BGer 1P.764/1999 | |||
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BGer 1P.764/1999 vom 01.02.2000 | |
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1P.764/1999/bmt
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I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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1. Februar 2000
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Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay,
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Bundesrichter Aeschlimann und Gerichtsschreiberin Leuthold.
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In Sachen
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D.________, Beschwerdeführer,
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gegen
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ObergerichtdesKantons A a r g a u, Beschwerdekammer in Strafsachen,
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betreffend
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Strafverfahren, hat sich ergeben:
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Das Bezirksamt Baden trat mit Verfügung vom 15. Juli 1999 auf die Strafanzeige nicht ein, welche D.________ gegen eine Gerichtspräsidentin wegen Amtsmissbrauchs und Unterdrückung von Urkunden eingereicht hatte. D.________ erhob gegen die Verfügung des Bezirksamtes Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau. Dieses trat am 24. September 1999 auf die Beschwerde nicht ein, da sie nach Ablauf der gesetzlichen Beschwerdefrist eingereicht worden sei.
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Den Nichteintretensentscheid des Obergerichts focht D.________ am 9. Dezember 1999 mit einer Beschwerde beim Bundesgericht an.
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Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Der Nichteintretensentscheid des Aargauer Obergerichts ist einzig mit dem Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde beim Bundesgericht anfechtbar. Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 1999 kann als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen werden.
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2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht sei zu Unrecht auf seine Beschwerde gegen die Verfügung der Strafverfolgungsbehörde nicht eingetreten und habe ihm dadurch das rechtliche Gehör verweigert. Es kann davon ausgegangen werden, dass er sich sinngemäss auch über eine formelle Rechtsverweigerung beklagt. Das Verbot formeller Rechtsverweigerung wurde als Teilgehalt von Art. 4 der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV) anerkannt. In der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) ist es in Art. 29 Abs. 1 BV gewährleistet. Es entspricht inhaltlich dem aus Art. 4 aBV abgeleiteten Rechtsverweigerungsverbot (Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl1997I, S.181).
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a) Gegen die Verfügung vom 15. Juli 1999, mit der das Bezirksamt Baden auf die Strafanzeige des Beschwerdeführers nicht eingetreten war, konnte nach § 213 der Strafprozessordnung des Kantons Aargau (StPO) Beschwerde an das Obergericht erhoben werden. Im angefochtenen Entscheid wird ausgeführt, die in § 214 StPO vorgesehene 20-tägige Beschwerdefrist sei als gesetzliche Frist nach § 52 Abs. 3 StPO nicht erstreckbar. Die Nichteintretensverfügung des Bezirksamtes sei dem Beschwerdeführer am 21. Juli 1999 zugestellt worden. Die 20-tägige Beschwerdefrist habe daher am 22. Juli 1999 zu laufen begonnen und am 10. August 1999 geendet. Die am 6. September 1999 bei der Post aufgegebene Beschwerde sei somit nach Ablauf der gesetzlichen Frist eingereicht worden.
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b) Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es habe entgegen § 52 Abs. 1 StPO in Verbindung mit den §§ 89 Abs. 1 lit. b und 90 Abs. 1 der aargauischen Zivilprozessordnung (ZPO) sowie im Widerspruch zu der in AGVE 1975, S. 124 publizierten Rechtsprechung den Stillstand der Frist während der Gerichtsferien nicht berücksichtigt.
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§ 52 Abs. 1 Satz 1 StPO erklärt für die Berechnung der Fristen und für die Gerichtsferien die Bestimmungen der Zivilprozessordnung als anwendbar. Gemäss § 89 Abs. 1 lit. b ZPO erstrecken sich die Gerichtsferien vom 1. Juli bis 15. August. Während dieser Zeit stehen, wie in § 90 Abs. 1 Satz 1 ZPO festgelegt wird, die gesetzlichen und richterlichen Fristen still. Zustellungen während der Gerichtsferien gelten als am ersten Tag nach deren Ablauf vollzogen (§ 90 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Bei Berücksichtigung dieser Vorschriften begann die 20-tägige Beschwerdefrist im vorliegenden Fall am 17. August 1999 zu laufen und endete am 6. September 1999; die vom Beschwerdeführer an diesem Tag bei der Post aufgegebene Beschwerde an das Obergericht wurde daher rechtzeitig eingereicht. Im angefochtenen Entscheid wird nicht gesagt, weshalb die Gerichtsferien im zu beurteilenden Fall nicht zu berücksichtigen seien. Das Obergericht ging vermutlich davon aus, es liege ein Anwendungsfall von § 52 Abs. 1 Satz 2 StPO vor, wonach im Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren sowie in Haftfällen der Lauf der Fristen durch die Gerichtsferien nicht unterbrochen wird.
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Das hier in Frage stehende, gegen eine Nichteintretensverfügung der Strafverfolgungsbehörde eingeleitete Beschwerdeverfahren fällt jedoch, wie in dem in AGVE 1975, S. 124 ff. publizierten Urteil des Obergerichts mit Grund erklärt wurde, nicht unter diese Bestimmung, da die Einstellung des Strafverfahrens bzw. das Nichteintreten auf eine Strafanzeige weder zum Ermittlungsverfahren noch zum Untersuchungsverfahren gehört. Das Obergericht hätte demnach im vorliegenden Fall die Gerichtsferien berücksichtigen müssen. Indem es das unterliess und daher zu Unrecht nicht auf die Beschwerde eintrat, beging es eine formelle Rechtsverweigerung (BGE 119 Ia 4 E. 1; 114 Ia 307 E. 3c; 107 Ib 160 E. 3b, zu Art. 4 aBV).
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c) Die Tatsache, dass die Hauptbegründung des angefochtenen Entscheids verfassungswidrig ist, führt aber nicht ohne weiteres zu dessen Aufhebung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird von der Aufhebung eines Nichteintretensentscheids abgesehen, wenn die zuständige Behörde zwar zu Unrecht nicht auf das dagegen erhobene Rechtsmittel eingetreten ist, dieses jedoch gleichzeitig im Eventualstandpunkt materiell geprüft und mit haltbaren Erwägungen als unbegründet bezeichnet hat. Bei einer solchen Sachlage würde eine Gutheissung der Beschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung nur zu einer unnützen Verlängerung des Verfahrens führen (BGE 121 I 1 E. 5a/bb; 118 Ib 26 E. 2b; 105 Ia 115 E. 2).
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Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid (E. 3) im Sinne einer Eventualbegründung festgehalten, auch aufgrund der Ausführungen in der Beschwerde sei kein strafrechtlich relevanter Vorwurf gegen die Gerichtspräsidentin erkennbar, dem mit polizeilichen Ermittlungen nachgegangen werden könnte. Es hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die Beschwerde, wenn auf sie einzutreten wäre, abgewiesen werden müsste, da das Bezirksamt zu Recht auf die Strafanzeige nicht eingetreten sei.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der durch eine angeblich strafbare Handlung Geschädigte grundsätzlich nicht legitimiert, gegen die Nichteröffnung oder Einstellung eines Strafverfahrens oder gegen ein freisprechendes Urteil staatsrechtliche Beschwerde zu erheben. Der Geschädigte hat an der Verfolgung und Bestrafung des Täters nur ein tatsächliches oder mittelbares, nicht aber ein rechtlich geschütztes, eigenes und unmittelbares Interesse im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 88 OG (BGE 120 Ia 157 E. 2a/aa; 119 Ia 4 E. 1; 108 Ia 97 E. 1 mit Hinweisen). Eine auf materiellrechtliche Fragen erweiterte Legitimation des Geschädigten aufgrund des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG) kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da die in der Strafanzeige des Beschwerdeführers erhobenen Vorwürfe des Amtsmissbrauchs und der Unterdrückung von Urkunden grundsätzlich keine Opferstellung im Sinne des OHG nach sich ziehen (BGE 120 Ia 157 E. 2d; Ulrich Weder, Das Opfer, sein Schutz und seine Rechte im Strafverfahren, unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Zürich, ZStR 113/1995 S. 43). Der Beschwerdeführer ist daher nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung von Verfahrensrechten geltend zu machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (BGE 120 Ia 157 E. 2a/aa; 119 Ia 4 E. 1 mit Hinweisen). Er tut indes nicht dar, dass mit der Eventualbegründung des Obergerichts Verfahrensrechte verletzt worden wären. Seine Berufung auf Vorschriften der EMRK und des CCPR ist unbehelflich. Der angefochtene Entscheid hält im Eventualstandpunkt vor der Verfassung stand. Dies hat zur Folge, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist.
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3.- Bei der Regelung der Kostenfolgen ist zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer wegen der verfassungswidrigen Hauptbegründung des angefochtenen Entscheids zur Beschwerdeführung veranlasst sehen durfte (Art. 156 Abs. 3 OG). Es rechtfertigt sich deshalb, keine Kosten zu erheben.
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4.- Der Beschwerdeführer wurde bereits im Urteil des Bundesgerichts vom 19. März 1998 auf die prozessualen Anstandsregeln aufmerksam gemacht (Art. 31 OG). Die vorliegende Eingabe verletzt den durch die gute Sitte gebotenen Anstand in krasser Weise. Der Beschwerdeführer ist ausdrücklich zu verwarnen. Im Falle weiterer Widerhandlungen gegen die Anstandsregeln hätte er mit einer Disziplinarmassnahme nach Art. 31 OG zu rechnen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
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2.- Es werden keine Kosten erhoben.
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3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
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______________
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Lausanne, 1. Februar 2000
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident:
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Die Gerichtsschreiberin:
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