![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
19. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Solothurn (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_440/2017 vom 25. Juni 2018 | |
Regeste |
Art. 61 lit. d ATSG; reformatio in peius im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B. Die dagegen gerichtete Beschwerde, mit welcher zur Hauptsache eine Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit mit Prüfung sämtlicher möglicher Massnahmen beruflicher Art für eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt, eventuell die Zusprache höherer und nicht befristeter Rentenansprüche, beantragt worden waren, wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 16. Mai 2017 ab. Zudem hob es die Verfügung vom 15. Januar 2015 - nach vorangegangener Androhung einer Schlechterstellung (reformatio in peius) mit Einräumung einer Möglichkeit zum Beschwerderückzug, von welcher der Versicherte jedoch keinen Gebrauch machen wollte - auch in dem Sinne auf, als es den Anspruch auf eine vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2014 befristete Rente verneinte.
| 2 |
![]() | 3 |
Die IV-Stelle sieht von einer Stellungnahme zur Sache ab, während das kantonale Gericht unter Hinweis auf seinen Entscheid vom 16. Mai 2017 auf Abweisung der Beschwerde schliesst. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
| 4 |
Das Bundesgericht tritt auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ein und weist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab.
| 5 |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 4 | |
Erwägung 4.1 | |
6 | |
7 | |
Erwägung 4.2 | |
4.2.1 Eine andere Frage ist es, unter welchen materiellen Voraussetzungen eine Schlechterstellung der am Recht stehenden Partei zulässig ist. In BGE 142 V 337 E. 3.1 S. 339 hat sich das Bundesgericht ![]() ![]() | 8 |
4.2.2 Da das kantonale Sozialversicherungsgericht nicht an die Parteibegehren gebunden ist, kann es über die Anträge der Beschwerde führenden Partei hinausgehen und mehr oder weniger zusprechen, als diese beantragt hat. Das Bundesgericht hat mehrfach betont, dass mit dieser in Satz 1 von Art. 61 lit. d ATSG statuierten fehlenden Bindung an die Parteibegehren die Verwirklichung des objektiven Rechts über das subjektive Rechtsschutzinteresse gestellt wird (BGE 138 V 339 E. 2.3.2.2 S. 342; BGE 137 V 314 E. 3.2.2 S. 319). Dementsprechend gelten im Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht das Gebot der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 110 BGG; BGE 122 V 34 E. 2b S. 36; Urteil I 317/06 vom 23. Oktober 2007 E. 3, in: SVR 2008 IV Nr. 26 S. 79) und der Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 137 V 314 E. 3.2.2 S. 319). Dem kantonalen Gericht wird durch diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers ermöglicht, das geltende Recht auf den massgebenden Sachverhalt anzuwenden, ohne dabei an die Begehren der versicherten Person gebunden zu sein (BGE 143 V 295 E. 4.1.5). Dies wirft die Frage auf, ob dem Gericht damit bei der Abwägung der bestehenden Interessen ein Spielraum verbleibt, bei einer festgestellten Rechtsfehlerhaftigkeit eines angefochtenen Entscheids eine Schlechterstellung vorzunehmen oder nicht. Hinsichtlich der grundsätzlich gesetzgeberisch gewollten Priorisierung des objektiven Rechts liesse sich vertreten, dass das kantonale Gericht - trotz des Wortlautes der Bestimmung im Sinne einer "Kann-Vorschrift" - zumindest dann kein Entschliessungsermessen hat, wenn die Rechtslage eindeutig und die Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Entscheids klar ausgewiesen ist. In dieser Konstellation könnte die Befugnis einer reformatio in peius vielmehr als eine Pflicht hierzu verstanden werden, um gesetzmässige Zustände herzustellen (vgl. Urteil 9C_821/2014 vom 29. Januar 2014 E. 5.1). Bezogen auf den Anwendungsbereich des Art. 62 VwVG wird in der Literatur dementsprechend die Ansicht vertreten, dass spätestens zu diesem Verfahrenszeitpunkt bei einer festgestellten Bundesrechtsverletzung dem objektiven Recht zum Durchbruch zu verhelfen sei und daher dem Sinn der Vorschrift entsprechend der Beschwerdeinstanz keine Wahl bleibe (ULRICH ZIMMERLI, Zur reformatio in peius vel melius, in: Festschrift Henri ![]() | 9 |
10 | |
4.2.4 Will Art. 61 lit. d ATSG auf Stufe kantonaler Sozialversicherungsgerichtsverfahren die Verwirklichung des materiellen Rechts über das individuelle Rechtsschutzinteresse stellen, ist dies dem Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV) und dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 BV) geschuldet. Sofern reformatorisch entschieden werden kann und die Sache nicht wegen anderer Mängel zurückgewiesen werden muss, ist das kantonale Sozialversicherungsgericht bei Feststellung einer Rechtsverletzung verpflichtet, eine reformatio in peius ins Auge zu fassen. Ob eine solche tatsächlich zu erfolgen hat, da das objektive Recht durchgesetzt werden soll, oder ob im Einzelfall das subjektive Rechtsschutzinteresse überwiegt, verbleibt im Rahmen dieses Spannungsverhältnisses der Überprüfung durch das kantonale Gericht. Die Schlechterstellung im kantonalen Beschwerdeverfahren aber mit Voraussetzungen zu verknüpfen, wie sie in BGE 142 V 337 E. 3.1 formuliert wurden, verträgt sich nicht mit der im kantonalen Beschwerdeverfahren nach Art. 61 lit. d ATSG geltenden Offizialmaxime. Überdies beziehen sich die Voraussetzungen ![]() | 11 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |