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36. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle Basel-Landschaft gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_445/2019 vom 12. November 2019 | |
Regeste |
Art. 16 ATSG; Art. 28a Abs. 3 IVG; Art. 27bis Abs. 3 IVV (in Kraft seit 1. Januar 2018); gemischte Bemessungsmethode. | |
Sachverhalt | |
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A.a Die 1971 geborene A. meldete sich am 3. Juli 2014 unter Verweis auf die Folgen eines am 8. Juli 2012 erlittenen Unfalls bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärung der gesundheitlichen, der erwerblichen und der hauswirtschaftlichen Verhältnisse verneinte die IV-Stelle des Kantons Basel-Landschaft in Anwendung der gemischten Bemessungsmethode mit Anteilen von 75 % Erwerb und 25 % Haushalt einen Rentenanspruch (Invaliditätsgrad von 31 %). Im Rahmen des nachfolgenden Beschwerdeverfahrens vor dem Kantonsgericht Basel-Landschaft schlossen die Parteien anlässlich der Parteiverhandlung einen Vergleich, worin - unter anderem - festgestellt wurde, dass die Versicherte ab 1. Januar 2015 Anspruch auf eine Viertelsrente habe. Das Kantonsgericht schrieb hierauf das betreffende Verfahren mit Beschluss vom 12. Mai 2017 als gegenstandslos ab. Mit Verfügung vom 6. Oktober 2017 sprach die IV-Stelle A. bei einem Invaliditätsgrad von 43 % ab 1. Januar 2015 eine Viertelsrente zu.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 21. März 2019 gut. Es hob die Verfügung der IV-Stelle vom 5. September 2018 auf und stellte fest, dass die Versicherte mit Wirkung ab 1. Januar 2018 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente habe.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Bestätigung ihrer Verfügung vom 5. September 2018. Zudem ersucht sie darum, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
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Während A. auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) deren vollumfängliche Gutheissung.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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3.2 Das kantonale Gericht erachtete diese Bemessung als unzulässig. Es hielt zunächst fest, die IV-Stelle habe das Valideneinkommen von Fr. 75'282.-, das die Versicherte im Gesundheitsfall aus ihrer Teilerwerbstätigkeit von 75 % erzielt hätte, auf ein Vollzeitpensum hochgerechnet (Art. 27bis Abs. 3 lit. a IVV), was ein massgebendes Valideneinkommen von Fr. 99'047.- ergeben habe. Dieses Ergebnis sei rechtens, worin die Parteien übereinstimmten. Umstritten sei aber die Berechnung des Invalideneinkommens. Die IV-Stelle halte dafür, dass in Anwendung des neuen Berechnungsmodells auch bei der Bemessung des Invalideneinkommens - analog zur Bestimmung des Valideneinkommens - von einer vollen Erwerbstätigkeit auszugehen sei, was bei einer Arbeitsunfähigkeit von 50 % zu einer erwerblichen Einschränkung von 50 % führe. Die Versicherte hingegen vertrete die Auffassung, dass dem Valideneinkommen von Fr. 99'047.- weiterhin das bisherige Invalideneinkommen von Fr. 37'143.-gegenüber zu stellen sei, was zu einer Erwerbseinbusse von prozentual 62,5 % führe. Im Anschluss erkannte das kantonale Gericht, in der neuen Verordnungsbestimmung von Art. 27bis Abs. 3 lit. a IVV sei einzig festgehalten, dass das Valideneinkommen auf eine Vollerwerbstätigkeit hochzurechnen sei. Die Berechnungsart der IV-Stelle stehe ausserdem nicht im Einklang mit der Stossrichtung der Verordnungsänderung. Mit dieser hätten unter anderem die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) an eine nichtdiskriminierende Ausgestaltung der gemischten Methode ![]() | 11 |
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2 Bei Teilerwerbstätigen, die sich zusätzlich im Aufgabenbereich nach Artikel 7 Absatz 2 IVG betätigen, werden für die Bestimmung des Invaliditätsgrads folgende Invaliditätsgrade summiert:
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a. der Invaliditätsgrad in Bezug auf die Erwerbstätigkeit;
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b. der Invaliditätsgrad in Bezug auf die Betätigung im Aufgabenbereich.
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3 Die Berechnung des Invaliditätsgrads in Bezug auf die Erwerbstätigkeit richtet sich nach Artikel 16 ATSG, wobei:
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b. die prozentuale Erwerbseinbusse anhand des Beschäftigungsgrads, den die Person hätte, wenn sie nicht invalid geworden wäre, gewichtet wird.
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Nach Absatz 4 wird für die Berechnung des Invaliditätsgrades in Bezug auf die Betätigung im Aufgabenbereich der prozentuale Anteil der Einschränkungen bei der Betätigung im Aufgabenbereich im Vergleich zur Situation, wenn die versicherte Person nicht invalid geworden wäre, ermittelt. Der Anteil wird anhand der Differenz zwischen dem Beschäftigungsgrad nach Absatz 3 Buchstabe b und einer Vollerwerbstätigkeit gewichtet. Gemäss Art. 16 ATSG schliesslich wird für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen).
