BGer 4C.365/1999 | |||
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BGer 4C.365/1999 vom 11.01.2000 | |
«AZA 3»
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4C.365/1999/rnd
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I. Z I V I L A B T E I L U N G
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11. Januar 2000
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Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und Gerichtsschreiber Luczak.
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In Sachen
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Daniel L o o s l i, Tannholzstrasse 41, 8910 Affoltern am Albis, Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Renzo Guzzi, Lavaterstrasse 61, Postfach 208, 8002 Zürich,
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gegen
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Giorgio A. L i n k o w s k i, Berninastrasse 69, 8057 Zürich, Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Vögele, c/o Dürr Vögele Partner, Kreuzstrasse 54, Postfach, 8032 Zürich,
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betreffend
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unerlaubte Handlung,
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hat sich ergeben:
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A.- Daniel Loosli (Beklagter) war einzelzeichnungsberechtigter Präsident des Verwaltungsrates der Profestra AG. Dieses Unternehmen besorgte insbesondere Warentermingeschäfte auf Rechnung Dritter. Bei dieser Firma investierte Giorgio A. Linkowski (Kläger) am 11. Januar 1991 Fr. 100'000.-- zur Anlage in Optionen, wobei er eine "stop loss order bei 30% Verlust der Nettooptionsprämie (d. h. excl. Commission)" vereinbarte, die auf der Auftragsbestätigung vermerkt wurde. Die Geschäfte, welche die Profestra AG mit diesem Geld tätigte, führten zu einem Verlust. Die "stop loss order" blieb unbeachtet. Am 11. März 1991 legte der Kläger weitere Fr. 30'000.-- bei der Profestra AG an, diesmal ohne "stop loss order". Der Kläger wurde nach eigenen Angaben nicht über die Höhe der bisherigen Verluste aufgeklärt und war der Meinung, das ursprüngliche Kapital sei noch in der Höhe der "stop loss order" vorhanden. Auch mit den neuen Geldmitteln wirtschaftete die Profestra AG nicht erfolgreicher und verlor das gesamte vom Kläger investierte Kapital bis auf Fr. 21'000.--, die sie zurückerstattete.
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B.- Der Beklagte wurde aufgrund seiner Tätigkeit im Rahmen der Profestra AG wegen ungetreuer Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 Abs. 1 und 2 aStGB rechtskräftig verurteilt. Das Schadenersatzbegehren des Klägers wurde auf den Zivilweg gewiesen. Daher reichte der Kläger beim Bezirksgericht Affoltern gegen den Beklagten Klage ein. Er verlangte Fr. 79'000.- zuzüglich 5% Zins ab dem 8. August 1991. Das Bezirksgericht schützte die Klage am 17. Dezember 1998 im Betrag von Fr. 41'904.60 nebst dem verlangten Zins. Beide Parteien erhoben Berufung. Das Obergericht des Kantons Zürich verpflichtete den Beklagten am 26. August 1999, dem Kläger Fr. 75'370.- nebst Zins zu 5% seit 8. August 1991 zu bezahlen und wies die Klage im Übrigen ab. Es anerkannte die Schadenersatzforderung bezüglich der ersten Fr. 100'000.-- im Betrage der vereinbarten "stop loss order". In Bezug auf die zweite Geldtranche von Fr. 30'000.-- kürzte das Obergericht die Schadenersatzforderung wegen Selbstverschuldens des Klägers um einen Viertel.
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C.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung erhoben. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne von Art. 64 OG an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Der Beklagte macht geltend, das Obergericht hätte den Umfang seiner Haftung angesichts des geringen Verschuldens reduzieren müssen.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann eine Haftungsreduktion gemäss Art. 43 Abs. 1 OR in der Regel nur jenem Schädiger gewährt werden, dem bloss leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt (BGE 96 II 172 E. 3a; 92 II 234 E. 3b S. 240; 91 II 291 E. 4b S. 297 mit weiteren Hinweisen; Urteil vom 20. Juni 1994, in: SJ, 1995 S. 97). Massgebend ist dabei allein das Verschulden des Belangten. Ein mitwirkendes Drittverschulden stellt keinen Grund zur Haftungsreduktion dar (BGE 113 II 323 E. 2b S. 331), sofern es nicht einer Hilfsperson des Geschädigten anzulasten ist, deren Verhalten sich dieser gemäss Art. 101 Abs. 1 OR anrechnen lassen muss und für das er nach Art. 44 Abs. 1 OR einzustehen hat (BGE 119 II 127 E. 4a S. 130; 95 II 43 E. 4c S. 53f). Eine weitergehende Berücksichtigung des Drittverschuldens wäre mit dem Grundsatz der solidarischen Haftung mehrerer Schädiger (Art. 50 OR) nicht vereinbar, sofern das Drittverschulden nicht derart schwerwiegend ist, dass es den Kausalzusammenhang unterbricht (BGE 116 II 519 E. 4b S. 524).
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b) Das Bezirksgericht nahm in seinem Entscheid ausführlich zum Verhalten des Beklagten Stellung und kam zum Schluss, dass dieser eventualvorsätzlich gehandelt habe. Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Schaden als möglich voraussieht, aber gleichwohl handelt, weil er den schädigenden Erfolg seines Verhaltens in Kauf nimmt. Für den Fall, dass der Schaden eintreten sollte, findet er sich damit ab (BGE 120 IV 190 E. 2b, S. 193 mit Hinweis). Der Beklagte gesteht selbst zu, seine Überwachungspflichten vernachlässigt zu haben. Er sorgte nicht dafür, dass die "stop loss order" eingehalten wurde. Das Bezirksgericht stellt in seinem Entscheid fest, der Beklagte habe gewusst, dass die Verkäufer die kaum kontrollierbaren "stop loss orders" lediglich als Verkaufsargument nutzten und so den Kläger bewusst irreführten. Er liess die Geschäfte von Personen führen, die diesbezüglich keine hinreichende Ausbildung besassen. Gerade unter diesen Umständen hätte er die Angestellten umso sorgfältiger überwachen müssen. Mit dem Obergericht ist das Verhalten des Beklagten als eventualvorsätzlich zu bezeichnen. Von geringer Fahrlässigkeit kann keine Rede sein. Damit fällt in Bezug auf das Verschulden eine Haftungsreduktion nach Art. 43 OR ausser Betracht. Ein allfälliges mitwirkendes Drittverschulden der Angestellten bleibt aus den dargelegten Gründen unbeachtlich.
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2.- Der Beklagte ruft neben dem geringen Verschulden weitere Reduktionsgründe nach Art. 43 OR an, die das Obergericht nicht berücksichtigt habe. Er zählt zwar in der Berufung die verschiedenen Aspekte auf, die er berücksichtigt wissen will (Zufall, finanzielle Aspekte, persönliches Umfeld und die heutige Situation des Beklagten), substanziiert jedoch in keiner Weise, inwiefern sie zu einer Verringerung der Haftung führen könnten. Obwohl das Kantonsgericht gewisse Vorbringen ausdrücklich als verspätet und zuwenig substanziiert zurückweist, legt der Beklagte zudem nicht dar, dass er die Vorbringen rechtzeitig, prozesskonform und hinreichend substanziiert im kantonalen Prozessverfahren einbrachte. Insofern kann auf die Berufung mangels hinreichender Begründung nicht eingetreten werden. Wohl wendet der Richter Art. 43 OR von Amtes wegen an (BGE 111 II 156 E. 4 S. 161), dies entbindet die Parteien aber nicht davon, ihre tatsächlichen Behauptungen korrekt in den Prozess einzubringen. Soweit der Beklagte neue Tatsachen vorbringt oder von den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts abweichende Ausführungen macht, ist er damit in der Berufung nicht zu hören (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
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3.- a) Auch in Bezug auf die zweite Investitionstranche (Fr. 30'000.--) besteht kein Grund zu einer Haftungsreduktion nach Art. 43 Abs. 1 OR. Für diese Tranche vereinbarten die Parteien keine "stop loss order". Dies hat das Obergericht berücksichtigt und den Anspruch des Klägers wegen Einwilligung in das hohe Risiko um einen Viertel gekürzt. Nach den Feststellungen des Obergerichts unterliess es der Beklagte aber, den Kläger über die bisherigen Verluste zu informieren, worin das Obergericht eine Verletzung der geschäftlichen Kontroll- und Überwachungspflichten sieht.
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b) Weshalb diese Verletzung anders als in Bezug auf die erste Einlage (Fr. 100'000.--) zu gewichten sein soll, zeigt der Beklagte nicht auf. Er beschränkt sich auf die - unbegründete - Rüge, die Vorinstanz habe eine Verschuldensabwägung unterlassen. Ein Verstoss gegen Art. 43 OR ist mithin nicht ersichtlich. In den übrigen Punkten beanstandet der Beklagte den angefochtenen Entscheid nicht.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) vom 26. August 1999 wird bestätigt.
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2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 4000.-- wird dem Beklagten auferlegt.
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3.- Der Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5000.-- zu entschädigen.
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4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. Januar 2000
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Im Namen der I. Zivilabteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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