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3. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Bundesamt für Gesundheit (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_796/2016 vom 22. Dezember 2017 | |
Regeste |
Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV (in der von 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2015 in Kraft gestandenen Fassung); dreijährliche Überprüfung der Bedingungen für die Aufnahme in die Spezialitätenliste; massgebender Preisabstand bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Generika von Originalpräparaten mit geringem Marktvolumen. | |
Sachverhalt | |
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B. Eine hiergegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung eines dreifachen Schriftenwechsels mit Entscheid vom 25. Oktober 2016 ab.
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C. Die A. AG führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt im Wesentlichen, der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2016 sei aufzuheben, und die Preise von B.® Nasenspray und B.® Tabletten seien gemäss Berechnungsmethode des BAG, aber mit einem Senkungssatz von 10 % zu senken. Eventualiter sei die Streitsache an die Vorinstanz oder das BAG zum Erlass einer neuen Verfügung zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt sie, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
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Der Beschwerdegegner trägt auf Abweisung der Beschwerde an.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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Auszugsweise wiederzugeben sind die in concreto relevanten Bestimmungen der KVV und KLV zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Generika bei der Aufnahme in die SL und im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen. Diese lauten wie folgt:
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Art. 65c KVV
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Beurteilung der Wirtschaftlichkeit bei Generika
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1 Bei Generika werden für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit die geringeren Kosten für die Entwicklung im Vergleich zum Originalpräparat berücksichtigt.
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a) mindestens 10 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr 4 Millionen Franken nicht übersteigt;
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b) mindestens 20 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr zwischen 4 Millionen und 8 Millionen Franken liegt;
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c) mindestens 40 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr zwischen 8 Millionen und 16 Millionen Franken liegt;
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d) mindestens 50 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr zwischen 16 Millionen und 25 Millionen Franken liegt;
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e) mindestens 60 Prozent tiefer ist, sofern das Schweizer Marktvolumen des Originalpräparates und von dessen Co-Marketing-Arzneimittel während vier Jahren vor Patentablauf im Durchschnitt pro Jahr 25 Millionen Franken übersteigt.
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[Es folgen die hier nicht massgebenden Abs. 3-5]
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Art. 35b KLV
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Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre
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1 Das BAG führt die Überprüfung der Fabrikabgabepreise der Originalpräparate nach Artikel 65d Absatz 1 KVV einmal pro Kalenderjahr durch. Es überprüft dabei jeweils die Fabrikabgabepreise derjenigen Originalpräparate, die in absteigender Reihenfolge bis zum Jahr 1955 im Abstand von drei Jahren in die Spezialitätenliste aufgenommen wurden.
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[...]
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10 Im Zuge der Überprüfung nach Absatz 1 gelten Generika als wirtschaftlich, wenn ihre Fabrikabgabepreise mindestens um die folgenden Prozentsätze tiefer sind als die am 1. April des Überprüfungsjahres gültigen durchschnittlichen Fabrikabgabepreise der entsprechenden Originalpräparate im Ausland:
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a) 10 Prozent, sofern ihre Fabrikabgabepreise bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste die Voraussetzungen nach Artikel 65c Absatz 2 Buchstabe a KVV erfüllten;
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b) 20 Prozent in allen anderen Fällen.
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Im Streit liegt, ob die Fabrikabgabepreise der Generika B.® Nasenspray und B.® Tabletten bei der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen mindestens 10 % oder aber mindestens 20 % tiefer sein müssen als die am 1. April des Überprüfungsjahres (hier: 2013) gültigen durchschnittlichen Fabrikabgabepreise der Originalpräparate C.® Nasenspray und C.® Tabletten im Ausland, um als wirtschaftlich zu gelten. Dies entscheidet sich danach, ob Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV auf B.® Nasenspray und B.® Tabletten zur Anwendung gelangt, was von der Beschwerdeführerin bejaht, von Verwaltung und Vorinstanz indes verneint wird. Dies ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht ohne Einschränkung der Kognition frei zu prüfen ist (Art. 95 lit. a BGG).
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4. Das Bundesverwaltungsgericht erwog, das Textverständnis der Verwaltung, wonach sich Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV nur auf Generika beziehe, deren Aufnahme in die SL nach Inkrafttreten des Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV (SR 832.102) am 1. Januar 2012 stattgefunden habe, sei nachvollziehbar. Indes räume das BAG ein, dass Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV zu wenig präzise formuliert sei, da er seinen Anwendungsbereich nicht ausdrücklich festhalte. Vor diesem Hintergrund erscheine auch der Standpunkt der Beschwerdeführerin aufgrund der grammatikalischen Interpretation als vertretbar. Mithin könne der Wortlaut der Bestimmung auf beide Weisen verstanden werden. Zur Ermittlung von Sinn und Zweck der Verordnungsnorm berücksichtigte die Vorinstanz Ziff. III 2.4 der Publikation "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" des BAG vom 8. Mai 2013 zu den vorgesehenen Änderungen der KVV und der KLV per 1. Juni 2013 und 1. Januar 2014 sowie Ziff. E.1.13 des vom BAG herausgegebenen Handbuchs betreffend die Spezialitätenliste (SL) vom 1. September 2011 (Stand: 1. März 2013; beide Dokumente abrufbar unter www.bag.admin.ch). Sie gelangte zum Schluss, aus diesen Dokumenten gehe der Wille des Verordnungsgebers klar hervor. Dieser habe - nachdem per 1. Januar 2012 neu eine Preisdifferenz von 10 % für Generika mit geringerem Marktvolumen eingeführt worden sei - ![]() | 27 |
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Erwägung 6.2 | |
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Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, lässt die von ihr ins Feld geführte, undatierte Publikation "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" des BAG zu den vorgesehenen Änderungen der KVV und der KLV per 1. Juni 2015 (abrufbar unter www.bag.admin.ch) gewisse Rückschlüsse auf die hier zu beantwortende Rechtsfrage zu: Unter Ziff. III 2.11 zum Art. 34g KLV wird zum einen festgehalten, Abs. 1 (von Art. 34g KLV) entspreche grundsätzlich Art. 35b Abs. 10 KLV. Zum anderen wird erläutert, mit dem Preisabstand von 10 % werde der "Versorgungssituation bei umsatzschwachen Arzneimitteln Rechnung getragen". Die Erläuterung, Art. 34g Abs. 1 entspreche grundsätzlich dem bisherigen Art. 35b Abs. 10 KLV, ist deshalb von Interesse, da Art. 34g Abs. 1 unbestrittenermassen auf sämtliche "umsatzschwachen" Generika zur Anwendung gelangt, unbesehen vom Zeitpunkt der Aufnahme in die SL. Der Umstand, dass der Kommentar - abgesehen von technischen Fragen - keine Änderung zum bisherigen Recht aufführt, sondern die grundsätzliche Übereinstimmung mit Art. 35b Abs. 10 KLV hervorhebt, deutet darauf hin, bereits unter der Geltung von Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV sei der Zeitpunkt der SL-Aufnahme kein Kriterium für die Anwendbarkeit ![]() | 32 |
6.2.3 Aus der systematischen Auslegung, wobei der Bezug zwischen Art. 35b Abs. 10 KLV zu Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV zentral sei und hierbei der beabsichtigte Anreiz zur Einführung von Generika im umsatzschwachen Arzneimittelsegment, leitete das Bundesverwaltungsgericht ab, diese spreche eher für das Normverständnis der Verwaltung. Diese Argumentation greift zu kurz. Es trifft zwar zu und ist unbestritten, dass die Schaffung des geringeren Preisabstands von 10 % gemäss Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV die Neulancierung von Generika im Bereich der umsatzschwachen Arzneimittel bezweckte. Dass bereits bestehende Generika von dieser (Aufnahme-)Regelung nicht erfasst sind und daher keine Preiserhöhung geltend machen können, liegt auf der Hand. Doch geht es bei der hier massgebenden Bestimmung nicht bloss um eine Art "Anschubfinanzierung" in Form eines befristeten Preiszuschlags von 10 %, die eine ausschliesslich auf neu zugelassene Generika bezogene Privilegierung zu rechtfertigen vermöchte. Vielmehr bezweckt Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV mit der Beibehaltung des privilegierten Preisabstands im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen den langfristigen Verbleib umsatzschwacher Generika auf der SL. ![]() | 33 |
Die systematische Auslegung unter dem Blickwinkel des in Art. 43 Abs. 6 KVG statuierten Sparsamkeitsgebots führt zu keinem anderen Ergebnis. Mit der Vorinstanz führt die Gewährung des Preisabstands von mindestens 10 % gemäss Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV auch für die vor dem 1. Januar 2012 in die SL aufgenommenen Generika - jedenfalls sofern die Möglichkeit des Wegfalls umsatzschwacher Generika ausgeblendet wird, wodurch die Medikamentenkosten ebenfalls stiegen - zu höheren Preisen und einer insgesamt teureren Gesundheitsversorgung, was der Intention von Art. 43 Abs. 6 KVG widerspricht. Mit der Argumentation der möglichst tiefen Kosten liesse sich jedoch auch die Beibehaltung des Preisabstands für die unter der Geltung von Art. 65c Abs. 2 lit. a KVV in die SL aufgenommenen Generika nicht rechtfertigen. Nimmt man die Befürchtung des Verordnungsgebers ernst, Generika mit geringem Marktvolumen könnten mangels Rentabilität vom Markt genommen werden, womit letztlich nur noch (teurere) Originalpräparate zur Verfügung stünden, muss dem Interesse am Verbleiben auf der SL höheres Gewicht beigemessen werden als demjenigen an einem möglichst günstigen Preis.
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6.3 Zusammenfassend ergibt die sprachlich-grammatikalische, systematische und zweckgerichtete Auslegung von Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV, dass diese Bestimmung auch für jene Generika zur Anwendung gelangt, die vor dem 1. Januar 2012 in die SL aufgenommen worden sind. Der anderslautende Schluss der Vorinstanz ist bundesrechtswidrig.
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