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4.2 Entgegen der Betrachtungsweise der Vorinstanz lässt sich die von der IV-Stelle vorgenommene Invaliditätsbemessung sehr wohl mit dem Wortlaut von Art. 27bis IVV vereinbaren. So richtet sich die Berechnung des Invaliditätsgrades in Bezug auf die Erwerbstätigkeit gemäss Art. 27bis Abs. 3 IVV nach Art. 16 ATSG. Beim Invalideneinkommen handelt es sich demnach um das trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch erzielbare Einkommen (vgl. MICHEL VALTERIO, Loi fédérale sur l'assurance-invalidité [LAI], Commentaire, 2018, N. 128 zu Art. 28a IVG). Hinsichtlich der aus medizinischer Sicht attestierten Arbeitsfähigkeit stellte die Vorinstanz fest, diese betrage für sämtliche Tätigkeiten noch 50 %. Von dieser für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellung ist auszugehen. Zum besseren Verständnis sei immerhin präzisiert, dass damit eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit benannt wird, die sich laut ärztlicher Einschätzung in jedem Pensum gleichermassen, mithin auch in der angestammten Tätigkeit einer kaufmännischen Angestellten im Umfang von 50 % auswirkt. Darin und dass es der Beschwerdegegnerin medizinisch zumutbar wäre, einen ganzen Arbeitstag anwesend zu sein, stimmen die Parteien überein. Mit anderen Worten beträgt die Leistungsfähigkeit der Versicherten im Rahmen eines (zumutbaren) Vollzeitpensums 50 %, während etwa ![]() | 21 |
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Das BSV rechnete aufgrund der neuen Berechnungsmethode mit tendenziell höheren Invaliditätsgraden als bisher. Mit dem vorgeschlagenen Modell werde zudem automatisch sichergestellt, dass die Wechselwirkungen zwischen Erwerbstätigkeit und Haushalt im Hinblick auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf konsequent berücksichtigt werden. Für die Ermittlung des Invaliditätsgrads ![]() | 23 |
Ziel der Verordnungsänderung war nach dem Gesagten, die doppelte Berücksichtigung des Teilzeitcharakters bei der Festlegung der Invalidität im Erwerbsbereich zu korrigieren. Wie das BSV in seiner Vernehmlassung unter Verweis auf die Materialien und das Schrifttum zutreffend festhält, liegt der Verordnungsänderung die Idee zu Grunde, dass die gesundheitliche Einschränkung in beiden Bereichen jeweils bezogen auf eine Vollzeittätigkeit berücksichtigt wird. Mit anderen Worten wird neu für beide Teilbereiche so gerechnet, wie wenn keine Teilerwerbstätigkeit vorliegen würde. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass sowohl das Validen- als auch das Invalideneinkommen in Bezug auf eine hypothetische Vollzeittätigkeit zu ermitteln sind. Dies entspricht (vorbehältlich der anschliessenden Gewichtung) dem Vorgehen, wie es in der Unfallversicherung üblich ist (MARGIT MOSER-SZELESS, in: Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales [LPGA], Dupont/Moser-Szeless [Hrsg.], 2018, N. 9 und 60 zu Art. 16 ATSG; vgl. zur Unfallversicherung: BGE 119 V 475 E. 2 S. 480; Urteil 8C_745/2016 vom 28. Februar 2017 E. 3.1 sowie UELI KIESER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2017, S. 277 Rz. 174). Genau diese Absicht war im Wesentlichen bereits von der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats im Bericht vom 3. Juli 2003 (00.454 n: Bemessung des Invaliditätsgrades bei Teilzeiterwerbstätigen) zur parlamentarischen Initiative von Nationalrat Marc F. Suter zum Ausdruck gebracht worden (vgl. auch PERRENOUD/BURGAT/MATTHEY, a.a.O., S. 1198 Fn. 101 und 104).
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4.4 Die Beschwerdegegnerin wendet dagegen ein, dass gemäss dem erläuternden Bericht zur Verordnungsänderung die Festlegung des Invalideneinkommens wie bis anhin erfolgen soll (vgl. Bericht des BSV, S. 13). Das BSV will diese Aussage so verstanden wissen, dass ![]() | 25 |
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Erwägung 5 | |
5.1 Nach dem Gesagten hat die IV-Stelle in ihrer Verfügung vom 5. September 2018 korrekterweise ein Invalideneinkommen von Fr. 49'523.50 - entsprechend 50 % des Lohnes bei einem Vollzeitpensum - ermittelt. Verglichen mit dem unbestrittenen Valideneinkommen von Fr. 99'047.- ergibt sich - nach Gewichtung mit dem Faktor 0,75 - im Erwerbsbereich ein Invaliditätsgrad von 37,5 %. Zusammen mit dem gewichteten Invaliditätsgrad von 4,95 % aus dem Aufgabenbereich resultiert ein Gesamtinvaliditätsgrad von (gerundet) 42 %, womit es beim Anspruch auf eine Viertelsrente bleibt. Damit hat sich die Situation der Beschwerdegegnerin im Vergleich ![]() | 28 |
5.2 Soweit die Versicherte in der von der IV-Stelle angewandten und beschwerdeweise geltend gemachten Berechnungsweise einen Diskriminierungstatbestand sieht, da ihr ein Invalideneinkommen angerechnet werde, das sie im Rahmen eines 75 %-Pensum nicht zu erzielen im Stande sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Erwerbseinbusse aufgrund eines hypothetischen Vollzeitpensums berechnet und anschliessend gewichtet wird. Dadurch entfällt die in der Vergangenheit kritisierte doppelte Gewichtung der Teilzeittätigkeit. Insoweit ist keine Diskriminierung ersichtlich.
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