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18. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Sympany Versicherungen AG gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_114/2020 vom 3. Juni 2020 | |
Regeste |
Art. 84 Abs. 2 UVG; Art. 86 Abs. 1 lit. c VUV; Übergangsentschädigung. | |
Sachverhalt | |
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Sympany, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 23. März 2018 zu bestätigen. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und es sei die Suva am Verfahren zu beteiligen.
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A. lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Die Suva schliesst sich inhaltlich der Vorinstanz an, ohne einen Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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D. Mit Verfügung vom 18. März 2020 erteilte das Bundesgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 4 | |
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4.2 Gemäss Art. 78 Abs. 1 VUV kann die Suva durch Verfügung einen Arbeitnehmer, der den Vorschriften über die arbeitsmedizinische Vorsorge untersteht, von der gefährdeten Arbeit ausschliessen (Nichteignung) oder seine Beschäftigung bei dieser Arbeit unter bestimmten Bedingungen zulassen (bedingte Eignung). Der Arbeitgeber erhält eine Kopie der Verfügung. Ist der Arbeitnehmer imstande, die Arbeit ohne Bedingungen zu verrichten (Eignung), so teilt es die Suva dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber mit. Nach Abs. 2 kann die Nichteignung nur dann verfügt werden, wenn der Arbeitnehmer bei der weiteren Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit einer erheblichen ![]() ![]() | 8 |
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Erwägung 5 | |
5.1 Die Vorinstanz führte im Wesentlichen aus, mit dem Begriff Arbeitnehmer in Art. 86 VUV knüpfe die Entschädigung an ein konkretes Arbeitsverhältnis an, weshalb als Versicherer einzig der obligatorische Unfallversicherer jenes Arbeitgebers in Frage kommen könne, von dessen Arbeit eine versicherte Person ausgeschlossen worden sei. Weiter ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck sowohl der Nichteignungsverfügung als auch der Übergangsleistung, dass diese direkt im Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit stünden. Gedeckt sei stets ein Risiko, das aus einer konkreten versicherten beruflichen Tätigkeit resultiere und für welches der Unfallversicherer jenes Arbeitgebers einzustehen habe, von dessen Arbeit eine versicherte Person ausgeschlossen worden sei. Art. 86 Abs. 1 lit. c VUV bestimme die Frist, innert welcher das Gesuch um Übergangsentschädigung einzureichen sei. Aus dieser Bestimmung lasse sich indes keine (zusätzliche) Regelung der Zuständigkeit des Versicherers ableiten. Mit Blick auf den Wortlaut der französisch- und italienischsprachigen Fassungen der Norm sei die Formulierung ![]() ![]() | 10 |
5.2 Die Sympany macht insbesondere geltend, zum Zeitpunkt des Erlasses der Nichteignungsverfügung sei der Beschwerdegegner arbeitslos und nicht mehr bei ihr gemäss UVG versichert gewesen. Entgegen der Vorinstanz sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Wortlaut von Art. 86 Abs. 1 lit. c VUV den wahren Sinn der Norm nicht wiedergeben sollte. Konkret stehe die Nichteignungsverfügung vor allem im Zusammenhang mit den künftigen Tätigkeiten des Versicherten, weil er infolge Nichteignungsverfügung bei der Stellensuche eingeschränkt sei. Dieser sei trotz Stellensuche und Leistungen der Arbeitslosenversicherung in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erheblich beeinträchtigt geblieben, weil er keine neue Stelle gefunden habe. Deshalb beanspruche er auch eine Übergangsentschädigung nach Art. 86 ff. VUV. Dafür könne nur die Suva zuständig sein, da sie trotz des Wegfalls der Gefährdung am bisherigen Arbeitsplatz während der Arbeitslosigkeit eine Nichteignungsverfügung ohne Rückwirkung gegenüber der Sympany verfügt habe. Die in der Beschwerde vertretene Auffassung habe entgegen der Vorinstanz nicht zur Folge, dass arbeitslose Versicherte vom Anspruch auf Übergangsentschädigung ausgeschlossen seien, weil in solchen Fällen der Unfallversicherer der Arbeitslosen, d.h. die Suva, als Arbeitgeber im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. c VUV gelte. Es könne nicht entscheidend sein, wie lange die gefährdete Arbeit zurückliege. Ausschlaggebend sei einzig, ob eine Person zum Zeitpunkt des Erlasses ![]() ![]() | 11 |
