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Informationen zum Dokument  BGer 2A.17/2000  Materielle Begründung
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BGer 2A.17/2000 vom 21.02.2000
 
[AZA 0]
 
2A.17/2000/leb
 
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************
 
21. Februar 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident
 
der II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
 
Hungerbühler, Bundesrichterin Yersin und Gerichtsschreiber Uebersax.
 
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In Sachen
 
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter, Clarastrasse 56, Basel,
 
gegen
 
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement,
 
betreffend
 
Rechtsverzögerung (Abnahme von Vermögenswerten), hat sich ergeben:
 
A.- Der jugoslawische Staatsangehörige A.________, geb. 21. Februar 1963, befindet sich als Asylbewerber in der Schweiz. Mit Verfügung vom 3. August bzw. 9. November 1998 hat das Bundesamt für Flüchtlinge gestützt auf Art. 21 Abs. 4 des Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 (aAsylG) bei ihm DM 5'600.-- bzw. Fr. 4'564.-- sichergestellt und auf das Sicherheitskonto des Bundesamtes überwiesen; der Betrag soll zur Deckung allfälliger Fürsorge-, Ausreise- und Vollzugskosten dienen. Gegen diese Verfügung hat A.________ am 24. November 1998 Beschwerde an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement erhoben, über die derzeit noch nicht entschieden worden ist.
 
Am 15. März 1999 ersuchte A.________ das Departement um Mitteilung, wann mit dem Entscheid gerechnet werden könne. Das Departement antwortete am 17. März 1999, dies sei frühestens im Sommer 1999 der Fall. Am 13. September 1999 erging dieselbe Anfrage erneut. Mit Antwortschreiben vom 17. September 1999 ersuchte das Departement nochmals um Verständnis und Geduld.
 
B.- Mit Eingabe vom 19. Oktober 1999 gelangte A.________ an den Bundesrat mit dem Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass die Nichtbehandlung der Beschwerde vom 24. November 1998 durch das Departement eine Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung darstelle, und die Vorinstanz sei anzuweisen, unverzüglich über die Beschwerde zu entscheiden.
 
Am 30. November 1999 eröffnete der Bundesrat - bzw.
 
das als Instruktionsbehörde für den Bundesrat amtende Eidgenössische Finanzdepartement - den Meinungsaustausch mit dem Bundesgericht über die Zuständigkeit in der Angelegenheit.
 
In der Folge erklärte sich das Bundesgericht bereit, die Sache im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu übernehmen (MA. 5/1999).
 
In seiner Vernehmlassung vom 11. Februar 2000 schliesst das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Art. 11 Abs. 5 des Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 (aAsylG; zuletzt in der Fassung des zweimal verlängerten Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1990 [AS 1990 938; AS 1995 4356; AS 1997 2372]) schloss die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern gegen Verfügungen, die sich auf das Asylgesetz stützten, auch "ausserhalb des Bereichs rein asylrechtlicher Entscheide" (vgl. BGE 124 II 489 E. 1c S. 492/493) weitgehend aus. Namentlich galt dies für Entscheide im Zusammenhang mit Sicherheitskonti von Asylbewerbern (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 7. Januar 1999 i.S. Wijesekara). Das neue Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG; AS 1999 2262; SR 142. 31; in Kraft getreten am 1. Oktober 1999) lässt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nun auch im Asylwesen zu, soweit sie für die konkrete Frage nicht - nach dem Asylgesetz oder dem Bundesrechtspflegegesetz - ausdrücklich unzulässig ist. Für Beschwerden gegen die Sicherstellung von Vermögenswerten von Asylbewerbern gibt es keinen Ausschlussgrund. Gegen den Beschwerdeentscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements steht daher in der Sache die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen. Gemäss Art. 101 lit. a OG e contrario ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde demnach auch zulässig, soweit damit eine Rechtsverweigerung bzw. -verzögerung des Departements gerügt wird. Diese Folgerung stimmt im Übrigen überein mit dem im Meinungsaustausch zwischen Bundesrat und Bundesgericht erzielten Ergebnis (MA. 5/1999).
 
2.- Der Beschwerdeführer macht sowohl eine Rechtsverweigerung als auch eine Rechtsverzögerung geltend. Eine Behörde begeht - nach Art. 4 aBV bzw. Art. 29 Abs. 1 BV - formelle Rechtsverweigerung, wenn sie es ausdrücklich ablehnt oder stillschweigend unterlässt, eine Entscheidung zu treffen beziehungsweise ein Begehren an die Hand zu nehmen und zu behandeln, obwohl sie dazu verpflichtet ist (BGE 117 Ia 116 E. 3a S. 117; 107 Ib 160 E. 3b S. 164; Georg Müller, in: Kommentar BV, Rz. 89 zu Art. 4; Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl. Bern 1999, S. 495). Nachdem die Vorinstanz mehrmals ausdrücklich erklärt hat, sie werde die fragliche Beschwerde vom 24. November 1998 materiell behandeln, liegt eine Rechtsverweigerung offensichtlich nicht vor. Bei den Argumenten, welche der Beschwerdeführer zur Begründung vorträgt, handelt es sich denn auch nur um solche, die für die Annahme einer Rechtsverzögerung in Frage kämen.
 
