BGE 145 V 231 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
22. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_660/2018 vom 7. Mai 2019 | |
Regeste |
Art. 6 Abs. 2 IVG; Art. 2 und 8 sowie Anhang II des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit; Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern; Art. 2 Abs. 1, Art. 4 und Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit; persönlicher Geltungsbereich; Leistungsexport. |
Die Ehefrau eines in Deutschland wohnhaften Schweizers, der im EU-Raum einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, fällt als Familienangehörige - ungeachtet ihrer eigenen Drittstaatsangehörigkeit - in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 883/2004 (E. 7.2 und 10.1). Sie kann sich hinsichtlich des Anspruchs auf eine Invalidenrente der Eidgenössischen Invalidenversicherung auf die Grundsätze der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 resp. Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004; E. 10.1) sowie des Leistungsexports (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 resp. Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004; E. 10.2) berufen. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.a Die am 27. April 1959 geborene A. ist indische Staatsangehörige und reiste im Jahr 1992 in die Schweiz ein, wo sie bis zu ihrer Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2009 arbeitete, zuletzt teilzeitlich als Haushaltshilfe/Raumpflegerin bei der B. AG. Seit Februar 2002 ist sie mit einem Schweizer verheiratet. Am 12. Februar 2010 meldete sie sich bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärung der gesundheitlichen und beruflich-erwerblichen Verhältnisse sowie Vornahme einer Haushaltsabklärung in der Wohnung in X. (D) kündigte die IV-Stelle Basel-Stadt vorbescheidweise die Ausrichtung einer halben Rente mit Wirkung ab 1. August 2010 an. Nachdem A. dagegen Einwände erhoben hatte, nahmen die IV-Organe eine erneute Überprüfung vor. Sie gelangten gestützt darauf zum Ergebnis, dass mangels Wohnsitzes in der Schweiz die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausrichtung der Invalidenrente nicht erfüllt seien. Mit Verfügung vom 28. Juni 2012 bestätigte die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA) die Ablehnung des Leistungsbegehrens. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 25. August 2014 ab. Das daraufhin angerufene Bundesgericht hiess die Beschwerde mit Urteil 8C_713/2014 teilweise gut und wies die Sache zur korrekten Feststellung des Sachverhalts und zu neuer Verfügung an die IVSTA zurück.
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A.b Die IVSTA tätigte in der Folge Abklärungen bei der Stadtverwaltung X. (D), beim Finanzamt Y. (D) sowie bei der Gemeindeverwaltung Z. (CH). Gestützt auf die Auskünfte dieser Behörden kündigte sie A. erneut die Abweisung ihres Leistungsbegehrens an, da sie in der Schweiz keinen Wohnsitz habe. Daran hielt sie mit Verfügung vom 21. Juli 2017 fest.
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B. Das Bundesverwaltungsgericht wies die hiergegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 21. August 2018 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die IVSTA zu verpflichten, ihr eine Invalidenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu leisten. Zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
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Die IVSTA schliesst unter Verweis auf die Ausführungen der IV-Stelle Basel-Stadt auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) beantragt ebenfalls, die Beschwerde sei abzuweisen.
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Mit Eingabe vom 8. April 2019 lässt A. zu den Vernehmlassungen Stellung nehmen.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Streitig ist, ob die Vorinstanz zu Recht in Bestätigung der Verfügung der IVSTA vom 21. Juli 2017 einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Rente der Eidgenössischen Invalidenversicherung wegen Nichterfüllens der versicherungsmässigen Voraussetzungen verneinte. Zu prüfen ist dabei zunächst, ob die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz im massgeblichen Zeitraum in der Schweiz hatte. Bei fehlendem Wohnsitz in der Schweiz stellt sich weiter die Frage, ob die Beschwerdeführerin aus dem Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) und den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen Leistungen der Invalidenversicherung verlangen kann.
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4. Das Bundesverwaltungsgericht kam nach einlässlicher Würdigung der Beweise, einschliesslich der Ergebnisse der von der Beschwerdegegnerin im Nachgang zum Urteil des Bundesgerichts 8C_713/2014 vom 4. Mai 2015 getätigten Abklärungen sowie der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren neu eingereichten Unterlagen, zum Schluss, dass die IVSTA zu Recht davon ausgegangen sei, der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin befinde sich seit 2003 in Deutschland. Der zentrale Lebensmittelpunkt habe sich in den relevanten Jahren nicht von Deutschland zurück in die Schweiz verlagert. Von einer Befragung des Ehemannes könne angesichts der Aktenlage abgesehen werden. Die Vorinstanz berücksichtigte namentlich, dass die Beschwerdeführerin in Deutschland mietfrei in einer 3.5-Zimmerwohnung wohnte, sie über eine Grenzgängerbewilligung in der Schweiz verfügte und sie im Jahre 2009 in Z. (CH) lediglich ein Zimmer mietete (in Untermiete). Dies spreche für das Vorliegen eines Wochenaufenthaltes in der Schweiz, was im Einklang stehe mit den Angaben in der IV-Anmeldung vom 12. Februar 2010, worin als gesetzlicher Wohnsitz die Anschrift in Deutschland und als aktueller Aufenthaltsort die Anschrift in der Schweiz genannt worden seien. Ausserdem sei die Beschwerdeführerin in der Schweiz nie steuerpflichtig gewesen. Der behauptete Lebensmittelpunkt in der Schweiz lasse sich sodann nicht vereinbaren mit den konkreten Angaben der Beschwerdeführerin anlässlich der Haushaltsabklärung zur Pflege der ehelichen Gemeinschaft in Deutschland und der damit verbundenen konkret geschilderten Aufgabenteilung mit ihrem Ehemann in der ehelichen Wohnung. Weiter hielt die Vorinstanz fest, der Ehemann der Beschwerdeführerin sei einzig von April 2011 bis November 2013 nicht in Deutschland gemeldet gewesen. Die möglichen Hinweise auf einen dauerhaften Wohnsitz des Ehemannes in den USA gemäss Urteil des Bundesgerichts 8C_713/2014 vom 4. Mai 2015 hätten durch die zusätzlich eingereichten Dokumente der Beschwerdeführerin aber nicht erhärtet werden können. Zwar hätten die Abklärungen ergeben, dass sich der Ehemann am 11. April 2011 nach unbekannt (USA) abgemeldet und am 20. November 2013 wieder in X. (D) angemeldet habe. Ob er aber zwischenzeitlich ausserhalb von Deutschland einen neuen Wohnsitz begründet habe, lasse sich aus den eingereichten Bestätigungen nicht entnehmen.
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Erwägung 5 | |
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5.2 Mit diesen Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Entscheids aufzuzeigen. Wenn das Bundesverwaltungsgericht nach eingehender Beweiswürdigung zum Schluss gelangte, die Beschwerdeführerin habe ihren Wohnsitz seit 2003 in Deutschland, so ist dies nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz legte ausführlich dar, weshalb sie aufgrund der gesamten Umstände - und nicht allein unter Verweis auf den Wohnsitz des Ehemannes in Deutschland - auf einen Wohnsitz der Beschwerdeführerin in Deutschland schloss. Die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Sachverhaltsfeststellungen werden von der Beschwerdeführerin nicht entscheidend in Frage gestellt. Soweit die Beschwerdeführerin etwa geltend macht, ihr Ehemann habe sich per 11. April 2011 von seinem Wohnsitz in Deutschland abgemeldet und als nachfolgende Adresse die USA genannt, weshalb seither kein Anknüpfungspunkt mehr zu Deutschland bestehe, lässt sie eine Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Erwägungen vermissen. Die Vorinstanz hielt unter anderem fest, dass die Angaben der Beschwerdeführerin, wonach ihr Ehemann immer unterwegs sein soll, mit Blick auf die anlässlich der Haushaltsabklärung geschilderte Aufgabenteilung in der ehelichen Wohnung nicht überzeugen würden. Ausserdem hätten sich die Hinweise auf einen dauerhaften Wohnsitz des Ehemannes in den USA durch die zusätzlich eingereichten Dokumente nicht erhärtet. Insgesamt vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun, inwiefern der Schluss der Vorinstanz auf einen Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin in Deutschland im Ergebnis offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig sein soll.
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Erwägung 6.3 | |
6.3.1 Gemäss Art. 2 FZA dürfen die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, bei der Anwendung dieses Abkommens gemäss den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. Nach Art. 8 FZA regeln die Vertragsparteien die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäss Anhang II (der Bestandteil des Abkommens bildet). Gemäss Art. 1 i.V.m. Abschnitt A Anhang II FZA (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) wandten die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121; nachfolgend: Verordnung Nr. 1408/71), und (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (AS 2005 3909) oder gleichwertige Vorschriften an. Mit Wirkung per 1. April 2012 (für die Schweiz) sind diese beiden Rechtsakte durch die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: Verordnung Nr. 883/2004) sowie (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831. 109.268.11) abgelöst worden (Art. 1 i.V.m. Abschnitt A Anhang II FZA; BGE 144 V 127 E. 4.1 S. 129 mit Hinweisen).
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6.3.2 Das Abkommen und insbesondere die Verordnung Nr. 1408/71 gilt in persönlicher Hinsicht für Arbeitnehmer und Selbstständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene (Art. 2 Abs. 1 Verordnung Nr. 1408/71). Dabei ist unerheblich, ob die Familienangehörigen selber auch Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind (BGE 139 V 393 E. 4.1 S. 396; Urteil 9C_277/2007 vom 12. Februar 2008 E. 4.1 mit Hinweisen). Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen (Art. 3 Abs. 1 Verordnung Nr. 1408/71). Die Verordnung Nr. 883/2004 ihrerseits gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen (Art. 2 Abs. 1 Verordnung Nr. 883/2004). Auch unter dieser Bestimmung ist unerheblich, ob die Familienangehörigen selber auch Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind (BGE 143 V 81 E. 8.2.2 S. 88). Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates (Art. 4 Verordnung Nr. 883/2004).
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Erwägung 7 | |
7.1 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war der Ehemann der Beschwerdeführerin einzig von April 2011 bis November 2013 nicht in Deutschland gemeldet. Es sei aber nicht belegt, dass er in dieser Zeit ausserhalb Deutschlands (neuen) Wohnsitz begründet hätte. Insbesondere hätten die möglichen Hinweise auf einen dauerhaften Wohnsitz in den USA durch die eingereichten Dokumente der Beschwerdeführerin nicht erhärtet werden können. In tatsächlicher Hinsicht ist im Weiteren davon auszugehen, dass der Ehemann einst in der Schweiz lebte, mittlerweile aber seit Jahren in Deutschland wohnt (gemäss Auskunft des Finanzamtes Y. zogen die Eheleute 2005 von der Schweiz nach Deutschland; gemäss Auskunft der Stadt X. wohnt der Ehemann bereits seit 1986 in X.) und als selbstständiger Pianist resp. als Musiklehrer in verschiedenen Ländern tätig ist. Aus den Akten ergibt sich etwa, dass er in den Jahren 2010 bis 2015 in Frankreich, Italien und in den USA Seminare und Tagungen leitete sowie Musik unterrichtete. Unbestritten ist des Weiteren, dass er Schweizer Staatsangehöriger ist. Vor diesem Hintergrund ist dem BSV darin beizupflichten, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin sein Recht auf Freizügigkeit basierend auf dem FZA ausgeübt hat und folglich ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben ist (vgl. dazu BGE 143 V 354 E. 4 S. 357 mit Hinweisen). Etwas anderes macht auch die IVSTA nicht geltend.
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Erwägung 8 | |
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8.2 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, wohl könne sie nur abgeleitete Rechte beanspruchen und komme nicht selber in den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 resp. Nr. 883/2004. Vorliegend bestehe aber gerade ein (von ihrem Ehemann) abgeleitetes Recht, weshalb sie Anspruch auf Leistungsexport habe.
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8.3.2 In BGE 133 V 320 stand der Anspruch auf medizinische Massnahmen eines an angeborener Epilepsie (Geburtsgebrechen Nr. 387 GgV Anhang) leidenden, mit seinen Eltern in der Schweiz wohnenden Kindes niederländischer Staatsangehörigkeit zur Diskussion. Das Bundesgericht legte die Rechtsprechung des EuGH ausführlich dar. Es wies darauf hin, dass der EuGH die Kermaschek -Rechtsprechung im Urteil vom 30. April 1996 in der Rechtssache C-308/93 Cabanis-Issarte, Slg. 1996 I-2097, auf Ansprüche beschränkt habe, die nach dem nationalen Recht nur Arbeitnehmern, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates seien, und nicht deren Familienangehörigen gewährt würden, wie namentlich die Arbeitslosenleistungen. Demgegenüber sei das Altersversorgungssystem der (nie erwerbstätig gewesenen) Witwe eines Wanderarbeitnehmers dem Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 unterstellt worden, weil die Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten für den hinterbliebenen Ehegatten zu einem Ausschluss vom Schutz durch das grundlegende Gebot der Gleichbehandlung führen würde (vgl. E. 5.2.3). In der Folge habe der EuGH einerseits die Weitergeltung der Rechtsprechung Kermaschek (welche zwischen abgeleiteten und eigenen Ansprüchen differenziert) für die Arbeitslosenentschädigung bestätigt. Andererseits habe er festgehalten, dass (im Sinne der Rechtsprechung Cabanis-Issarte) in Bezug auf Familienleistungen (Art. 4 Abs. 1 Bst. h sowie Art. 72 ff. der Verordnung Nr. 1408/71) die Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Ansprüchen nicht anwendbar sei (E. 5.2.4 mit Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH). In Bezug auf die anderen Leistungen gemäss Art. 4 der Verordnung Nr. 1408/71, die weder Arbeitslosenentschädigungen noch Familienleistungen sind, habe sich der EuGH bis zum 21. Juni 1999, soweit ersichtlich, nicht ausdrücklich zur Frage geäussert, ob darauf die Kermaschek- oder die Cabanis-Issarte-Rechtsprechung anwendbar sei. Das Bundesgericht befasste sich sodann mit der schweizerischen (vgl. E. 5.3) und der gemeinschaftsrechtlichen Lehre (vgl. E. 5.4). Es kam zum Schluss, dass das an einem Geburtsgebrechen leidende Kind als Familienangehöriger eines niederländischen Erwerbstätigen in Bezug auf die Leistungen bei Geburtsgebrechen ungeachtet der Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Ansprüchen in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 falle und sich damit grundsätzlich auf das Verbot einer nach Staatsangehörigkeit unterschiedlichen Behandlung berufen könne.
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8.3.4 In BGE 139 V 393 ging es um einen peruanischen Staatsangehörigen, der mit einer britischen Staatsangehörigen verheiratet war und mit seiner Ehefrau nach mehreren Jahren Wohnsitz und Erwerbstätigkeit in der Schweiz den Wohnsitz nach Grossbritannien verlegt hatte. Das Bundesgericht entschied, dieser Drittstaatsangehörige habe in seiner Eigenschaft als Familienangehöriger gestützt auf das FZA weiterhin Anspruch auf seine AHV-Altersrente. Dabei hat sich das Bundesgericht erneut mit der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH auseinandergesetzt. Danach gelte die Beschränkung der Rechtsstellung Familienangehöriger auf abgeleitete Rechte nur mehr für Fälle, in denen sich ein Familienangehöriger auf Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 berufe, die (wie die Art. 67-71 über Leistungen bei Arbeitslosigkeit) ausschliesslich für den Arbeitnehmer, nicht aber für dessen Familienangehörige geschaffen seien. Das Bundesgericht hielt fest, der EuGH habe aus dem Urteil Cabanis-Issarte ein allgemeines Prinzip abgeleitet. Er habe ausserdem erwogen, dass es negative Auswirkungen auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer hätte, wenn sich der Gatte eines Arbeitnehmers zum Erhalt bestimmter, von der Gesetzgebung des letzten Beschäftigungsstaats vorgesehenen Leistungen, nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen könnte. Die Gemeinschaftsbestimmungen über die Koordinierung der nationalen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften würden sich in diesen Rahmen einfügen. Denn gemäss dem EuGH verstiesse es gegen Sinn und Zweck dieser Bestimmungen, dem Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers für die Festsetzung von Leistungen bei Alter den Schutz durch das Diskriminierungsverbot zu versagen, wenn er auf diese Leistungen bei Gleichbehandlung mit den Inländern Anspruch gehabt hätte, falls er im Aufnahmestaat geblieben wäre (vgl. E. 5.2.2 mit Hinweisen).
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8.3.6 Mit BGE 143 V 81 bestätigte das Bundesgericht wiederum, dass die Unterscheidung zwischen eigenen Rechten des Familienangehörigen und abgeleiteten Rechten mit Blick auf die europäische Rechtsprechung im zu beurteilenden Fall keine Rolle spiele. Der EuGH habe im Sinne eines allgemeinen Grundsatzes festgehalten, dass die Familienangehörigen eines Wanderarbeitnehmers Anspruch auf Gleichbehandlung in Bezug auf alle Leistungen hätten, die ihrer Natur nach nicht ausschliesslich dem Arbeitnehmer geschuldet seien, wie zum Beispiel die Arbeitslosenentschädigungen (E. 8.2.2 mit Verweis auf BGE 139 V 393 E. 5.2.2 S. 397). Die in der Schweiz wohnhafte Nicht-EU-Staatsbürgerin, die mit einem Schweizer Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft, davon eine EU-Staatsbürgerschaft, verheiratet sei, habe deshalb grundsätzlich einen eigenen Anspruch auf Ergänzungsleistungen (vgl. E. 7.2), den sie als Familienangehörige eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats geltend machen könne. Das Bundesgericht verneinte schliesslich aber das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts, da der blosse Besitz der italienischen Staatsangehörigkeit des Ehemannes der Beschwerdeführerin für sich allein nicht genüge, um die Anwendung des FZA geltend zu machen. Der grenzüberschreitende Sachverhalt sei nämlich nur gegeben, falls das eigene Recht auf Personenfreizügigkeit auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats ausgeübt werde (vgl. E. 8.3.3.2). Dies war gerade nicht der Fall, da der Arbeitnehmer in der Schweiz geboren wurde und nie in einem Mitgliedstaat der EU gewohnt oder gearbeitet hatte.
