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2. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Bundesamt für Gesundheit (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_537/2020 vom 13. April 2021 | |
Regeste |
Art. 32, 43 Abs. 6 und Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 65b Abs. 1, 2 lit. b, Abs. 4bis und 5 KVV; Art. 34f Abs. 1 KLV; Vergleichsgruppenbildung im Zuge des therapeutischen Quervergleichs (TQV). | |
Sachverhalt | |
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A.a Die A. AG ist Zulassungsinhaberin des vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassenen Arzneimittels X., welches unter der Rubrik Geschlechtshormone/Gonadotropine und Analoge mit der Limitatio "Einfache follikuläre Stimulation" in verschiedenen Packungsgrössen und Dosierungen auf der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste [SL]) figuriert (X. Trockensub 75 E c solv/Ampulle 10 Stück [nachfolgend: X. Ampulle], X. Multidose Trockensub 600 E c solv/Durchstechflasche 1 Stück [nachfolgend: X. Multidose] und X. Multidose Trockensub 1200 E c solv/Durchstechflasche 1 Stück). Es enthält den Wirkstoff B., ein hochgereinigtes humanes Menopausengonadotropin (hMG), das aus menschlichem Urin gewonnen und zur Stimulation des Follikelwachstums bei Infertilität eingesetzt wird.
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A.b Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte der A. AG mit Rundschreiben vom 10. Februar 2017 mit, dass X. der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen der in der SL gelisteten Präparate unterzogen werde, und ersuchte um Eingabe der dafür erforderlichen Daten in die bereitgestellte Internet-Applikation bis 31. März 2017. Insbesondere wurden Angaben zur Wirksamkeit und Zweckmässigkeit sowie - mit Blick auf das Kriterium der Wirtschaftlichkeit - zu den Grundlagen des von der A. AG vorgenommenen Therapeutischen Quervergleichs (TQV) gefordert. In Bezug auf den TQV schlug die A. AG als Vergleichspräparate fünf ![]() ![]() | 3 |
B. Das dagegen angehobene Beschwerdeverfahren, in dessen Verlauf die A. AG auf das Medikament S. als Referenzpräparat verzichtete, beschied das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 19. Juni 2020 abschlägig.
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C. Die A. AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie der Verfügung des BAG vom 14. Dezember 2017 seien der aktuelle FAP von X. Ampulle im Betrag von Fr. 286.55 und von X. Multidose im Betrag von Fr. 228.28 als wirtschaftlich zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache zur Neuberechnung der wirtschaftlichen FAP und PP an die Vorinstanz oder an das BAG zurückzuweisen mit der Auflage, X. Ampulle sowie X. Multidose seien einem TQV mit den Gonadotropinen U., Q., R. und T. basierend auf der kleinsten Packungsgrösse X. Multidose, subeventualiter basierend auf der Packung X. Ampulle zu unterziehen. Der Eingabe liegt u.a. eine Stellungnahme des Prof. Dr. med. C., Chefarzt, Spital D., Spezialkliniken Frauenklinik, Reproduktionsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie (RME), vom 24. August 2020 bei.
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Das BAG schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
3.1 Streitgegenstand bildet die Frage, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die vom BAG am 14. Dezember 2017 auf ![]() ![]() | 8 |
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3.2.2 Ein Arzneimittel gilt nach Art. 65b Abs. 1 KVV als wirtschaftlich, wenn es die indizierte Heilwirkung mit möglichst geringem finanziellem Aufwand gewährleistet. Diese Bestimmung konkretisiert das in Art. 43 Abs. 6 KVG festgehaltene Sparsamkeitsgebot bzw. ![]() ![]() | 11 |
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Umstritten ist in diesem Zusammenhang jedoch die vom Beschwerdegegner im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen angeordnete und vorinstanzlich bekräftigte Preisreduktion. Dabei wurde die Berechnung des APV nicht beanstandet. Zu Diskussionen Anlass gab und gibt demgegenüber in erster Linie die durch das BAG vorgenommene TQV-Vergleichsgruppenbildung. Die Beschwerdeführerin macht dabei eine unsachgemässe Ausübung des dem BAG in diesem Bereich zustehenden Ermessensspielraums geltend, indem es als Vergleichsarzneimittel einzig U. und nicht auch die von ihr vorgeschlagenen Gonadotropine T., R. und Q. zugelassen habe. Ferner wird gerügt, der TQV sei entgegen der verordnungsmässigen Vorgabe nicht auf der Basis der kleinsten Packung von X. durchgeführt worden.
