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Informationen zum Dokument  BGer 1P.679/1999  Materielle Begründung
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BGer 1P.679/1999 vom 14.03.2000
 
[AZA 0]
 
1P.679/1999/mks
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
 
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14. März 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Nay, Aeschlimann, Féraud, Jacot-Guillarmod und Gerichtsschreiber Sassòli.
 
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In Sachen
 
W.X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Ralph Sigg, Obermattweg 12, Postfach 210, Hergiswil,
 
gegen
 
Einzelrichteramt des Kantons Zug,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug,
 
Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission,
 
betreffend
 
Willkür (Nichteintreten, Einsprache gegen Strafbefehl), hat sich ergeben:
 
A.- Mit Strafbefehl des Polizeirichteramtes des Kantons Zug vom 30. Januar 1998 wurde W.X.________ wegen verschiedener Verstösse gegen das SVG zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt. Dieser Strafbefehl wurde am 6. Februar 1998 in seinem Haus seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau E.X.________ übergeben. Am 10. Februar 1998 erhob A.________ namens und im Auftrag von W.X.________ Einsprache gegen den Strafbefehl. Am 11. März 1998 forderte die zuständige Untersuchungsrichterin W.X.________ auf, zu bestätigen, dass die Einsprache vom 10. Februar 1998 in seinem Sinne sei, da A.________ keine das Strafverfahren betreffende Vollmacht beigelegt habe. W.X.________ bestätigte dies mit Schreiben vom 16. März 1998.
 
Am 7. Oktober 1999 entschied der Einzelrichter am Einzelrichteramt des Kantons Zug, dass die Einsprache von W.X.________ ungültig sei, weil A.________ mit Wirkung vom 18. September 1995 die Bewilligung, im Kanton Zug als Anwalt aufzutreten, entzogen worden sei. Die Verfahrenskosten auferlegte er der Staatskasse, da W.X.________ dies nicht habe wissen können. Entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Einzelrichters erhob W.X.________ gegen den Entscheid des Einzelrichters Beschwerde an die Justizkommission des Obergerichts. Diese trat darauf mit Beschluss vom 22. Oktober 1999 nicht ein.
 
B.- Am 8. November 1999 erhebt W.X.________ staatsrechtliche Beschwerde. Im Hauptstandpunkt beantragt er eine Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses vom 22. Oktober 1999, weil das Nichteintreten auf einer willkürlichen Auslegung kantonalen Verfahrensrechts beruhe. Eventualiter richtet er seine Beschwerde gegen den Entscheid des Einzelrichters vom 7. Oktober 1999 mit dem Antrag, diesen aufzuheben. Zur Begründung führt er aus, der Strafbefehl sei ihm nicht rechtsgültig zugestellt worden und es sei überspitzt formalistisch, die Einsprache für unbeachtlich zu halten, weil sein Vertreter keine Berufsausübungsbewilligung gehabt habe, ohne ihm eine Nachfrist für eine eigenhändige Einsprache zu setzen.
 
Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Obergericht beantragt eine Abweisung der Beschwerde, soweit diese gegen seinen Nichteintretensentscheid gerichtet ist, und verweist auf diesen. Der Einzelrichter reicht seine Stellungnahme nach Ablauf der ihm dafür erstreckten Frist ein.
 
C.- Mit Verfügung vom 2. Dezember 1999 hat der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der staatsrechtlichen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Der Beschwerdeführer wendet sich in erster Linie gegen den Beschluss der Justizkommission, nicht auf seine kantonale Beschwerde einzutreten. Eventualiter, falls sein Antrag, diesen Beschluss aufzuheben, nicht durchdringt, führt er gegen den Entscheid des Einzelrichters staatsrechtliche Beschwerde. Letzteres ist in diesem Falle zulässig, weil dann kein kantonales Rechtsmittel gegen den einzelrichterlichen Entscheid zur Verfügung steht, dieser somit kantonal letztinstanzlich ist und daher mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann (Art. 86 Abs. 1 OG). Die Beschwerdefrist von 30 Tagen ist eingehalten, auch soweit sich die Beschwerde vom 8. November 1999 gegen den am 8. Oktober 1999 zugestellten Entscheid des Einzelrichters richtet (Art. 89 und 32 Abs. 1 OG).
 
b) Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur. Positive Anordnungen kann das Bundesgericht nur erlassen, wenn der verfassungsmässige Zustand mit der blossen Aufhebung des kantonalen Entscheids nicht wiederhergestellt werden kann (BGE 124 I 327 E. 4 S. 332 f. mit Hinweisen). Wenn der obergerichtliche Nichteintretensbeschluss aufgehoben wird, muss die kantonale Beschwerde des Beschwerdeführers behandelt werden. Der Einzelrichter wird im Falle der Aufhebung seines Entscheids, in dem festgestellt wird, dass die Einsprache des Beschwerdeführers ungültig sei, diese Einsprache behandeln müssen. Auf die Anträge des Beschwerdeführers, wonach dem Obergericht bzw. dem Einzelrichter verschiedene Anweisungen zu erteilen seien, kann daher nicht eingetreten werden.
 
c) Die Vernehmlassung des Einzelrichters wurde am 7. Februar 2000 der Post übergeben, nachdem die richterlich erstreckte Frist zu ihrer Einreichung am 31. Januar 2000 abgelaufen war. Sie ist daher unbeachtlich.
 
2.- Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es habe § 80 Ziff. 2 der Strafprozessordnung für den Kanton Zug vom 3. Oktober 1940 (StPO/ZG; BGS 321. 1) willkürlich ausgelegt, indem es auf seine kantonale Beschwerde gegen den Entscheid des Einzelrichters entgegen dessen Rechtsmittelbelehrung nicht eingetreten sei. § 80 Ziff. 2 StPO/ZG erklärt die Beschwerde an die Justizkommission für zulässig "wegen Verweigerung oder Verzögerung der Rechtspflege oder ungebührlicher Behandlung durch Richter oder gerichtliche Beamte".
 
a) Willkür liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (BGE 123 I 1 E. 4a S. 5 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen Verletzung des Willkürverbots nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 125 I 166 E. 2a S. 168; 125 II 129 E. 5b S. 134, je mit Hinweisen).
 
b) In Lehre und Rechtsprechung wird zwischen formeller und materieller Rechtsverweigerung unterschieden. Letztere besteht aus einer qualifiziert unrichtigen Rechtsanwendung. Formelle Rechtsverweigerung liegt nicht nur vor, wenn eine Behörde jedwelchen Entscheid verweigert, sondern auch, wenn sie zu Unrecht auf ein Rechtsmittel nicht eintritt (BGE 125 III 440 E. 2a S. 441 mit Hinweis; Jean- François Aubert, Traité de droit constitutionnel suisse, 1967, Band 2, S. 648; Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage, 1998, N. 1584, S. 520; Georg Müller, Kommentar aBV, Art. 4, Rz. 89 mit Hinweisen).
 
Lehre und Rechtsprechung zu Art. 80 Ziff. 2 StPO/ZG legen den darin enthaltenen Begriff der Verweigerung der Rechtspflege jedoch enger aus. Er beziehe sich einzig auf das Nichttätigwerden richterlicher Instanzen. Bei der Beschwerde nach § 80 Ziff. 2 StPO/ZG handle es sich der Natur nach nicht um eine (1940 im Kanton Zug abgeschaffte) Kassationsbeschwerde, sondern um eine Disziplinarbeschwerde des Bürgers gegen säumige Justizorgane. Dies zeige sich auch daran, dass nach § 82 Abs. 2 StPO/ZG Beschwerden wegen Rechtsverweigerung an keine Fristen gebunden seien, was für Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide nicht anginge (vgl. zum Ganzen Entscheide der Justizkommission des Obergerichts vom 12. Juni 1950 [Rechenschaftsbericht des Obergerichts - ROG - für die Jahre 1949/1950, S. 69 f.], vom 20. September 1973 [ROG 1973/1974, S. 74], vom 17. Februar 1987 [Gerichts- und Verwaltungspraxis des Kantons Zug - GVP, 1987/88, S. 156 f.] und vom 15. Mai 1996 [GVP 1995/96, S. 105 f.]; Fritz Hürlimann, Die Berufung nach Zugerischem Strafprozessrecht, 1948, S. 6).
 
