferlegt werden dürften.
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A. verzichtet auf eine Stellungnahme. Das kantonale Gericht schliesst auf Abweisung, das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf Gutheissung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Beschwerdeführerin hält dafür, dass die Kostenauflage nach Massgabe der Vereinbarung zwischen dem BSV und der MEDAS Zentralschweiz nur im Betrag von Fr. 10'882.10 erfolgen dürfe. Dies entspreche dem Tarif, der für die polydisziplinäre Begutachtung durch drei Spezialisten (zusätzlich zu einem Facharzt für Allgemeine/Innere Medizin) eine Pauschale von Fr. 10'631.- vorsehe sowie zusätzlich verrechenbare Leistungen (Labor und technische Leistungen) zulasse, die sich im vorliegenden Fall auf Fr. 251.10 beliefen.
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Erwägung 3 | |
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Die Kosten einer solchen im gerichtlichen Beschwerdeverfahren angeordneten Begutachtung durch eine MEDAS sind gemäss E. 4.4.2 des besagten Grundsatzurteils den IV-Stellen aufzuerlegen und - so das Bundesgericht ausdrücklich - nach der tarifvertraglichen Regelung zu berechnen (S. 265 f.). Die Vergütung der Kosten von MEDAS-Abklärungen als Gerichtsgutachten durch die IV-Stelle ist mit Art. 45 Abs. 1 ATSG durchaus vereinbar. Danach übernimmt der Versicherungsträger die Kosten der Abklärung, soweit er die Massnahmen angeordnet hat. Hat er keine Massnahmen angeordnet, so übernimmt er deren Kosten dennoch, wenn die Massnahmen für die Beurteilung des Anspruchs unerlässlich waren oder Bestandteil nachträglich zugesprochener Leistungen bilden (vgl. auch Art. 78 Abs. 3 IVV [SR 831.201]; BGE 137 V 201 E. 4.4.2 S. 265 f.).
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Das Bundesgericht verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Gefahr einer Pauschalentschädigung, woraus sich Fehlanreize in qualitativer Hinsicht ergeben können. Denn eine möglichst einfache Erledigung schafft Kapazitäten für weitere (pauschal entschädigte) Begutachtungen. Das Fehlen einer Abstufung für leichtere und schwierigere Fälle in der geltenden Entschädigungsregelung birgt das Risiko in sich, dass der Versicherungsträger nicht, wie in Art. 43 Abs. 1 ATSG ausdrücklich vorgeschrieben, alle notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vornimmt bzw. von den beauftragten Abklärungsstellen alle entscheidungserheblichen Angaben in der erforderlichen Qualität erhält; zu denken ist etwa an besondere diagnostische Vorkehren, welche den Aussagegehalt des Gutachtens wesentlich erhöhen. Zum Problem trägt auch bei, dass Zusatzaufwendungen wie Dolmetscherentschädigungen in der Pauschale bereits enthalten sind (BGE 137 V 210 E. 2.4.2 S. 238 f.).
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Weiter hat das BSV in Nachachtung des Grundsatzurteils mit den medizinischen Gutachterstellen Tarife für die Durchführung von polydisziplinären Gutachten zur Beurteilung von Leistungsansprüchen in der Invalidenversicherung ausgehandelt, die nach Aufwand und Anzahl der Fachdisziplinen differenzieren. Der Tarif sieht auch eine separate Abgeltung von Zusatzleistungen vor wie z.B. Laboranalysen oder Röntgenbilder (vgl. [Muster-]Vereinbarung zwischendem BSV und der Gutachterstelle xy; Tarif [Anhang 2]; Liste der Polydisziplinären Gutachterstellen, welche über einen Vertrag mit dem BSV nach Art. 72bis IVV verfügen [Stand: 1. Februar 2017]).
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3.3 Mit BGE 139 V 496 E. 4.4 S. 502 stellte das Bundesgericht für den Bereich der Invalidenversicherung Kriterien auf, die bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sind, ob die Kosten eines Gerichtsgutachtens dem Grundsatz nach der Verwaltung auferlegt werden können. Danach muss ein Zusammenhang bestehen zwischen dem Untersuchungsmangel seitens der Verwaltung und der Notwendigkeit, eine Gerichtsexpertise anzuordnen, was das Bundesgericht für verschiedene Konstellationen verdeutlichte. Wenn die Verwaltung dagegen den Untersuchungsgrundsatz respektiert und ihre Auffassung auf objektive konvergente Grundlagen oder auf die Ergebnisse einer rechtsgenüglichen Expertise gestützt habe, sei die Überbindung der Kosten des erstinstanzlichen Gerichtsgutachtens an sie nicht gerechtfertigt, aus welchen Gründen dies auch immer erfolge (vgl. sodann analog für den Bereich der Unfallversicherung: BGE 140 V 70 E. 6.2 S. 75).
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Dies bekräftigte das Bundesgericht im Urteil 9C_253/2016 vom 22. September 2016 (SVR 2017 IV Nr. 11 S. 27). Anlass für eine Abkehr von der zitierten Rechtsprechung sah es auch nicht deshalb, weil der Aufwand für psychiatrische Gutachten zwischenzeitlich aufgrund der geänderten Rechtsprechung von BGE 141 V 281 gestiegen sei und sich mittlerweile die praktischen Schwierigkeiten bei der Suche nach Gutachtern, die gemäss den tarifvertraglichen Regelungen Gerichtsgutachten erstellten, weiter verschärft hätten. Damit werde auf den Tarif an sich abgezielt, der nicht Streitgegenstand sei und die in E. 4.2 des Urteils 9C_217/2014 angestellten Überlegungen nicht tangiere. Daran ändere auch der Einwand nichts, die IV-Stelle habe höhere Kosten jeweils dann zu vergüten, wenn das kantonale Gericht eine Expertise bei einer Begutachtungsstelle veranlasse, mit der das BSV keine Tarifvereinbarung getroffen habe. Derlei lasse ausser Acht, dass die Verwaltung diesfalls in Ermangelung einer solchen Vereinbarung (anders als im vorliegenden Fall) die höheren Kosten gerade auch tragen müsste, wenn sie das Gutachten eigens veranlasst hätte (E. 2.2).
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Erwägung 3.6 | |
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3.6.2 Nach den Erwägungen dieses Urteils betreffe Art. 72bis Abs. 1 IVV (vgl. E. 3.2 hiervor) in erster Linie das Verwaltungsverfahren vor der IV-Stelle. Dies schliesse indessen nicht aus, die Tarifvereinbarung mit einer Gutachterstelle auch bei Gerichtsgutachten anzuwenden, wenn, wie im gegebenen Fall, eine Rückweisung der Sache zur Durchführung der vom kantonalen Versicherungsgericht als notwendig erachteten Beweismassnahme an die IV-Stelle zur Gewährleistung eines konventionskonformen Verfahrens entfalle. Dafür spreche vorab, dass nach der gesetzlichen Ordnung Beweis über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche schwergewichtig auf Stufe des Administrativverfahrens geführt werde und nicht im gerichtlichen Prozess. Dies rechtfertige nicht nur, der IV-Stelle grundsätzlich die Kosten der Begutachtung aufzuerlegen, sondern auch, diese nach der tarifvertraglichen Regelung mit der Gutachterstelle zu berechnen. Das Bundesgericht erinnerte sodann ein weiteres Mal daran, dass es nicht verständlich wäre, wenn die Kosten für ein MEDAS-Gutachten je nach Auftraggeber unterschiedlich hoch wären. Ob eine medizinische Abklärungsstelle eine Expertise für ein Gericht oder eine IV-Stelle durchführe, habe auf den hierfür erforderlichen Zeitaufwand der an der interdisziplinären Begutachtung beteiligten Ärzte keinen Einfluss. Es könne somit nicht gesagt werden, es bestehe keine gesetzliche Grundlage für die Anwendung der Tarifvereinbarung zwischen dem BSV und der MEDAS auf das hier in Frage stehende Gerichtsgutachten (E. 2.1).
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3.6.4 Es möge zutreffen, dass im Rahmen von Gerichtsgutachten häufig komplexe medizinische Sachverhalte, namentlich bei psychosomatischen Krankheitsbildern aufgrund der mit BGE 141 V 281 geänderten Schmerzrechtsprechung, mit entsprechendem Aktenumfang und zumeist einem oder mehreren widersprüchlichen Vorgutachten zu beurteilen seien. Fraglich bleibe, ob deswegen allenfalls solche Expertisen nicht mehr kostendeckend zum "BSV-Tarif" erstellt werden und daher viele MEDAS, d.h. Gutachterstellen im Sinne von Art. 72bis Abs. 1 IVV, dazu auch nicht mehr bereit sein könnten, was gerichtsnotorisch sei, wie die Vorinstanz vernehmlassungsweise einbringe. Diesen Punkt liess das Bundesgericht hingegen offen, wiederum daran erinnernd, dass damit der Tarif als solcher in Frage gestellt werde, der hier nicht zur Diskussion stehe, zumal die hier betroffene MEDAS als Vertragspartei nicht am Verfahren beteiligt sei. Immerhin sei darauf hinzuweisen, dass das BSV im Nachgang zu BGE 137 V 210 die tarifliche Regelung der Vergütung der Kosten polydisziplinärer Gutachten modifiziert habe, um "sicherzustellen, (...) von den beauftragten Stellen alle entscheidungserheblichen Angaben in der erforderlichen Qualität" zu erhalten. Im Rahmen der diesbezüglichen Verhandlungen habe den betroffenen Gutachterstellen bekannt sein müssen, dass aufgrund der nunmehr eingeschränkten Befugnis der Sozialversicherungsgerichte, eine Streitsache zur neuen Begutachtung an die Verwaltung zurückzuweisen, mit einer Zunahme von Gerichtsgutachten zu rechnen sein werde. Mit der Verpflichtung der kantonalen IV-Stelle zur Übernahme der gesamten von der MEDAS in Rechnung gestellten Kosten habe die Vorinstanz im Ergebnis den im konkreten Fall anwendbaren Tarif gemäss Anhang 2 der Vereinbarung als zu tief beurteilt, wozu sie jedoch nicht zuständig gewesen sei (E. 2.3).
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Erwägung 5 | |
5.1 In der Schweiz trägt die Justizverfassung der bundesstaatlichen Struktur des Landes (Art. 3, 42 ff. BV) Rechnung. Das Bemühen, den Kantonen beim Vollzug von Bundesrecht möglichst grosse Gestaltungsfreiheit zu belassen (Art. 46 Abs. 2 und 3 BV; vgl. dazu und zur kantonalen Organisationsautonomie: BGE 128 I 254 E. 3.8.2 S. 264 f.), zeigt sich auch im Bereich des Gerichtswesens. Die kantonalen Justizorgane sind nicht nur im Bereich des eigenen kantonalen Rechts, sondern genauso in demjenigen des Bundesrechts Träger der Rechtsprechung, soweit Bundesverfassung oder Gesetze nichts anderes regeln. Dies gilt gleichermassen für die Umsetzung des Bundesverwaltungsrechts unter Einschluss des (Bundes-)Sozialversicherungsrechts. Dabei steht ausser Frage, dass der Bundesgesetzgeber in diesem Bereich selbst ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage zur Regelung des Verfahrens, und zwar inklusive des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens befugt ist (RHINOW/KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl. 2014, S. 64 Rz. 172 f., S. 69 f. Rz. 198 und S. 70 Rz. 200; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, S. 37 Rz. 106; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 2 zu Art. 57 und N. 6 zu Art. 61 ATSG mit weiteren Hinweisen).
