![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
32. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Kinderspital Zürich - Eleonorenstiftung gegen IV-Stelle des Kantons Aargau und Mitb., vertreten durch IV-Stelle des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_521/2019 vom 16. Oktober 2019 | |
Regeste |
Art. 13 f., 27 Abs. 1 und 3, Art. 27bis Abs. 1 und 2 IVG; Art. 47 Abs. 6 Satz 1 RVOG; Art. 24 Abs. 2 Teilsatz 1 IVV; Zuständigkeit des Schiedsgerichts in Sozialversicherungsstreitigkeiten (Invalidenversicherung). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
B. Am 30. Dezember 2016 erhob die Stiftung Klage gegen sämtliche 26 kantonalen IV-Stellen, gegen die IV-Stelle für Versicherte im Ausland und gegen die Liechtensteinische AHV-IV-FAK mit dem Rechtsbegehren, jede Beklagte sei zu verpflichten, den ihr individuell zugeordneten Teilbetrag einer Gesamtforderung von Fr. 9'772'724.20, zuzüglich Zins zu 5 % seit Klageerhebung, zu bezahlen. Ferner sei das BSV dem Verfahren beizuladen. In der Folge zog die Stiftung in Änderung ihres Antrags die Klage insoweit zurück, als diese im Umfang eines Teilbetrags von Fr. 66'362.20 gegen die Liechtensteinische AHV-IV-FAK gerichtet war. Das angerufene Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich trat mit Entscheid vom 27. Juni 2019 auf das Rechtsmittel nicht ein.
| 2 |
C. Die Stiftung lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
| 3 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
| 4 |
Aus den Erwägungen: | |
5 | |
Erwägung 4 | |
4.1 Die Beschwerdeführerin machte vorinstanzlich geltend, es bestehe in der im Streite stehenden Vergütungsfrage ein vertragsloser Zustand. Da davon auszugehen sei, dass das EDI das bei ihm diesbezüglich anhängig gemachte, sistierte Tariffestsetzungsverfahren nicht in absehbarer Zeit an die Hand nehmen bzw. sich letztendlich - gestützt auf BVGE 2014/51 - als in der Sache nicht zuständig einstufen ![]() | 6 |
7 | |
Erwägung 5 | |
5.1 Nach Art. 27 IVG ("Zusammenarbeit und Tarife") ist der Bundesrat befugt, mit der Ärzteschaft, den Berufsverbänden der Medizinalpersonen und der medizinischen Hilfspersonen sowie den Anstalten und Werkstätten, die Eingliederungsmassnahmen durchführen, Verträge zu schliessen, um die Zusammenarbeit mit den Organen der Versicherung zu regeln und die Tarife festzulegen (Abs. 1). Soweit kein Vertrag besteht, kann der Bundesrat die Höchstbeträge festsetzen, bis zu denen den Versicherten die Kosten der Eingliederungsmassnahmen vergütet werden (Abs. 3). Die Verträge nach Art. 27 Abs. 1 IVG werden vom Bundesamt abgeschlossen (Art. 24 Abs. 2 Teilsatz 1 IVV [SR 831.201]). Geschäfte des Bundesrats gehen von Rechts wegen auf das in der Sache zuständige Departement über, soweit Verfügungen zu treffen sind, die der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen (Art. 47 Abs. 6 Satz 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 [RVOG; SR 172.010]). Die bundesrätliche Zuständigkeit zur hoheitlichen Festsetzung eines Tarifs nach gescheiterten Vertragsverhandlungen durch Erlass einer Verfügung liegt beim EDI (vgl. Teilentscheid BVGE 2013/58 E. 6.2 f. S. 901 f.).
| 8 |
9 | |
10 | |
Erwägung 6 | |
11 | |
Die im Rahmen der 4. IV-Revision im Gesetz verankerte Schiedsgerichtsbarkeit in Tarifstreitigkeiten nach Art. 27bis IVG - welche im Kanton Zürich durch das dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich angegliederte Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich ausgeübt wird (§§ 35 f. des Gesetzes des Kantons Zürich vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht [GSVGer; LS 212.81]) - sollte der verbesserten Koordination der Invalidenversicherung mit anderen Sozialversicherungszweigendienen. Insbesondere wurde eine Harmonisierung mit der Unfall- und der Militärversicherungsgesetzgebung als wünschenswert erachtet, "weil die Invalidenversicherung Tarifverträge im Bereich der medizinischen Massnahmen zusammen mit der Unfall- und der Militärversicherung abschliesst. Die Schiedsgerichtsbarkeit wäre für alle drei Versicherungen einheitlich geregelt, und die Invalidenversicherung müsste keine vertraglichen Sonderregelungen vorsehen" (Urteil 9C_657/2016 vom 13. Februar 2017 E. 3.2 u.a. mit Hinweis auf die Botschaft vom 21. Februar 2001 über die 4. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, BBl 2001 3205 ff., insb. 3261 Ziff. 2.5.2).
| 12 |
6.2 Der Unterhalt bzw. die Pflege von bestehenden Tarifstrukturen obliegt primär den Tarifpartnern. Entscheidend dafür ist, dass die Gesichtspunkte, welche der Strukturierung eines Tarifs zugrunde liegen, als nicht oder schwer justiziabel betrachtet werden. Beim Eingriff in eine gesamtschweizerische Einzelleistungstarifstruktur wie etwa TARMED stellen sich komplexe technische, wirtschaftliche, rechtliche und zeitliche Fragen, die durch die Tarifpartner zu beantworten sind (Urteil 9C_524/2013 vom 21. Januar 2014 E. 4). Dementsprechend ist es nicht Aufgabe der kantonalen Schiedsgerichte oder des Bundesgerichts, eine Änderung der Tarifstruktur zu prüfen (BGE 144 V 138 E. 6.4.4 S. 149 f.; Urteile 9F_3/2013 vom 23. April 2013 E. 2 und 9C_252/2011 vom 14. Juli 2011 E. 5.5 am Ende, in: ![]() | 13 |
Diese Präjudizien sind für die Belange der Krankenversicherung nach KVG ergangen. Es besteht indessen kein Anlass, für die hier zur Diskussion stehende Tarifierung bezüglich Art. 13 f. IVG anders zu entscheiden (Urteil 8C_62/2015 vom 26. August 2015 E. 5.2 mit Hinweisen).
| 14 |
Erwägung 7 | |
15 | |
Erwägung 7.2 | |
7.2.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat im zuvor zitierten BVGE 2014/51 erwogen (E. 9.2), dass das IVG (wie auch das UVG und MVG) keine inhaltlichen Vorgaben zur Bemessung der entsprechenden Tarife enthalte. Es fehlten - anders als im KVG - generell-abstrakte Grundsätze zur Tarifordnung und zur Kostenermittlung für die Leistungsabgeltung, und zwar sowohl auf Gesetzes- wie auch auf Verordnungsebene. Ebenso wenig ergäben sich aus den Materialien konkrete Hinweise auf im vertragslosen Zustand anzuwendende Tarifstrukturen, Tarifberechnungsmodelle oder Tarifgestaltungsgrundsätze. Der Bundesrat werde aber immerhin, so das Gericht im Weiteren, gesetzlich verpflichtet, die Tarifordnungen der verschiedenen Sozialversicherer zu koordinieren. In der Praxis stützten sich die vertraglich vereinbarten Entschädigungen der UV/MV/IV-Leistungserbringer für medizinische Heilbehandlungen auf die gleichen Tarifstrukturen, die im Krankenversicherungsrecht gemäss KVG gälten.
| 16 |
![]() | 17 |
Sodann erkannte das Bundesverwaltungsgericht in E. 9.6 seines Urteils, dass der Mangel der fehlenden generell-abstrakten Regelung der Tarifgestaltungsgrundsätze durch den Bundesrat nicht durch das EDI mittels analoger Anwendung der KVG-Tarifgrundsätze im Rahmen der zu erlassenden Verfügung behoben werden könne. Es sei gestützt auf Art. 47 Abs. 6 RVOG lediglich für die verfügungsweise Festlegung der Höhe des Tarifs im engeren Sinne, bei bereits vorhandener diesbezüglicher generell-abstrakter Regelung, zuständig. Der Delegationsautomatismus nach Art. 47 Abs. 6 RVOG greife nur in Bereichen, in denen eine Verfügung zu erlassen sei. Die Festlegung der Eckwerte für die Tarifgestaltung habe aber wie erwähnt in generell-abstrakter Form in dem dafür vorgesehenen Verfahren und unter Einbezug der Tarifpartner zu geschehen und sei Aufgabe des Bundesrats. Dieser kleide seine rechtsetzenden Erlasse in die Form der Verordnung. Die Übertragung von rechtsetzenden Befugnissen vom Bundesrat an ein Departement habe nach Massgabe von Art. 48 Abs. 1 RVOG zu erfolgen, wonach der Bundesrat unter Berücksichtigung der Tragweite der betreffenden Rechtssätze die Zuständigkeit ![]() | 18 |
Zusammenfassend sei festzuhalten - so das Bundesverwaltungsgericht abschliessend (E. 9.9) -, dass es bereits an den Grundsätzen für die Ermittlung des umstrittenen Tarifs mangle, die zumindest auf Verordnungsstufe generell-abstrakt festgelegt werden müssten. Es fehle dem Departement daher die generell-abstrakte Regelung der Tarifermittlungsgrundsätze in Form gesetzlicher respektive verordnungsmässiger Bestimmungen, um den konkreten Tarif im Einzelfall verfügungsweise festzusetzen. Solche Grundsätze könnten weder als zwischen den Parteien (stillschweigend) vereinbart gelten, noch liege deren Erlass in der Zuständigkeit der Gerichte. Vielmehr habe der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber die generell-abstrakten Tarifermittlungsgrundsätze im vertragslosen Zustand zu definieren, ehe das Departement einen Tarif im Einzelfall mittels Verfügung festsetzen könne.