Das Obergericht führt aus, gegen einen Entscheid des Einzelrichters, der einer Einsprache die Gültigkeit abspreche, sei auch keine Berufung nach § 70 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZG möglich, weil es sich dabei - entgegen der Bezeichnung des Einzelrichters - nicht um ein Urteil handle. Nach Lehre und Rechtsprechung zu Art. 70 Abs. 1 StPO/ZG bezieht sich der dort die zulässigen Berufungsgegenstände umschreibende Begriff des "Urteils" offenbar nur auf Sachurteile, nicht aber auf Prozessurteile wie das angefochtene des Einzelrichters (vgl. Hürlimann, a.a.O., S. 12; Klaus Weber, Die Berufung im zugerischen Strafprozess, 1978, S. 9 ff.).
 
c) Wegen der einschränkenden, dem allgemeinen, auch juristischen Sprachgebrauch widersprechenden Auslegung der Begriffe "Rechtsverweigerung" und "Urteil" durch die zugerische Praxis entstehen unbefriedigende Lücken im Rechtsmittelsystem, die sich gerade im vorliegenden Fall zeigen. Einerseits steht ein Rechtsmittel gegen alle Untersuchungshandlungen (§ 80 Ziff. 1 StPO/ZG), die Nichtanhandnahme einer Anzeige (§ 80 Ziff. 3 StPO/ZG), Überweisungsbeschlüsse des Verhörrichters (§ 80 Ziff. 7 StPO/ZG) und alle Urteile des Einzelrichters (§§ 70 Abs. 1 Ziff. 2 und 80 Ziff. 11 StPO/ZG) zur Verfügung. Anderseits hat der Beschwerdeführer kein Rechtsmittel gegen ein Prozessurteil, durch das ein Strafbefehl rechtskräftig wird, der ihn zu einer unbedingten Gefängnisstrafe verurteilt. Ebenso wenig kann der Staatsanwalt Rechtsmittel gegen gerichtliche Einstellungsbeschlüsse ergreifen (vgl. Hürlimann, a.a.O., S. 13). Immerhin entspricht diese Rechtslage einer ständigen kantonalen Praxis seit Annahme der StPO/ZG im Jahre 1940. Auch die Systematik des Gesetzes spricht für sie. Wie erwähnt ist die Beschwerde wegen Rechtsverweigerung an keine Frist gebunden, was zu unbefriedigenden, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Ergebnissen führen würde, wenn darunter auch Nichteintretensentscheide fallen würden. Die Unterscheidung zwischen Urteilen und anderen Entscheiden entspricht ebenfalls der zugerischen Rechtsordnung. Die in § 70 Abs. 2 StPO/ZG enthaltene Aufzählung berufungsfähiger "Entscheide" zeigt, dass nicht jeder Endentscheid ein Urteil ist. § 85 Abs. 1 des Gesetzes vom 3. Oktober 1940 über die Organisation der Gerichtsbehörden (GOG/ZG; BGS 161. 1) zählt Urteile neben Erledigungsbeschlüssen auf. § 67 der Zivilprozessordnung vom 3. Oktober 1940 (ZPO/ZG; BGS 221. 1) enthält eine Definition des Urteils, indem er vorsieht, dass über das streitige Rechtsbegehren durch Urteil entschieden wird, während andere Erledigungen durch Beschlüsse und Entscheide erfolgen.
 