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5.1 Bei der Durchführung des TQV ist die Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels gemäss Art. 65b Abs. 2 lit. b KVV (in der seit 1. März 2017 in Kraft stehenden, hier massgeblichen Fassung) auf Grund des "Vergleichs mit anderen Arzneimitteln" zu beurteilen. In Art. 65b Abs. 4bis KVV, neu eingefügt auf 1. März 2017, wird der Kreis der für den TQV heranzuziehenden Arzneimittel auf solche festgelegt, ![]() ![]() | 15 |
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5.2.1 Mit Blick auf diese Rechtslage war höchstrichterlich erkannt worden ( BGE 143 V 369 E. 5.3 S. 375 ff.), die gesetzeskonforme Auslegung von aArt. 34 Abs. 2 lit. b und c KLV (und damit infolge des weitgehend identischen Wortlauts auch von aArt. 34 Abs. 1 lit. a und b KLV in den vom 1. Juni 2015 bis 28. Februar 2017 gültigen Fassungen) ergebe, dass der Entscheid über die Vergleichsgruppenbildung sowohl in Bezug auf die Kriterien "gleiche Indikation" und "ähnliche Wirkungsweise" als auch hinsichtlich der Auswahl und Anzahl der heranzuziehenden Arzneimittel Ermessenscharakter aufweise. Mithin stehe es im Ermessen der Verwaltung, im jeweiligen Einzelfall in einem ersten Schritt zu entscheiden, anhand welcher der beiden Kriterien die Menge der potentiellen Vergleichsarzneimittel zu bilden sei. In einem zweiten Schritt stehe es in ihrem Ermessen, darüber zu befinden, welche und damit auch wie viele der in Frage kommenden Arzneimittel vor dem Hintergrund der ![]() ![]() | 17 |
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Erwägung 5.3 | |
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Im Rahmen der Anwendung von aArt. 34 Abs. 2 KLV wurde in der Rechtsprechung ferner erwogen, dass bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit der Präparate auf den Wortlaut der heilmittelrechtlichen Zulassung bzw. der entsprechenden Fachinformation abzustellen ist, zumal ein Arzneimittel nur in den Grenzen der von Swissmedic zugelassenen Indikationen und Anwendungsvorschriften in die SL aufgenommen werden darf. Die therapeutische Gleichwertigkeit muss dabei mit klinischen Studien belegt werden ( BGE 143 V 369 E. 6 S. 382 ff. mit Hinweisen).
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Das Bundesgericht hat sich des Weitern in BGE 110 V 199 - noch unter der Herrschaft des KUVG, wobei die damaligen Regelungen mit der ab 1. Juli 2002 geltenden Bestimmung von aArt. 34 Abs. 2 KLV (und damit auch von aArt. 34 Abs. 1 lit. a und b KLV in den vom 1. Juni 2015 bis 28. Februar 2017 gültigen Fassungen) ![]() ![]() | 21 |
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Vielmehr hatte das Bundesgericht im besagten Leiturteil u.a. entschieden, es gehe nicht an, dass sich das BAG bei der dreijährlichen Überprüfung der SL-Aufnahmebedingungen - wie noch gemäss der bis 31. Mai 2015 geltenden Fassung von Art. 65d KVV vorgesehen - bei der Beurteilung des Kriteriums der Wirtschaftlichkeit einzig auf einen APV beschränke. Auch der TQV sei periodisch durchzuführen, könne doch nur auf diese Weise dem Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Arzneimittels hinreichend Rechnung getragen werden. Da KVV und KLV in ihren seit 1. Juni 2015 in Kraft stehenden Fassungen weiterhin nicht ausdrücklich erwähnten, dass die WZW-Kriterien im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen stets kontrolliert wurden und ein TQV immer erfolgte, passte der Verordnungsgeber die Bestimmungen per 1. März 2017 in diesem Sinne an (vgl. dazu die vom BAG herausgegebenen "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" vom 1. Februar 2017 zu den KVV- und KLV-Änderungen per 1. März 2017, S. 4 Ziff. 1.1 [nachfolgend: Kommentar BAG; abrufbar unter www.bag.admin.ch; zum rechtlichen Stellenwert entsprechender bundesamtlicher Kommentierungen siehe BGE 145 V 289 E. 5.4.2 S. 299 f. mit Hinweisen]).