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Erwägung 6 | |
Erwägung 6.1 | |
6.1.1 Bis Ende 1995 blieben arbeitslose Personen, soweit sie bereits vor ihrer Arbeitslosigkeit nach UVG versichert waren, weiterhin ohne Prämienzahlung für Nichtberufsunfälle versichert. Zuständig war der Versicherer, bei dem sie vor ihrer Arbeitslosigkeit versichert waren. Diese Fortdauer der bisherigen Versicherung stützte sich auf Art. 7 Abs. 1 lit. b der Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) in der bis 30. Juni 2005 geltenden Fassung, aufgrund welcher das Taggeld der Arbeitslosenversicherung als Lohn im Sinne von Art. 3 Abs. 5 UVG galt und so die Versicherung trotz Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht beendet worden war. Das versicherte Risiko wurde somit de facto durch die Prämien für Nichtberufsunfälle jener Branchen finanziert, in welchen die arbeitslose Person während ihrer Erwerbstätigkeit versichert war. Arbeitslose Personen, die vor ihrer Arbeitslosigkeit in keinem Arbeitsverhältnis standen (z.B. Personen nach Abschluss ihrer Ausbildung), waren dagegen nicht nach UVG versichert. Am 1. Januar 1996 ist das Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) mit Art. 22a Abs. 4 ergänzt worden, der die auf der Arbeitslosenentschädigung zu erhebenden Beiträge für die Sozialversicherungen regelt. Seither sind arbeitslose Personen ausschliesslich über die Suva versichert und müssen Prämien bezahlen. Gestützt darauf erliess der Bundesrat die bis 31. Dezember 2016 in Kraft gewesene Verordnung vom 24. Januar 1996 über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen (UVAL; AS 1996 698; Botschaft vom ![]() ![]() | 13 |
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7. Zu prüfen bleibt, ob die Sympany in ihrer Eigenschaft als Unfallversicherer des letzten Arbeitgebers vor Erlass der Nichteignungsverfügung ![]() ![]() | 18 |
Erwägung 7.1 | |
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"Die Entschädigung an Versicherte, die durch den Ausschluss von der bisherigen Arbeit in ihrem Fortkommen erheblich beeinträchtigt werden ![]() ![]() | 23 |
In der parlamentarischen Beratung gab dieser Vorschlag keinen Anlass zu Diskussionen (Urteil 8C_547/2014 vom 15. Oktober 2014 E. 4.2). Die Formulierung von Art. 86 Abs. 1 VUV baut somit auf derjenigen von Art. 18 der bis 31. Dezember 1983 in Kraft gewesenen Verordnung vom 23. Dezember 1960 über die Verhütung von Berufskrankheiten (AS 1960 1660) auf, die wie folgt lautete:
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"Ein Versicherter, der gestützt auf die Artikel 12, Absatz 2 von der ihn gefährdeten Arbeit ausgeschlossen wird und der keinen Anspruch auf Krankengeld- oder Rentenleistungen hat, erhält eine Übergangsentschädigung, sofern er
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a. innert zwei Jahren nach Rechtskraft des Nichteignungsentscheides ein entsprechendes Gesuch stellt;
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b. in einem Zeitraum von zwei Jahren unmittelbar vor Erlass des Nichteignungsentscheides mindestens 300 Tage lang in einem der Versicherung unterstellten Betrieb die Tätigkeit ausgeübt hat, von der er ausgeschlossen wird;
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c. die Vorschriften über die Eignungsuntersuchungen befolgt, insbesondere die ihn gefährdende Tätigkeit innert der festgesetzten Frist aufgegeben hat;
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d. durch den Ausschluss in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erheblich beeinträchtigt ist."
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Die Bestimmung enthielt keine Angaben betreffend den für die Übergangsentschädigung zuständigen Versicherer, da vor Inkrafttreten des UVG am 1. Januar 1984 ausschliesslich die Suva Durchführungsorgan der obligatorischen Unfallversicherung war (LÄUBLI ZIEGLER, a.a.O., N. 3 zu Art. 66 UVG; MOSIMANN, a.a.O., N. 1 zu Art. 66 UVG).