d) Zusammenfassend ist die Auslegung der StPO/ZG im angefochtenen Entscheid nicht willkürlich, da sie sich auf sachlich vertretbare Gründe stützen lässt. Die bei der obergerichtlichen willkürfreien Auslegung des Gesetzes auftretende Lücke im Rechtsmittelsystem ist unbefriedigend, aber nicht verfassungswidrig. Zwar sieht Art. 2 des Zusatzprotokolls Nr. 7 zur EMRK (SR 0.101. 07) einen Anspruch eines Verurteilten vor, ein Strafurteil von einem höheren Gericht überprüfen zu lassen (vgl. jetzt auch Art. 32 Abs. 3 der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 [BV]). Die Ausübung dieses Anspruchs richtet sich jedoch nach dem Gesetz und kann von der Befolgung prozessualer Vorschriften abhängig gemacht werden (vgl. Entscheid des Bundesgerichts vom 17. März 1994 i.S. A. in: SZIER 1994, S. 579). Zum Entscheid darüber, ob diese prozessualen Vorschriften eingehalten wurden, gibt es keinen Anspruch auf ein zweistufiges Verfahren. Auch dies zeigt, dass die Unterscheidung zwischen Prozess- und Sachurteilen nicht offensichtlich unhaltbar ist und das in Art. 4 aBV (Art. 8 Abs. 1 und 29 Abs. 1 BV) verankerte Gleichheitsgebot nicht verletzt. Ohne dieses zu verletzen, darf die gesetzliche Ordnung auch Rechtsmittel gegen gewisse Entscheide vorsehen, gegen andere, verschiedenartige aber nicht, selbst wenn letztere für den Betroffenen schwerer wiegen als erstere. Somit ist die staatsrechtliche Beschwerde gegen den obergerichtlichen Beschluss abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3.- Entsprechend den vorstehenden Ausführungen war der Entscheid des Einzelrichters kantonal letztinstanzlich. Daher kann auf die Beschwerde eingetreten werden, soweit sie dessen Aufhebung verlangt. Der Beschwerdeführer wirft dem Einzelrichter überspitzten Formalismus vor. Wenn eine Rechtsschrift von einer nicht als Vertreter zugelassenen Person unterzeichnet werde, müsse der Richter eine Nachfrist für eine gültige Unterzeichnung ansetzen. Im vorliegenden Falle komme hinzu, dass die Behörden dem Beschwerdeführer eine Frist gesetzt hätten, innert derer er die (ebenfalls) ungenügende Vollmacht verbessern könne, was er fristgemäss getan und dabei geschrieben habe, dass die Einsprache in seinem Sinne gewesen sei. Der Einzelrichter führt im angefochtenen Entscheid aus, dass die Untersuchungsrichterin eine Verbesserung der Vollmacht eingeholt habe, könne ihn als entscheidende Behörde nicht daran hindern, die Eintretensvoraussetzungen zu prüfen und zu entscheiden, dass sie (aus anderen Gründen) nicht gegeben seien.
 
a) Das bisher aus Art. 4 aBV (vgl. jetzt Art. 29 Abs. 1 BV) fliessende Verbot des überspitzten Formalismus wendet sich gegen prozessuale Formenstrenge, die als exzessiv erscheint, durch kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder gar verhindert. Das Bundesgericht prüft frei, ob eine solche Rechtsverweigerung vorliegt (BGE 125 I 166 E. 3a S. 170 mit Hinweisen).
 
Das Bundesgericht hat im vom Beschwerdeführer angerufenen BGE 120 V 413 E. 6a S. 419 f. einen Fall entschieden, für den nach Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG ein einfaches Verfahren vorgeschrieben war und in dem einem Rechtsmittel die Unterschrift fehlte. Es hat befunden, ein kantonaler Richter verstosse gegen Art. 4 aBV, wenn er ein nicht oder von einer nicht zur Vertretung berechtigten Person unterzeichnetes Rechtsmittel als unzulässig beurteile, ohne eine kurze, gegebenenfalls auch über die gesetzliche Rechtsmittelfrist hinausgehende Nachfrist für die gültige Unterzeichnung anzusetzen (vgl. auch Art. 30 Abs. 2 OG). In BGE 125 I 166 E. 3c und d S. 170 ff., wo es um ein Rechtsmittel ging, das - wie im vorliegenden Fall - von einem nicht zur Parteivertretung Befugten eingelegt worden war, hat das Bundesgericht jedoch entschieden, dass in einem solchen Fall das Verbot des überspitzten Formalismus im Allgemeinen nicht verlange, dass dem Rechtssuchenden eine Nachfrist zur Behebung des Mangels eingeräumt werde. Ein solcher Anspruch könne sich jedoch aus besonderen Umständen ergeben, etwa wenn wie im Sozialversicherungsrecht ein einfaches Verfahren vorgeschrieben sei, wenn die kantonalen Regeln über die Vertretungsbefugnis unklar seien oder der betreffende Vertreter vor Vorinstanzen nicht beanstandet wurde.
 