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Dementsprechend existieren für den erstinstanzlichen Sozialversicherungsprozess vereinzelte bundesrechtliche Vorgaben. Dazu gehören nebst den allgemeinen verfassungsrechtlichen Bestimmungen zwecks Umsetzung der Justizgewährleistungspflicht (Art. 29a f., 191b und c BV), woraus sich unter anderem Anforderungen an die gerichtliche Überprüfungsbefugnis ergeben (vgl. BGE 142 II 49 E. 4.4 S. 52; BGE 137 I 235 E. 2.5 S. 239), auch spezifische Anordnungen auf Bundesgesetzesstufe, namentlich in den Art. 56 bis Art. 61 ATSG (sowie Art. 1 Abs. 3 VwVG [SR 172.021]), Art. 73 BVG und Art. 110 bis 112 BGG, aber auch Art. 69 Abs. 1bis IVG. Innerhalb dieses Rahmens richten sich die Organisation der Gerichtsbarkeit und die Regelung des Gerichtsverfahrens jedoch ausschliesslich nach kantonalem Recht (vgl. BGE 135 V 353 E. 4.1 S. 354; KIESER, a.a.O., N. 4 zu Art. 57 sowie N. 24 zu Art. 61 ATSG).
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5.2 Besonders zu erwähnen ist im hier interessierenden Kontext der Katalog von Art. 61 lit. a bis i ATSG mit direkt anwendbaren Mindestanforderungen an das kantonale Verfahren (SVR 2010 UV Nr. 29 S. 117, 8C_556/2009 E. 3.2; KIESER, a.a.O., N. 9 zu Art. 61 ATSG). Diese Aufzählung, die als abschliessend gilt (ULRICH MEYER-BLASER, Die Rechtspflegebestimmungen des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], HAVE 5/2002S. 332), verpflichtet die Kantone unter anderem zu einem Verfahren, das einfach, rasch und für die Parteien unentgeltlich zu sein hat (lit. a; betreffend Kostenlosigkeit vgl. sodann die Ausnahme in Art. 69 Abs. 1bis IVG). Zudem hat das Sozialversicherungsgericht die für den Entscheid erheblichen Tatsachen unter Mitwirkung der Parteien festzustellen (lit. c; vgl. zum Ganzen auch Art. 73 Abs. 2 BVG). Dies entspricht im Wesentlichen dem Untersuchungsgrundsatz, wie er für die Versicherungsträger in Art. 43 ATSG verankert ist (vgl. KIESER, a.a.O., N. 96 zu Art. 61 ATSG).
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Erwägung 6 | |
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Erwägung 6.2 | |
6.2.1 Im Sinne der bisherigen Rechtsprechung ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass mit Art. 45 Abs. 1 ATSG (vgl. E. 3.1 hiervor) eine genügende gesetzliche Grundlage dafür besteht, dem Versicherungsträger die Kosten eines Gerichtsgutachtens zu auferlegen. Dies gilt jedenfalls für diejenigen Konstellationen, wie sie das Bundesgericht in BGE 139 V 496 im Einzelnen umschrieben hat (vgl. E. 3.3 hiervor sowie BGE 140 V 70 E. 6.1 S. 75). Dass diese Bestimmung, obwohl systematisch dem Verwaltungsverfahren zugeordnet (2. Abschnitt, Art. 34 bis 55 ATSG), auch im Rahmen des Rechtspflegeverfahrens anwendbar ist, lässt sich mit Blick auf die darin erwähnte "Beurteilung des Anspruchs" nicht nur mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren, sondern liegt auch von der Sache her nahe. Damit erübrigen sich weitere Ausführungen in diesem Punkt.
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Eine solche Gesetzesgrundlage, die zu erlassen der Bund nach dem oben Ausgeführten (E. 5.1) ohne Weiteres befugt wäre, ist unabdingbar. Denn die Implikationen, die mit der hier diskutierten Rechtsprechung verbunden sind, dürfen in mehrfacher Hinsicht nicht unterschätzt werden: Zum einen wird damit im Wirkungsbereich von Art. 57 ATSG eine Materie geregelt, die nach geltendem Rechtsetzungskonzept im Sinne der verfassungsrechtlich auferlegten Respektierung kantonaler Organisationsautonomie (Art. 46 Abs. 3 BV) dem kantonalen Verfahrensrecht überlassen worden ist, in das der Bundesgesetzgeber mit Art. 61 ATSG bislang nur zurückhaltend, punktuell und mit präziser Umschreibung eingegriffen hat. Zum andern entfaltet sich damit in Bezug auf die bestehende "gewaltenteilige Ordnung" ein funktionelles Spannungsfeld. So wird den Organen der verwaltungsunabhängigen gerichtlichen Rechtspflege für ihren unmittelbaren Zuständigkeitsbereich ein Tarif vorgegeben, der auf Stufe Bundesamt von Verwaltungsseite her verhandelt wurde; und dies, ohne dass das Gerichtswesen - sei es auf kantonaler, sei es auf Stufe Bundesverwaltungsgericht - in irgendeiner Weise je einbezogen worden wäre. Derlei lässt sich ohne ausdrückliche bundesgesetzliche Grundlage nicht halten. Und dementsprechend sensibel und mit auffallend geringer Akzeptanz haben denn auch die erstinstanzlichen Gerichte auf die hier in Rede stehende Rechtsprechung reagiert. Das zeigte sich bereits nach dem Schreiben des BSV an die kantonalen Versicherungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht vom 24. Januar 2014, mit dem das Amt auf die Massgeblichkeit der betreffenden tarifvertraglichen Regelung gepocht hatte und worauf aus dem Adressatenkreis umgehend und dezidiert reagiert wurde.
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Erwägung 6.2.3 | |
6.2.3.1 Am Gesagten ändert nichts Grundsätzliches, dass es von der Sache her um Kosten gehen mag, die an sich das auf Verwaltungsstufe ablaufende sozialversicherungsrechtliche Abklärungsverfahren beschlagen. Denn genau besehen finden diese Kosten lediglich ihren Entstehungsgrund im Abklärungsverfahren, sei es in einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes, sei es, dass die Verwaltung die Richtlinien zum Beweiswert von Administrativgutachten oder versicherungsinternen medizinischen Abklärungen verkannt hat. Das entsprechende Versäumnis wird im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch gerichtliche Anordnung eines Gutachtens behoben. Bei den betreffenden Kosten handelt es sich demnach aus rechtlicher Sicht um solche für gerichtliche Beweisvorkehren - ihrerseits Ausfluss genuiner richterlicher Tätigkeit (vgl. Art. 61 lit. c ATSG und die darin verankerte gerichtliche Abklärungspflicht) -, mithin um Gerichtskosten. Dass die zugrunde liegende Beweismassnahme gleichsam als Surrogat für Abklärungsmassnahmen zu dienen hat, die an sich der Verwaltung oblegen hätten, steht dieser rechtlichen Qualifikation nicht entgegen. Würde dies als Rechtfertigung schon genügen, liesse sich auch erwägen, dass die Vergabe von polydisziplinären Gerichtsgutachten genau wie diejenige von Administrativgutachten im Sinne von Art. 72bis Abs. 2 IVV über die Plattform SuisseMED@P zufallsbasiert zu erfolgen hätte. Eine derartige Einschränkung des richterlichen Ermessens hat das Bundesgericht bislang nicht angepeilt, und sie wäre ohne spezifische Gesetzesgrundlage auch nicht zu halten. Anderseits hat die Rechtsprechung auch keinen Anlass gesehen, die Geltung des vertraglichen Tarifs auf Gutachterstellen auszudehnen, mit denen kein entsprechender Vertrag besteht (vgl. zu beidem: Urteil 8C_442/2016 vom 23. November 2016 und E. 3.5 hiervor).
