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33. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. SWICA Krankenversicherung AG gegen IV-Stelle Basel-Landschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_176/2017 vom 18. August 2017 | |
Regeste |
Art. 48 Abs. 2 IVG; Art. 70 Abs. 2 lit. a ATSG; verspätete Anmeldung; Nachzahlungsanspruch der vorleistenden Krankenkasse. |
Massgeblich für den Beginn der zwölfmonatigen Frist gemäss Art. 48 Abs. 2 lit. a IVG ist allein der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch die betroffene Krankenkasse selber; das frühere Wissen des Versicherten bzw. seiner Eltern kann ihr nicht entgegengehalten werden (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde der SWICA wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 3. Februar 2017 ab.
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C. Die SWICA beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihr die erbrachten Vorleistungen von Fr. 8'506.05 zurückzuerstatten. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
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3.2 Nach Art. 71 ATSG erbringt der vorleistungspflichtige Versicherungsträger die Leistungen nach den für ihn geltenden Bestimmungen. Wird der Fall von einem anderen Träger übernommen, so hat dieser die Vorleistungen im Rahmen seiner Leistungspflicht zurückzuerstatten. Ist somit gestützt auf Art. 70 ATSG die Vorleistungspflicht bestimmt worden, richtet sich in der Folge die Leistungspflicht nach ![]() | 7 |
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"Die Leistung wird für einen längeren Zeitraum nachgezahlt, wenn die versicherte Person:
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a. den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte; und
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b. den Anspruch spätestens zwölf Monate, nachdem sie davon Kenntnis erhalten hat, geltend macht."
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4.4 Das kantonale Gericht hat dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin erst mit Rechnungseingang am 3. Februar 2014 von der Operation des Versicherten im Dezember 2012 erfuhr, keine Bedeutung beigemessen. Vielmehr hat es darauf abgestellt, dass die Eltern des A.A. schon seit dessen Geburt vom Behandlungsbedarf betreffend das Geburtsgebrechen Ziff. 352 des Anhangs zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV; SR 831.232.21) gewusst hätten, und dieses Wissen der vorleistenden Krankenkasse ![]() | 15 |
Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, das selbstständige Anmelderecht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung mache nur Sinn, wenn diese die Leistungen ab eigener Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts geltend machen könne. Es komme oft vor, dass die berechtigten Eltern die rechtzeitige Anmeldung verpassten, sodass die Kasse den Leistungsanspruch im Eigeninteresse einfordere. In dieser Konstellation sei die zwölfmonatige Frist, seitdem die Eltern über den anspruchsbegründenden Sachverhalt orientiert gewesen seien, meistens bereits verstrichen, während der betroffene Krankenpflegeversicherer davon noch nichts wisse. Daher müsse Art. 48 Abs. 2 IVG, obschon die Bestimmung nur die versicherte Person erwähne, analog auch für die vorleistende Krankenkasse gelten.
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Erwägung 5 | |
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Erwägung 5.3 | |
5.3.1 Aus entstehungsgeschichtlicher Warte kommt in den Materialien (Botschaft vom 27. Februar 1967 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die ![]() | 19 |
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5.3.3 Beschränkte der Bundesrat den Nachzahlungsanspruch der versicherten Person auf ein Jahr vor der Geltendmachung, fehlen entsprechende Hinweise in Bezug auf die Nachzahlungspflicht der Invalidenversicherung gegenüber der vorleistenden Krankenkasse. Dies rührt daher, dass die Krankenpflegeversicherer - wie soeben dargelegt (E. 5.3.1) - in erster Linie zur uneingeschränkten Vorleistung verpflichtet werden sollten, um die Kostendeckung der ![]() | 21 |
Erwägung 5.4 | |
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5.4.2 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (nachfolgend: EGMR) befasste sich mit der Fristwahrung bzw. -wiederherstellung im Zusammenhang mit der Haftung für Körperschäden, ![]() | 23 |
5.5 Der Zweck des Art. 48 Abs. 2 IVG liegt darin, einem unverschuldeten Rechtsverlust vorzubeugen. Ein solcher läge jedoch vor, wenn der vorleistenden Krankenkasse nicht der eigene Kenntnisstand, sondern derjenige der versicherten Person bzw. ihrer Eltern als gesetzliche Vertreter entgegengehalten werden könnte. Die Vorinstanz verkennt, dass die Invalidenversicherung auf diese Weise oft dem Nachzahlungsanspruch der Krankenkassen entginge. Dem steht vorliegend schon entgegen, dass die Beschwerdeführerin an der verspäteten Kenntnisnahme kein Verschulden trifft: Inwieweit sie vom anspruchsbegründenden Sachverhalt wusste oder hätte wissen müssen, legt das kantonale Gericht nicht dar. Im Zusammenhang mit der Vorleistungspflicht kann überdies weder von einer ![]() | 24 |
6. Zusammengefasst ist insoweit vom Wortlaut des Art. 48 Abs. 2 IVG abzuweichen, als eine über zwölf Monate zurückreichende Nachzahlungspflicht der Invalidenversicherung nicht nur zu Gunsten der versicherten Person, sondern analog auch gegenüber dem vorleistenden Krankenpflegeversicherer besteht. Für die Fristwahrung kommt es auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch die vorleistende Krankenkasse selber an. Wenn die Vorinstanz erwogen hat, nach dem Wortlaut des Art. 48 Abs. 2 lit. a IVG gehe es allein um die Kenntnis der versicherten Person bzw. um diejenige ihrer gesetzlichen Vertreter, bedient sie sich einzig der grammatikalischen Gesetzesauslegung, was zu kurz greift (zum vom Bundesgericht befolgten pragmatischen Methodenpluralismus vgl. statt vieler: BGE 142 V 488 E. 6.3.1 S. 495). Die Beschwerdeführerin wusste unstreitig erst mit Rechnungseingang am 3. Februar 2014 vom anspruchsbegründenden Sachverhalt (vgl. E. 4.3). Da sie ihren Nachzahlungsanspruch in der Folge fristgerecht innert eines Jahres (vgl. Art. 48 Abs. 2 lit. b IVG) geltend machte, ist bezüglich der Operation des ![]() | 25 |
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