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36. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Stiftung Auffangeinrichtung BVG gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_106/2021 vom 6. Juli 2021 | |
Regeste |
Art. 2 Abs. 3, Art. 10 Abs. 1 und Art. 23 lit. a BVG; Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 3. März 1997 über die obligatorische berufliche Vorsorge von arbeitslosen Personen; Versicherungsschutz bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach der Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung, aber vor der Ausrichtung der Arbeitslosenentschädigung. | |
Sachverhalt | |
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A.a Der 1958 geborene A. war bis 31. Oktober 2014 bei der B. AG als Geschäftsführer angestellt. Im Juni 2013 ersuchte er um Leistungen der Invalidenversicherung, dies unter Hinweis auf psychische Beschwerden sowie eine Herzerkrankung. Die IV-Stelle des Kantons Aargau sprach ihm vom 1. Februar 2014 bis 30. April 2015 Frühinterventions- bzw. Integrationsmassnahmen in Form von Belastbarkeitstrainings zu. Am 30. Juni 2015 meldete sich A. sodann bei der Arbeitslosenversicherung zum Taggeldbezug an, worauf das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau feststellte, A. sei ab 1. August 2015 vermittlungsfähig und habe ab diesem Datum die Kontrollvorschriften zu erfüllen (Verfügung vom 25. August 2015). Mit Verfügung vom 2. Mai 2018 bejahte die IV-Stelle den Anspruch auf eine halbe Invalidenrente rückwirkend ab 1. September 2016 (Invaliditätsgrad von 55 %).
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A.b Im Juni 2018 ersuchte A. die Stiftung Auffangeinrichtung BVG (nachfolgend: Auffangeinrichtung) um Invalidenleistungen aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge für arbeitslose Personen. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2018 lehnte die Auffangeinrichtung das Begehren ab. Es bestehe bei ihr keine Versicherungsdeckung, weil A. bei Eintritt der invaliditätsbegründenden Arbeitsunfähigkeit im September 2015 keine Arbeitslosentaggelder bezogen habe. An diesem Standpunkt hielt die Auffangeinrichtung in der weiteren Korrespondenz fest.
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B. Klageweise liess A. beantragen, die Auffangeinrichtung habe ihm ab 1. September 2016 Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge auszurichten nebst Zins zu 5 %. Nach Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels und Beizug der Akten der IV-Stelle ![]() ![]() | 4 |
C. Die Auffangeinrichtung führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, das kantonale Urteil sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie nach der Vornahme weiterer Abklärungen neu über die Zuständigkeit entscheide.
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A. lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 3 | |
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3.2 Gemäss Art. 2 Abs. 3 BVG unterstehen die Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung für die Risiken Tod und Invalidität der obligatorischen Versicherung. Diese beginnt gemäss Art. 10 Abs. 1 BVG mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses, für Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit dem Tag, für den erstmals eine Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird (vgl. dazu SVR 2011 BVG Nr. 30 S. 114, 9C_793/2010 E. 4). Nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 3. März 1997 über die obligatorische berufliche Vorsorge von arbeitslosen Personen (SR 837.174) ![]() ![]() | 10 |
(...)
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Erwägung 5 | |
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5.3 In BGE 139 V 579 erwog das Bundesgericht, der Gesetzgeber habe in Art. 10 Abs. 1 BVG für den Beginn der obligatorischen Versicherung in allen drei Sprachfassungen den konkreten entschädigungsberechtigten Tag im Auge gehabt. Aus dem gesetzgeberischen Entstehungsprozess werde das Bestreben deutlich, den Versicherungsschutz der beruflichen Vorsorge bei Tod und Invalidität "während der Arbeitslosigkeit" sicherzustellen (E. 4.1). Dem widerspräche eine Lösung, die einen Versicherungsschutz erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Ausrichtung von Arbeitslosentaggeldern ![]() ![]() | 14 |
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5.5 Dass es trotz grundsätzlicher Anspruchsberechtigung nach Art. 8 AVIG (SR 837.0) nicht zur Auszahlung von Arbeitslosentaggeld kommt, kann - wie der hier zu beurteilende Sachverhalt zeigt - seinen Grund nun aber auch darin haben, dass für dieselbe Zeit Kranken- oder Unfalltaggelder ausgerichtet werden. So erfüllte der Beschwerdegegner ab 1. August 2015 zwar die Voraussetzungen des Art. 8 AVIG, erhielt aber keine Arbeitslosenentschädigung, weil er Krankentaggelder bezog, welche denselben Zeitraum betrafen. Denn damit es beim Zusammentreffen von Arbeitslosen- und Kranken- oder Unfalltaggeldern nicht zu einer Überentschädigung kommt, ist in Art. 28 Abs. 2 AVIG vorgesehen, dass Taggelder der Kranken- oder Unfallversicherung, die Erwerbsersatz darstellen, von der Arbeitslosenentschädigung abgezogen werden. Die Arbeitslosenversicherung ist subsidiär leistungspflichtig zur privaten Versicherung, die den Erwerbsausfall infolge Krankheit oder Unfall deckt (Art. 28 ![]() ![]() | 16 |
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Nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin, soweit sie aus systematischen Gründen zum gegenteiligen Schluss gelangt. Sie beruft sich insbesondere auf Art. 4 der Verordnung vom 3. März 1997 über die obligatorische berufliche Vorsorge von arbeitslosen Personen, wonach der koordinierte Tageslohn zu versichern ist (Abs. 1), welcher die positive Differenz aus dem Arbeitslosentaggeld abzüglich des auf einen Tag nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung umgerechneten Koordinationsabzuges ist (Abs. 2). Dass die Arbeitslosenentschädigung zur Auszahlung gelangen muss, damit überhaupt eine positive Differenz und damit ein koordinierter Tageslohn resultieren kann, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, ergibt sich allerdings auch aus dieser Verordnungsbestimmung nicht. Vielmehr ist eine Ermittlung der Höhe des Arbeitslosentaggeldes auch erforderlich für die Prüfung der Frage, ob nach Abzug allfälliger Kranken- oder Unfalltaggelder noch eine Arbeitslosenentschädigung zu erbringen ist. Ebenso wenig überzeugt die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang weiter geltend gemachte Parallele zu den Personen, die einen Zwischenverdienst erzielen. Denn diese sind für die Zwischenverdiensttätigkeit in der Regel bei der Vorsorgeeinrichtung ihres Zwischenverdienstarbeitgebers für die Risiken Alter, Tod und Invalidität versichert und für den Taggeldbezug bei der Auffangeinrichtung für die Risiken Tod und Invalidität (vgl. Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 38 vom 12. März 1997 S. 10), womit sie so oder anders Versicherungsschutz der beruflichen Vorsorge geniessen.
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5.7 Anders zu entscheiden - d.h. die Versicherung erst im Zeitpunkt beginnen zu lassen, in welchem die Krankentaggelder niedriger sind ![]() ![]() | 19 |
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