| 19 |
20 | |
7.3 Ist es dem Schiedsgericht im Sinne von Art. 27bis IVG nach dem Dargelegten (vgl. E. 6.2 hiervor) verwehrt, Änderungen bestehender Tarifstrukturen auf ihre Rechtmässigkeit hin zu überprüfen, sieht es sich erst recht ausserstande, sich zu Tarifpositionen wie etwa die anwendbare Tarifordnung in Fällen zu äussern, in welchen (noch) gar keine tarifliche Grundlage vorhanden ist. Dies gilt im vorliegenden Bereich von Art. 27 IVG umso mehr, als es, wie aus den bundesverwaltungsgerichtlichen Ausführungen in BVGE 2014/51 zutreffenderweise hervorgeht, bereits an einer generell-abstrakten Regelung zur Tarifordnung und Kostenermittlung für die Leistungsabgeltung im vertragslosen Zustand fehlt und daher auch das EDI nicht befugt ist, diesbezüglich gestützt auf Art. 27 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 6 Satz 1 RVOG mittels Verfügung tätig zu werden. Ferner ist mit der Vorinstanz darauf hinzuweisen, dass das Invalidenversicherungsrecht - anders als UV, MV und KV (vgl. Art. 15 Abs. 2 UVV, Art. 14 Abs. 2 MVV, Art. 41 Abs. 1bis KVG) - auch keine generell-abstrakte Grundlage für die Anwendung eines Referenztarifs enthält, wenn das EDI bzw. der Bundesrat den ihnen in einem ![]() | 21 |
Der Vorinstanz kann daher, indem sie nicht auf die Klage der Stiftung eingetreten ist, keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden.
| 22 |
23 | |
7.4.1 Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, unter den Parteien bestehe Einigkeit darüber, dass die Entschädigung in Form einer Pauschale basierend auf der Tarifstruktur SwissDRG (Version 1.0) zu erfolgen habe, weshalb von einem Konsens hinsichtlich der anwendbaren Tarifstruktur auszugehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie hiervor unter Verweis auf BVGE 2014/51 ausgeführt wurde, fehlt es vorliegend an generell-abstrakten Grundsätzen für die Festsetzung des umstrittenen Tarifs. Auch wenn es sachgerecht erscheinen mag, die Medizinaltarife auch im Bereich der Invalidenversicherung mittels analoger Anwendung des im KVG geltenden Tarifrechts festzulegen - im Bereich der Akutsomatik wurde diesbezüglich per 1. Januar 2012 ein Systemwechsel vollzogen und mit SwissDRG eine schweizweit einheitliche Tarifstruktur eingeführt, welche die Vergütung der stationären Spitalleistungen nach Fallpauschalen regelt (vgl. Art. 49 Abs. 2 KVG) -, steht es den Parteien nicht frei, die entsprechenden Eckwerte der Tarifgestaltung eigenständig zu bestimmen. Derartige Tarifpositionen können nicht als zwischen den Parteien (stillschweigend) vereinbart angenommen werden. Daran ändert nichts, dass die 2012 laufenden Fälle während der Dauer des beim EDI hängigen Tariffestsetzungsverfahrens nach einem vorläufigen Arbeitstarif auf der Basis des SwissDRG abgerechnet wurden. Vor diesem Hintergrund kann es entgegen der Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin auch nicht Aufgabe des Schiedsgerichts sein, die konkret anwendbare SwissDRG-Baserate anhand einer vorfrageweisen Eruierung des hypothetischen Parteiwillens der Beteiligten zu ermitteln.
| 24 |
![]() | 25 |
26 | |
27 | |
Immerhin ist der Beschwerdeführerin - mit Blick auf die Verjährungsfolge - insofern beizupflichten, als es sich um eine rechtlich unbefriedigende Situation handelt, die baldmöglichst durch den Erlass entsprechender generell-abstrakter (Verordnungs-)Grundlagen durch den Bundesrat geregelt werden sollte.
| 28 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |