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31. Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Regionale Sozialdienste A. und B. gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_135/2020 vom 30. September 2020 | |
Regeste |
Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG; Art. 16 Abs. 2 FZV; Zeitpunkt der Anrechnung von Guthaben eines Freizügigkeitskontos bei rückwirkender Ausrichtung von Ergänzungsleistungen zur Invalidenrente. |
Der in Art. 16 Abs. 2 FZV normierte Anspruch auf Auszahlung des Guthabens eines Freizügigkeitskontos entsteht mit Rechtskraft der Zusprache einer ganzen Rente der Invalidenversicherung (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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B. Die hiergegen eingereichten Beschwerden der Regionalen Sozialdienste A. sowie des B. wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern nach Vereinigung der Verfahren mit Entscheid vom 14. Januar 2020 ab.
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C. Die Regionalen Sozialdienste A. und B. führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, es sei der vorinstanzliche Entscheid vom 14. Januar 2020 aufzuheben und das vom Versicherten per 10. April 2018 herausgelöste Freizügigkeitsguthaben in Höhe von Fr. 111'393.- abzüglich der Steuerbelastung von Fr. 5'569.80 und des Vermögensfreibetrags von Fr. 37'500.- bei der Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen einnahmeseitig (erst) ab 1. März 2018, eventualiter ab 8. Februar 2018, ![]() ![]() | 3 |
Die Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Regionalen Sozialdienste A. nehmen mit Eingabe vom 11. Mai 2020 abschliessend Stellung.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Erwägungen: | |
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3.3.1 In BGE 140 V 201 E. 2.2 S. 203 f. hielt das Bundesgericht fest: "Demzufolge ist der EL-berechtigten Person das Freizügigkeitskapital, welches sie gestützt auf Art. 16 Abs. 2 FZV beziehen könnte, in dem Zeitpunkt, in dem sie Anspruch auf eine ganze Invalidenrente begründet, als Vermögen anzurechnen (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts P 56/05 vom 29. Mai 2006 E. 3, in: SVR 2007 EL Nr. 3 S. 5 und Urteil 9C_612/2012 vom 28. November 2012 E. 3.3; CARIGIET/KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 164)." Im zu beurteilenden Fall wurde der Versicherten am 11. April 2011 rückwirkend ab 1. Juli 2010 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zugesprochen, mit Verfügung vom ![]() ![]() | 14 |
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3.3.3 Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil 9C_390/2012 vom 20. Juli 2012, wonach Freizügigkeitskapital anrechenbares Vermögen bildet, sofern die Auszahlung verlangt werden könnte. Die dort zitierten Urteile 9C_41/2011 vom 16. August 2011 E. 6.2 und 9C_ 112/2011 vom 5. August 2011 E. 2 äussern sich zur hier strittigen Frage nicht. Das erste betraf den Erlass einer Rückforderung von Ergänzungsleistungen. Die Versicherte hatte es unterlassen, nach Zusprache einer ganzen Invalidenrente (auch) an ihren Ehemann der EL-Durchführungsstelle dessen Freizügigkeitskonto anzugeben. Die Rückforderung betraf nicht den Zeitraum ab Berentung des Ehemannes, sondern ab Kenntnis der diesbezüglichen Verfügung. Das zweite Urteil betraf die Verwirkung eines Rückforderungsanspruchs und damit zusammenhängend die Frage, inwieweit aus dem ![]() ![]() | 16 |
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4. Die Anrechnung des Freizügigkeitskapitals als verzehrbarer Vermögenswert im Sinne des Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG setzt nach der referierten Rechtsprechung nicht einen tatsächlich erfolgten Bezug, sondern den bloss möglichen im Sinne eines rechtlich zulässigen Bezuges voraus. Möglich ist der Bezug des Guthabens, wenn der Versicherte eine volle (recte: ganze) Rente der Invalidenversicherung bezieht (Art. 16 Abs. 2 FZV). Die Beantwortung der Streitfrage hängt mithin davon ab, ab welchem Zeitpunkt im Sinne von Art. 16 Abs. 2 FZV von einem Bezug der Invalidenrente auszugehen ist. Es ist auszulegen, ob damit der Zeitpunkt des - oft ![]() ![]() | 20 |
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Art. 16 Auszahlung der Altersleistungen
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2 Beziehen die Versicherten eine volle Invalidenrente der Eidgenössischen Invalidenversicherung und wird das Invaliditätsrisiko nach Artikel 10 Absätze 2 und 3 zweiter Satz nicht zusätzlich versichert, so wird die Altersleistung auf Begehren der Versicherten vorzeitig ausbezahlt.
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Art. 16 Paiement des prestations de vieillesse
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2 Si l'assuré perçoit une rente entière d'invalidité de l'assurance fédérale et si le risque d'invalidité n'est pas assuré à titre complémentaire au sens de l'art. 10, al. 2 et 3, deuxième phrase, la prestation de vieillesse lui est versée plus tôt, sur sa demande.
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Art. 16 Pagamento delle prestazioni di vecchiaia
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2 Se gli assicurati percepiscono una rendita completa d'invalidità dell'assicurazione federale invalidità e il rischio d'invalidità non è coperto a titolo complementare secondo l'articolo 10 capoversi 2 e 3 secondo periodo, la prestazione di vecchiaia è versata anticipatamente su domanda dell'assicurato.
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5.2 Bei Renten der Invalidenversicherung sind auseinanderzuhalten die Anspruchsentstehung, der Anspruchsbeginn und die Rentenzahlung (Urteil 9C_348/2018 vom 23. Januar 2019 E. 3.2; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, ![]() ![]() | 29 |
Die drei Sprachfassungen von Art. 16 Abs. 2 FZV knüpfen die Entstehung des Anspruchs auf Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens übereinstimmend an den Bezug bzw. den Erhalt einer ganzen Rente. Ob damit der Beginn des Rentenanspruchs oder aber der Zeitpunkt der Leistungsverfügung der IV-Stelle als Auslöser der Rentenzahlung gemeint ist, ergibt sich aus diesem Wortlaut nicht unmittelbar (vgl. auch BGE 139 V 442 E. 4.2.1 S. 447). Es ist demnach nach der wahren Tragweite der Norm zu suchen (oben E. 5 Ingress).
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7. Die unterliegende Beschwerdegegnerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die Regionalen Sozialdienste A. haben keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). Der durch diese vertretene B. hat ebenfalls keinen Anspruch auf Parteientschädigung, schliesst er sich doch vollumfänglich dem Rechtsstandpunkt der in eigenem Namen prozessierenden Regionalen Sozialdienste A. an. Für die Wahrung seiner Interessen sind damit weder ihm selbst noch der Vertretung entschädigungspflichtige Arbeitsaufwände angefallen. Aus demselben Grund erübrigt sich auch eine Rückweisung an die Vorinstanz zur Neuverlegung der Parteientschädigung im kantonalen Gerichtsverfahren. ![]() | 36 |
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