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8.3.7 Schliesslich hatte das Bundesgericht im jüngst ergangenen Urteil 9C_624/2018 vom 15. April 2019 zu entscheiden, ob eine Nicht-EU-Staatsangehörige (Bolivianerin) aufgrund ihrer Eigenschaft als Ehegattin eines (verstorbenen) Portugiesen, der in der Schweiz gearbeitet und damit von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hatte, Anspruch auf Ergänzungsleistungen hatte, ohne zuvor eine Karenzfrist von zehn Jahren (vgl. Art. 5 Abs. 1 ELG) bestehen zu müssen. Es bestätigte, dass die Ehegattin als Familienangehörige eines EU-Staatsangehörigen in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 falle (vgl. E. 6.2 mit Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EuGH). Weiter hielt es fest, dass es sich beim Anspruch auf Ergänzungsleistungen um einen eigenen - und nicht um einen abgeleiteten - Anspruch der Hinterbliebenen handle (vgl. E. 7.2.2) und dass diese sich auch in diesem Zusammenhang direkt auf das Prinzip der Gleichbehandlung berufen könne. Das Gericht kam zum Schluss, dass die in Art. 5 Abs. 1 ELG festgehaltene Karenzfrist einer hinterbliebenen Ehegattin eines EU-Staatsangehörigen, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hatte, nicht entgegengehalten werden könne.
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Erwägung 9 | |
9.1 Bei der im Raum stehenden Invalidenrente handelt es sich - gleich wie bei der in BGE 139 V 393 beurteilten Altersrente - nicht um eine Leistung, die ausschliesslich dem Arbeitnehmer geschuldet ist. Die Beschwerdeführerin kann sich somit direkt auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen. Die vorliegende Konstellation ist denn auch durchaus vergleichbar mit derjenigen, die dem BGE 139 V 393 zugrunde lag (vgl. E. 8.3.4 hiervor). Entscheidend ist, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Invalidenrente der Eidgenössischen Invalidenversicherung hätte, wenn sie in der Schweiz wohnen würde. Allein aufgrund ihrer Wohnsitznahme in Deutschland wurden ihr die Rentenzahlungen verwehrt. Entgegen der Ansicht des BSV kann nicht gesagt werden, der Ehemann der Beschwerdeführerin sei nicht in seiner Freizügigkeit eingeschränkt, wenn die Invalidenrente seiner Ehefrau nicht exportiert würde. Gelangt die Invalidenrente nur bei einem Wohnsitz der Beschwerdeführerin in der Schweiz zur Auszahlung und ist davon auszugehen, dass die Eheleute zusammenleben, so ist nicht nur die Beschwerdeführerin selber, sondern - zumindest mittelbar - auch ihr Ehemann in seiner Freizügigkeit eingeschränkt. Das Recht auf Freizügigkeit umfasst im Übrigen nicht bloss die Rückkehr in das Heimatland, sondern den freien Personenverkehr im ganzen EU- resp. Vertragsgebiet. Soweit das Bundesverwaltungsgericht erwog, eine Leistungspflicht des schweizerischen Versicherungsträgers aufgrund des FZA bestehe nicht, da im interessierenden Zeitraum weder die Beschwerdeführerin noch ihr Ehemann in der Schweiz gelebt resp. ihren zentralen Lebensmittelpunkt gehabt hätten und einer Erwerbstätigkeit nachgegangen seien, kann ihm nach dem Gesagten nicht gefolgt werden.
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9.4 Kann sich die Beschwerdeführerin als Familienangehörige eines in Deutschland wohnhaften Schweizers ungeachtet ihrer eigenen Nationalität auf das Prinzip der Gleichbehandlung berufen, so ist schliesslich auch nicht massgebend, dass die Schweiz die Verordnungen Nr. 859/2003 und Nr. 1231/2010 betreffend Ausdehnung des Geltungsbereichs der Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 883/2004 innerhalb der EU auf ausländische Arbeitnehmer mit Wohnsitz in einem EU-Staat nicht übernommen hat.
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Erwägung 10 | |
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