b) Der vorliegende Fall fällt unter die genannten Ausnahmen, in denen sich aus dem Verbot des überspitzten Formalismus eine Pflicht ergibt, eine Nachfrist zur Verbesserung zu setzen, wenn ein Rechtsmittel von einer nicht zur Vertretung berechtigten Person eingereicht wurde. Nach der zugerischen Gesetzgebung war der damalige Vertreter des Beschwerdeführers zwar eindeutig nicht zur Vertretung vor Gerichten zugelassen, weil ihm die Bewilligung, als Anwalt aufzutreten, entzogen worden war. Der Einzelrichter stellt jedoch fest, dass der Beschwerdeführer dies nicht wissen konnte, und auferlegt ihm deshalb keine Verfahrenskosten. Auch die Strafverfolgungsbehörden nahmen trotz dieses Mangels die Instruktion des Verfahrens an die Hand. Wenn auch nicht rechtlich, so war es doch tatsächlich unklar, dass der damalige Vertreter nicht vertretungsberechtigt war. Dazu kommt, dass im vorliegenden Falle zwar nicht eine Vorinstanz, aber doch das (damalige) Polizeirichteramt, an das die Einsprache zu richten war, und die Untersuchungsrichterin davon ausgingen, eine gültige Einsprache sei erhoben worden. Andernfalls hätte der Strafbefehlsrichter die Akten nicht an das Untersuchungsrichteramt überwiesen und letzteres hätte keine Verbesserung der ungenügenden Vollmacht eingeholt.
 
c) Unter diesen Umständen verstiess es gegen das Verbot des überspitzten Formalismus, die Einsprache des Beschwerdeführers als ungültig zu betrachten, ohne ihm eine Nachfrist zur Verbesserung des Mangels zu gewähren. Der Beschwerdeführer hat den Mangel ausserdem behoben, indem er auf Veranlassung der Untersuchungsrichterin die Einsprache eigenhändig schriftlich bestätigte. Auch wenn dies geschah, um die Vollmacht zu verbessern und nicht um die fehlende Vertretungsbefugnis des damaligen Vertreters zu ersetzen, heilte diese Bestätigung ebenso letzteren Mangel. Jedenfalls verstösst es gegen das Verbot des überspitzten Formalismus, wenn der Einzelrichter die Einsprache trotzdem für ungültig erklärte. Hinzu kommt, dass der unzulässige Vertreter im weiteren Verfahren nicht mehr aufgetreten ist. Schon vor Erlass des einzelrichterlichen Entscheids wählte der Beschwerdeführer neu einen Anwalt, der über die nötige Bewilligung verfügt. Dass der frühere Vertreter als Rechtsvertreter aufgetreten ist, obwohl ihm die dafür nötige Bewilligung entzogen worden war, mag für diesen Konsequenzen haben, aber es kann im vorliegenden Fall nicht dazu führen, dass die vom Beschwerdeführer bestätigte Einsprache ungültig ist.
 
d) Soweit auf sie eingetreten werden kann, ist die gegen den einzelrichterlichen Entscheid gerichtete Beschwerde daher gutzuheissen und dieser aufzuheben. Da der Einzelrichter die Einsprache zu behandeln haben wird, braucht bei diesem Ergebnis auf die Rüge, wonach der Strafbefehl nicht ordnungsgemäss zugestellt worden sei, nicht eingegangen zu werden.
 
4.- Soweit auf sie eingetreten werden kann, ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts abzuweisen und diejenige gegen den Entscheid des Einzelrichters gutzuheissen. Angesichts der Rechtsmittelbelehrung des Einzelrichters und der vorstehend erwähnten unbefriedigenden Lücke im zugerischen Rechtsmittelsystem konnte der Beschwerdeführer auch gegen den obergerichtlichen Beschluss in guten Treuen Beschwerde führen. Daher werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 156 Abs. 2 und 3 OG). Der Kanton Zug hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 und 3 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug vom 22. Oktober 1999 wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
 
2.- Die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Einzelrichters des Kantons Zug vom 7. Oktober 1999 wird gutgeheissen, soweit auf sie eingetreten werden kann, und der Entscheid wird aufgehoben.
 
3.- Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.- Der Kanton Zug hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000. -- zu entschädigen.
 
5.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Einzelrichteramt, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht, Justizkommission, des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 14. März 2000
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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