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6.2.3.2 Das Bundesgericht hat mit der hier diskutierten Rechtsprechung verschiedentlich hervorgehoben, es sei nicht einzusehen, weshalb für ein Gerichtsgutachten höhere Kosten anfallen sollten als für ein Administrativgutachten. Diese Argumentation vermag nicht restlos zu überzeugen. Nach den Richtlinien zur Beweiswürdigung weicht das Gericht praxisgemäss nicht ohne zwingende Gründe von Gerichtsgutachten ab (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f.; BGE 125 V 351 E. 3b/aa S. 352 f.). Damit messen die Richtlinien, die es wesensgemäss stets unter Vorbehalt abweichender Ergebnisse im Rahmen fallweiser pflichtgemässer Beweiswürdigung zu verstehen gilt, den Gerichtsgutachten höheren Beweiswert zu als den Administrativgutachten (vgl. BGE 125 V 351 E. 3b/aa+bb S. 352 f.). Das findet sich im Wesentlichen im Umstand angelegt, dass der Administrativgutachter anders als der gerichtliche Sachverständige nicht der Strafdrohung (vgl. Art. 307 und 309 lit. a StGB) untersteht (vgl. DELNON/RÜDY, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 309 StGB; MEYER-BLASER, Gutachten, a.a.O., S. 99; derselbe, Rechtliche Vorgaben, a.a.O., S. 22). Das kann sich auch in der aufzuwendenden Sorgfalt und damit im Arbeitsaufwand niederschlagen. Weit gewichtiger scheint hingegen der Umstand, dass sich in einem Gerichtsverfahren für die Gutachtenden erfahrungsgemäss in aller Regel komplexere Fragen stellen und insbesondere weit umfangreichere Akten zu bewältigen sind als auf Stufe Verwaltungsverfahren; meistens liegen zudem in dieser Verfahrensphase bereits gutachterliche Stellungnahmen vor, die ihrerseits gerade Anlass zum Gerichtsgutachten geben und die in diesem besonders einlässlich zu verarbeiten sind. Damit erfüllt das Gerichtsgutachten tatsächlich regelmässig die Funktion eines eigentlichen Obergutachtens. Obwohl die bestehenden Pauschalbeträge (vgl. den Tarif in Anhang 2 zur Vereinbarung) auf Stufe Verwaltungsverfahren mit einem entsprechenden "Mix" aus einfacheren und komplexeren Fällen insgesamt kostendeckend sein mögen, lässt sich Gleiches für das gerichtliche Beschwerdeverfahren nicht ohne Weiteres sagen.
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6.2.3.3 Anderseits hat die bestehende Rechtsprechung mit ihrer zwingenden Vorgabe des bestehenden Tarifvertrages zur Folge, dass die daran gebundenen MEDAS zur Erstattung von Gerichtsgutachten gar nicht mehr Hand bieten. Damit kommen den Beschwerdeinstanzen ausgerechnet jene Gutachterstellen abhanden, die nicht nur zur Abklärung der sich stellenden Fragen fachlich besonders berufen und in versicherungsmedizinischer Hinsicht erfahren, sondern auch organisatorisch am ehesten in der Lage wären, das Abklärungsergebnis binnen nützlicher Frist zu liefern. Um dem entgegenzuwirken, bleibt den Beschwerdeinstanzen nichts anderes übrig, als sich bei den Vergaben von "Aufträgen" für Gerichtsgutachten gleichwohl auf Tarife einzulassen, die diejenigen des BSV übersteigen. Vereinzelte Gerichte haben denn auch bereits von sich aus entsprechende Tarifvereinbarungen mit einzelnen MEDAS abgeschlossen. Dies widerspricht der im Urteil 9C_541/2016 vom 26. Januar 2017 (vgl. E. 3.6 hiervor) geäusserten Auffassung des Bundesgerichts, den bestehenden Tarif als eigentliche Obergrenze zu verstehen.
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Erwägung 7 | |
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7.2 Das führt dazu, dass nach wie vor keine bundesrechtlichen Vorgaben an die kantonalen Versicherungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht bestehen, an welche Stellen sie polydisziplinäre Gerichtsgutachten zu vergeben haben. In Aufgabe der hiervor einlässlich erörterten Rechtsprechung sind die genannten Instanzen auch nicht an den Tarif gemäss Anhang 2 der Vereinbarung gebunden. Das bedeutet, dass die IV-Stellen im Rahmen der mit BGE 139 V 496 umschriebenen (und mit BGE 140 V 70 bestätigten) Grundsätze (vgl. E. 3.3 hiervor) gestützt auf Art. 45 Abs. 1 Satz 2 ATSG für die gesamten Kosten des Gerichtsgutachtens aufzukommen haben. Abzulehnen ist insbesondere eine Lösung, die die Kantone im Umfang der den Tarif überschiessenden Kosten in die Pflicht nähme. Denn damit würde die mit BGE 137 V 210 aus Gründen der Verfahrensfairness angestrebte Zielsetzung, in vermehrtem Masse Gerichtsgutachten zu veranlassen, geradewegs unterlaufen, indem es bei festgestellten Abklärungs- oder Beweiswertmängeln wieder vermehrt zu Rückweisungen käme.