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7.1.5 Bei den Übergangsentschädigungen handelt es sich nicht um Versicherungsleistungen im engeren Sinne, sondern um Leistungen, die im Zusammenhang mit der Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten erbracht werden. Mit ihnen soll die versicherte Person einen teilweisen finanziellen Ausgleich von wirtschaftlichen Nachteilen erhalten, die sie im Voraus zur Verhütung einer Schädigung in Kauf nehmen muss. Sie sollen die berufliche Neuorientierung (Suchen einer anderen Stelle, Erwerb neuer beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten) erleichtern (BGE 138 V 41 E. 4.2 S. 44 mit Hinweisen). Durch die Übergangsentschädigung soll der wirtschaftliche ![]() ![]() | 31 |
In Bezug auf den Arbeitnehmer hat die Nichteignungsverfügung einen doppelten Zweck. Sie zielt einerseits darauf ab, ihn direkt vor dem Risiko eines Berufsunfalls oder einer Berufskrankheit zu bewahren. Andererseits schützt sie ihn im Verhältnis zum Arbeitgeber. Indem sie auch diesen verpflichtet, bewahrt sie den Arbeitnehmer vor einem Konflikt zwischen seiner Gesundheit und seiner vertraglichen Arbeitspflicht (Art. 321 OR; Urteil 8C_154/2010 vom 16. August 2010 E. 7.1; RKUV 2006 Nr. U 589 S. 401, U 41/05 E. 5.1.4). Durch eine Nichteignungsverfügung soll ein gefährdeter Arbeitnehmer möglichst rasch von der risikobehafteten Tätigkeit ausgeschlossen und so ein gesundheitlicher Schaden des Arbeitnehmers abgewendet werden (Urteil 8C_154/2010 vom 16. August 2010 E. 7.1 mit Hinweisen; vgl. auch BBl 1976 III 181 Ziff. 362).
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Schliesslich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Nichteignung zwar ihre Wirkungen in der Zukunft entfaltet, dass aber die massgeblichen Bestimmungen hinsichtlich Vollzug (Art. 80 Abs. 4 VUV) und den damit verbundenen geldwerten Leistungen (Art. 83 f. und 87 VUV) rückwärts auf das Arbeitsverhältnis der gefährdenden Tätigkeit gerichtet sind und primär den bisherigen Arbeitgeber und dessen Unfallversicherer in die Pflicht nehmen.
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7.1.6 Aus dem Wortlaut (E. 7.1.2) ergibt sich zumindest für jene Fälle, bei welchen die versicherte Person im Zeitpunkt des Erlasses ![]() ![]() | 34 |
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Erwägung 7.2 | |
7.2.1 Aus den Akten geht hervor, dass die Nichteignungsverfügung der Suva vom 24. Mai 2012 im Zusammenhang mit der letzten Tätigkeit des Versicherten als Küchengehilfe in der B. AG steht. Die Suva hielt darin fest, im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Versicherten seien gesundheitliche Beschwerden aufgetreten. Diese erforderten eine medizinische Abklärung und Beurteilung. Bei der Wiederaufnahme der früheren Tätigkeit sei die Gesundheit des Versicherten erheblich gefährdet. Dieser werde für Arbeiten mit Expositionen zu Getreidemehlstaub und Staub von Nüssen mit sofortiger Wirkung als nicht geeignet erklärt. Für das Einhalten dieser Massnahme seien der Versicherte und sein Arbeitgeber verantwortlich. Er dürfe entsprechende Arbeiten auch in anderen Betrieben nicht ausüben. Die Arbeitgeberin des Versicherten und die Sympany als deren Unfallversicherer waren bereits anlässlich der Besprechung vom 12. Januar 2012 von der Suva darauf hingewiesen worden, dass im Zusammenhang mit den Allergien des Beschwerdegegners der Erlass einer Nichteignungsverfügung vorgesehen sei, wobei in Aussicht gestellt wurde, dass der Einsatz des Versicherten in einer Küche ![]() ![]() | 36 |
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7.2.3 Im vorliegenden Fall rechtfertigt es sich daher, die Sympany als Versicherer des letzten Arbeitgebers des Beschwerdegegners als zuständig für eine (allfällig geschuldete) Übergangsentschädigung gemäss Art. 86 Abs. 1 VUV zu erklären. Für diese Auslegung spricht auch, dass es die Konstellation geben kann, in der die versicherte Person nach Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses keine Ansprüche auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung hat und daher weder bei der Suva noch bei einem Arbeitgeber nach UVG obligatorisch gegen die Folgen von Berufsunfällen und Berufskrankheiten versichert ist. Würde der Argumentation der Sympany gefolgt, hätte dies zur Folge, dass der versicherten Person überhaupt keine Übergangsentschädigung zustehen würde, was nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein kann. Auch zeigt der hier zu beurteilende Fall auf, ![]() ![]() | 38 |
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7.2.5 Die Frage der Zuständigkeit in Fällen, in denen die versicherte Person im Zeitpunkt des Erlasses der Nichteignungsverfügung bei ![]() ![]() | 40 |
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