BGer 5C.264/1999 | |||
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BGer 5C.264/1999 vom 13.01.2000 | |
[AZA 0]
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5C.264/1999/bnm
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II. Z I V I L A B T E I L U N G
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13. Januar 2000
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Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Merkli und
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Gerichtsschreiber Gysel.
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In Sachen
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A.________, Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwältin Hannelore Fuchs, Oberer Graben 44, 9000 St. Gallen,
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gegen
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B.________, Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Adrian Rüesch, Oberer Graben 43, 9000 St. Gallen,
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betreffend
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Ehescheidung, hat sich ergeben:
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Gestützt auf eine Klage des Ehemannes sprach das Bezirksgericht St. Gallen (II. Abteilung) am 14. September 1998 die Scheidung der von B.________, geboren 1923, und A.________, geboren 1935, am 23. April 1960 geschlossenen Ehe aus. Es erkannte ferner, dass keine Frauenrente festgesetzt und der Kläger verpflichtet werde, der Beklagten aus Güterrecht Fr. 3'635'683. 25 zu zahlen. Ausserdem traf das Bezirksgericht eine Regelung für das Nach- und Strafsteuerverfahren und verwies die Aufteilung des Mobiliars in einen separaten Prozess. Die Kosten wurden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.
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Die Beklagte, die sich der Scheidungsklage von Anfang widersetzt hatte, erhob Berufung an das Kantonsgericht mit dem Begehren, die Klage abzuweisen. Mit Anschlussberufung verlangte der Kläger, die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens seien vollumfänglich der Beklagten aufzuerlegen.
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Am 30. September 1999 wies das Kantonsgericht (II. Zivilkammer) beide Rechtsmittel ab.
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Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts hat die Beklagte sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Berufung erhoben. Mit der Berufung verlangt sie die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache zu neuer Beurteilung durch die Vorinstanz.
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Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden.
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Mit Urteil vom heutigen Tag hat die erkennende Abteilung die staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Das Kantonsgericht geht davon aus, das eheliche Verhältnis zwischen den Parteien sei tief und unheilbar zerrüttet, und hält ausserdem dafür, den Kläger treffe daran kein Verschulden, das den Scheidungsanspruch ausschliessen würde. Im Einzelnen erklärt es, das von der Beklagten als diskriminierend empfundene eheliche Muster gehe im Wesentlichen auf die Tradition und den grossen Alters- und Erfahrungsunterschied der Parteien bei der Heirat zurück. Dass die Parteien das jahrelang gelebte Lebensmuster nicht mehr zu ändern vermocht hätten, sei nicht allein dem Kläger anzulasten, habe doch auch die Beklagte mit ihrer bedingungslosen Anpassung ihren Anteil daran zu vertreten. Die Vorinstanz weist des Weitern darauf hin, dass der Kläger die Beklagte im entscheidenden Moment ihrer depressiven Erkrankung nicht allein gelassen, sondern nach Möglichkeit zu begreifen versucht habe, was mit ihr geschehe. Sein Unvermögen, die schwere seelische Erkrankung richtig zu deuten und die Krise zu beheben, könne ihm nicht zum Verschulden gereichen. Es bestünden ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Erkrankung der Beklagten auf eine reine Geldangelegenheit reduziert hätte. Das Gleiche gelte für den bestrittenen Vorwurf, der Kläger habe gegenüber der Beklagten Gewalt ausgeübt.
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Das Kantonsgericht wirft dem Kläger schliesslich zwar vor, er habe der Beklagten hinsichtlich der finanziellen Unterstützung ihrer Mutter ungenügend geholfen und sich auch ihr persönlich gegenüber in finanziellen Angelegenheiten altmodisch und kleinlich benommen, was demütigend gewesen sei. Nach Auffassung der Vorinstanz ginge es jedoch zu weit, dem Kläger deswegen ein Verschulden anzulasten, das einer Gutheissung der Scheidungsklage entgegenstünde.
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2.- Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Ehe tief und unheilbar zerrüttet ist. Indessen spricht sie dem Kläger gestützt auf Art. 142 Abs. 2 aZGB einen Anspruch auf Scheidung der Ehe ab.
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a) Nach der genannten Bestimmung kann dort, wo die tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses vorwiegend der Schuld des einen Ehegatten zuzuschreiben ist, nur der andere auf Scheidung klagen. Die Klage des vorwiegend Schuldigen ist in einem solchen Fall somit grundsätzlich abzuweisen. Als im Sinne von Art. 142 Abs. 2 aZGB vorwiegend schuldig gilt ein Ehegatte dann, wenn sein Verschulden dasjenige des andern Ehegatten samt allfälligen objektiven Zerrüttungsfaktoren an kausaler Bedeutung übertrifft (BGE 108 II 364 E. 2a S.366 mit Hinweis).
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b) Die Feststellungen des Kantonsgerichts zu den einzelnen Zerrüttungsfaktoren sowie zu deren Grad und Kausalität sind tatsächlicher Natur (dazu BGE 117 II 13 E. 3 S. 14 mit Hinweisen). Sie sind deshalb für das Bundesgericht verbindlich, zumal die staatsrechtliche Beschwerde der Beklagten abgewiesen worden ist, soweit darauf einzutreten war. Vorbehalten bliebe einzig eine allfällige Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften oder ein offensichtliches Versehen (vgl. Art. 63 Abs. 2 OG), doch ist ein derartiger Mangel hier nicht dargetan.
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3.- In der Berufung setzt sich die Beklagte zum Teil in unzulässiger Weise mit den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz auseinander. Soweit ihre Ausführungen die Frage betreffen, ob und in welchem Umfang die als zerrüttungskausal festgehaltenen Faktoren der einen oder der andern Partei zum Verschulden gereichen und welches Gewicht ihnen - auch im Verhältnis zu objektiven Zerrüttungsfaktoren - beizumessen ist, wird nicht ansatzweise dargelegt, inwiefern die vorinstanzliche Verschuldenswürdigung gegen Bundesrecht verstossen soll (vgl. Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Das gilt namentlich auch für die Vorbringen, es bestehe der Eindruck, das Kantonsgericht habe das Verschulden des Klägers geschrumpft und die objektiven Gründe ausgebaut, und es würde Abweisungsbegehren gegen Scheidungsklagen nach konstanter Praxis grundsätzlich nicht mehr schützen.
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4.- Nach dem Gesagten ist auf die Berufung nicht einzutreten. Die Gerichtsgebühr ist daher der Beklagten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Berufungsantwort eingeholt worden ist, sind dem Kläger keine Kosten erwachsen, so dass die Zusprechung einer Parteientschädigung von vornherein entfällt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.- Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
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2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000. -- wird der Beklagten auferlegt.
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3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen (II. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 13. Januar 2000
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Im Namen der II. Zivilabteilung des
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SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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