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7.3 Dies alles hat nicht einfach zur Folge, dass die bestehende Tarifordnung für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren geradezu belanglos wäre. Gerichtsgutachten werden in der Regel auf vertraglicher Grundlage vergeben, wobei grundsätzlich von einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis auszugehen ist (offengelassen in Pra 1990 Nr. 70 S. 239 ff.; vgl. aber MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, 1997, N. 29 zu Art. 19 VRPG/BE). Teil dieses Vertrages bildet notwendigerweise die Regelung der Abgeltung der vom Sachverständigen ("nach bestem Wissen und Gewissen") zu erbringenden Leistung. In dieser Hinsicht kann der vom BSV mit den MEDAS vereinbarte Tarif immerhin als Richtschnur dienen, an der sich die Beteiligten zu orientieren haben, gleichsam wie eine Weisung oder Verordnung der Verwaltung, die für das Gericht nicht bindend, aber doch zu berücksichtigen ist, sofern sie eine dem Fall angepasste Lösung zulässt (vgl. BGE 141 III 401 E. 4.2.2 S. 404 f. mit Hinweisen). Das bedeutet, dass die Gründe darzulegen wären, weshalb im konkreten Fall die im betreffenden Tarif vorgesehenen Pauschalen nicht genügen und dass sicher auch nicht ohne Weiteres auf Tarmed Kategorie D ("Gutachten mit überdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad") oder gar E ("ausserordentlich schwierige Fälle") zurückgegriffen werden kann (vgl. dazu das IV-Rundschreiben Nr. 202 des BSV vom 11. Juni 2004). Darüber hinaus versteht sich, namentlich mit Blick auf den zu Befürchtungen Anlass gebenden Kostendruck, dass das Bundesgericht im Einzelfall nicht nur im Lichte der bekannten Kriterien überprüfen wird, ob die Kosten eines polydisziplinären Gerichtsgutachtens der Verwaltung überbunden werden dürfen. Vielmehr wird es sich auch der Höhe der Kosten annehmen und insofern jedenfalls dann einschreiten, wenn diese in sachlich unvertretbarer Weise, mithin willkürlich bemessen sind (vgl. die Rechtsprechung zur Bemessung der Parteientschädigung: SVR 2006 ALV Nr. 15 S. 51, C 223/05 E. 4.2). Darüber hinaus ergeht die Empfehlung, entweder die erforderliche Gesetzesgrundlage zu schaffen oder aber wenigstens den bestehenden Tarif unter repräsentativem Einbezug der erstinstanzlichen Beschwerdeinstanzen an die Besonderheiten des Gerichtsverfahrens anzupassen. Dabei wäre insbesondere der Frage vertiefend nachzugehen, ob nicht auch in diesem spezifischen Geltungsbereich (anzupassende und zusätzlich auszudifferenzierende) Pauschalen Verwendung finden könnten, was jedenfalls nicht von vornherein ausser Betracht fallen muss.
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8. Nach dem Erwogenen verletzt der angefochtene Gerichtsentscheid kein Bundesrecht, indem er der Beschwerde führenden IV-Stelle die gesamten Kosten des Gerichtsgutachtens auferlegt hat. Dass die Kostenauflage in grundsätzlicher Hinsicht nicht rechtens wäre, wird beschwerdeweise nicht vorgebracht und lässt sich auch nicht ohne Weiteres ersehen. Ebenso wenig wird geltend gemacht, dass die Höhe der Kosten mit Blick auf den von der Sache her gebotenen Abklärungsaufwand offensichtlich unhaltbar wäre. (...)
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