3.- a) Rechtsverzögerung - nach Art. 4 aBV und Art. 29 Abs. 1 BV - liegt vor, wenn die zuständige Behörde einen Entscheid nicht binnen der Frist fasst, welche nach der Natur der Sache und nach der Gesamtheit der Umstände als angemessen erscheint. Dabei ist zu prüfen, ob sich die Umstände, die zur Verlängerung des Verfahrens geführt haben, objektiv rechtfertigen lassen (BGE 117 Ia 193 E. 1c S. 197; 108 V 13 E. 4c S. 20; 107 Ib 160 E. 3b S. 164; 103 V 190 E. 3c S. 194/195; vgl. auch BGE 125 V 188 E. 2a, 373; 119 Ib 311 E. 5b S. 325; Georg Müller, a.a.O., Rz. 92 ff. zu Art. 4 BV; Jörg Paul Müller, a.a.O., S. 503 ff.).
 
b) Es ist notorisch, dass im Asyl- und Ausländerwesen als Beispiel einer Massenverwaltung über eine grosse Anzahl von Fällen zu entscheiden ist. Viele Fälle gelangen auch vor die Vorinstanz als verwaltungsinterne Beschwerdebehörde.
 
Diese hat daher zwangsläufig gewisse Prioritäten zu setzen. Dabei rechtfertigt es sich, dringliche Fälle, namentlich solche, in denen über existenzielle Fragen zu entscheiden ist, vorwegzunehmen. Weniger prioritär behandelt werden dürfen demgegenüber Streitsachen, in denen es um blosse Vermögensinteressen geht und die keinen grossen Streitwert aufweisen.
 
Im vorliegenden Fall geht es in der Sache um die Sicherstellung eines Geldbetrages. Auch wenn es sich für den Beschwerdeführer und allfällige weitere Betroffene sicherlich nicht um eine reine Bagatelle handelt, stehen doch lediglich Vermögensinteressen zur Diskussion, wobei der Streitwert nicht allzu gross ist. Im Zeitpunkt der Einreichung der Rechtsverzögerungsbeschwerde war die Beschwerde vor dem Departement knapp elf Monate rechtshängig; heute ist sie es seit rund 15 Monaten. Zwar war die Angelegenheit, wie die Vorinstanz selber einräumte, bereits im Frühjahr 1999 grundsätzlich spruchreif. Das Departement hatte jedoch schon damals darauf hingewiesen, dass es die Sache angesichts der Geschäftslast und der Art des Streitfalles nicht prioritär behandeln könne und ausserdem einen Grundsatzentscheid im fraglichen Sachbereich abwarte. Der Beschwerdeführer argumentiert zwar, das sichergestellte Geld gehöre nicht ihm, sondern einer Drittperson, welche auf ihn Druck ausübe. Die Instruktionsbehörde hat aber diesen Dritten mit Schreiben vom 19. März 1999 direkt über die Rechtshängigkeit des Beschwerdeverfahrens orientiert.
 
c) Eine Gesamtwürdigung der Umstände des Falles führt somit zum Schluss, dass die bisherige Dauer des Beschwerdeverfahrens noch nicht übermässig lang ist und sich objektiv rechtfertigen lässt. Die Vorinstanz wird die Beschwerde jedoch innert absehbarer Frist zu behandeln haben, zumal der Beschwerdeführer die Behörde bereits mehrmals auf die (vermeintliche) Verzögerung aufmerksam gemacht und um eine raschere Abwicklung des Verfahrens ersucht hat, womit er allfälligen Sorgfaltspflichten zweifellos nachgekommen ist (vgl. BGE 125 V 373 E. 2b). Immerhin hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in seiner Vernehmlassung an das Bundesgericht ausgeführt, mit einer Verfahrenserledigung im vorliegenden Fall könne in nächster Zeit gerechnet werden. Darauf ist es zu behaften.
 
4.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156, 153 und 153a OG). Da sein Begehren in der Sache aus den genannten Gründen keine ernsthaften Erfolgsaussichten hatte, ist der Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (vgl. Art. 152 OG). Immerhin lässt sich seinen glaubhaften angespannten finanziellen Verhältnissen bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung tragen (Art. 153a Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 200.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.- Das Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 21. Februar 2000
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
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