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Spezifisch zur Neufassung von Art. 65b Abs. 4bis KVV hatte das BAG gleichenorts ferner angemerkt (Kommentar BAG, S. 9 Ziff. 1.3), der TQV habe eine Anpassung der Definition erfahren. Bisher habe aArt. 34 Abs. 1 KLV bestimmt, dass beim TQV die Wirksamkeit respektive die Kosten im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise überprüft würden. ![]() ![]() | 24 |
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Daran ändert insbesondere die Anmerkung des BAG zu Art. 65b Abs. 4bis KVV im von ihm herausgegebenen Handbuch betreffend die SL (nachfolgend: SL-Handbuch; abrufbar unter www.bag.admin.ch; zu dessen Beweiswertigkeit siehe BGE 145 V 289 E. 5.4.2 S. 299 f. mit Hinweisen) nichts, wonach keine Deckungsgleichheit ![]() ![]() | 26 |
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Erwägung 6 | |
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Die Beschwerdeführerin bringt nicht vor, der TQV sei anhand eines nicht mit X. vergleichbaren Arzneimittels durchgeführt worden. Vielmehr wendet sie zur Hauptsache ein, die von ihr zusätzlich angeführten Präparate T., Q. und R., die ebenfalls - unstrittig - die einfache follikuläre Stimulation bei Infertilität bezweckten, erwiesen sich mit Blick auf ihre Indikation als gleichwertig und seien daher, zumal praktikabler in der Anwendung als U., ebenfalls in den TQV miteinzubeziehen. Ihre Nichtberücksichtigung verletze Art. 65b Abs. 2 lit. b und Abs. 4 bis KVV sowie Art. 34f Abs. 1 KLV und sei willkürlich.
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6.2 Herauszustreichen ist vorab, dass nach den vorstehend dargelegten - weiterhin geltenden - Prinzipien der Entscheid des BAG über die Vergleichsgruppenbildung sowohl in Bezug auf die Kriterien "gleiche Indikation" und "ähnliche Wirkungsweise" respektive nunmehr "zur Behandlung derselben Krankheit dienend" als auch hinsichtlich der hier umstrittenen Auswahl und Anzahl der für den TQV heranzuziehenden Arzneimittel Ermessenscharakter aufweist. Es besteht keine Pflicht, die Vergleichsgruppe nicht nur aus einer Auswahl, sondern aus sämtlichen bzw. zumindest mehreren der in Frage kommenden, d.h. vergleichbaren, Arzneimitteln zu bilden. Im Gegenteil ist es zulässig, den TQV auf ein einziges (Konkurrenz-)Präparat zu beschränken (E. 5.3.1 hiervor). Eine derartige Vorgabe, die ![]() ![]() | 31 |
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Rechtsfrage ist hingegen, ob sich die Vergleichsarzneimittel bezüglich Indikation oder Wirkungsweise (zur Bedeutung des Begriffs Wirkungsweise: BGE 144 V 14 E. 5.3 S. 16 ff.) bzw. neu generell ihrer Eignung, zur Behandlung derselben Krankheit eingesetzt werden zu können, im Sinne der Rechtsprechung nicht "wesentlich" vom zu überprüfenden Arzneimittel unterscheiden ( BGE 127 V 275 E. 2b S. 279 mit Hinweis auf BGE 110 V 199 E. 3a S. 203 f.; vgl. auch BGE 143 V 369 E. 5.4.2 S. 379 f.).
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6.3.1 Inwiefern das in casu von der Verwaltung gewählte und von der Vorinstanz bestätigte Prozedere, nur ein Arzneimittel mit identischer Indikation und Wirkungsweise - und daher der Behandlung derselben Krankheit dienend - in den TQV einzubeziehen, ![]() ![]() | 34 |
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6.4 Mit dem Medikament U. ist daher die Möglichkeit einer alternativen Therapieanwendung im Sinne des gemäss Art. 65b Abs. 2 lit. b ![]() ![]() ![]() | 36 |
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