BGer 1P.301/2000 | |||
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BGer 1P.301/2000 vom 23.05.2000 | |
[AZA 0]
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1P.301/2000/boh
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I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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23. Mai 2000
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Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
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I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
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Aeschlimann, Bundesrichter Catenazzi und Gerichtsschreiber Steinmann.
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In Sachen
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M.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Peter A. Iten, Neugasse 23, Zug,
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gegen
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Untersuchungsrichteramt des Kantons Z u g,Staatsanwaltschaft des Kantons Z u g,Obergericht des Kantons Z u g, Justizkommission,
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betreffend
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Überweisung, hat sich ergeben:
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A.- Das Untersuchungsrichteramt des Kantons Zug führte eine Strafuntersuchung gegen die Verantwortlichen der Firma C.________. Diese Gesellschaft wurde am 20. Mai 1989 gegründet, am 20. Mai 1999 ist der Konkurs über sie eröffnet worden.
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Mit Verfügung vom 29. Oktober 1999 schloss das Untersuchungsrichteramt die Strafuntersuchung gegen die Verantwortlichen V.________, M.________ und Z.________ ab und überwies sie an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug. In Bezug auf M.________ erfolgte die Überweisung wegen gewerbsmässigen Betrugs, eventuell qualifizierter Veruntreuung, eventuell ungetreuer Geschäftsbesorgung, Beteiligung an einer kriminellen Organisation und Geldwäscherei.
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Gegen diese Überweisungsverfügung erhob M.________ bei der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug Beschwerde, ersuchte um deren Aufhebung und stellte verschiedene Beweisbegehren. Die Justizkommission wies die Beschwerde mit Urteil vom 29. Februar 2000 ab.
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B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 15. Mai 2000 ficht M.________ den Entscheid der Justizkommission beim Bundesgericht an. Sie verlangt dessen Aufhebung und ersucht um Gewährung der aufschiebenden Wirkung und um Übernahme der Kosten der notwendigen Verteidigung. Hierfür beruft sie sich auf Art. 9, 29 und 32 BV sowie auf Art. 6 EMRK. Auf die Begründung im Einzelnen ist, soweit erforderlich, in den Erwägungen einzugehen.
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Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Das Bundesgericht prüft die Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 124 I 11 E. 1 S. 13). In dieser Hinsicht ist in erster Linie die Frage zu beurteilen, ob die Beschwerde nach Art. 87 OG zulässig ist.
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2.- a) Nach der alten, bis Ende Februar 2000 gültigen Fassung (Art. 87 aOG) ist die staatsrechtliche Beschwerde gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide wegen Verletzung von Art. 4 aBV nur zulässig, soweit sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Mit dem Bundesgesetz über prozessuale Anpassungen an die neue Bundesverfassung vom 8. Oktober 1999 ist der Wortlaut von Art. 87 aOG geändert worden (AS 2000 416/417): Nach Art. 87 Abs. 2 OG ist die Beschwerde allgemein und unabhängig vom Beschwerdegrund gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Diese Gesetzesnovelle ist am 1. März 2000 in Kraft getreten (AS 2000 418).
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b) Es wird von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt, dass es sich beim angefochtenen Entscheid um einen (letztinstanzlichen) Zwischenentscheid handelt. Als Zwischenentscheide gelten solche Entscheidungen, welche das Verfahren nicht abschliessen, sondern bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid darstellen (BGE 122 I 39 E. 1a/bb S. 41, 117 Ia 396 E. 1 S. 398). Die Überweisung einer Strafsache an die Staatsanwaltschaft nach § 34 der Zuger Strafprozessordnung (StPO) stellt lediglich einen Entscheid auf dem Wege zu deren gerichtlicher Beurteilung und zu einem Endentscheid dar. Sie gilt daher nach ständiger Rechtsprechung als Zwischenentscheid (BGE 115 Ia 311 E. 1a S. 313). Demnach findet die Regelung von Art. 87 aOG bzw. OG unabhängig von der massgeblichen Fassung grundsätzlich Anwendung.
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c) Die genannte Änderung des Organisationsgesetzes enthält keine Übergangsbestimmung. Demgegenüber schlossen die Schlussbestimmungen zur Änderung des OG vom 20. Dezember 1968 die Anwendung der neuen Bestimmungen aus auf Beschwerden gegen Verfügungen, die vor dem Inkrafttreten getroffen worden waren (III Abs. 2). Die Schlussbestimmungen zur Änderung des OG vom 4. Oktober 1991 erklärten die Novelle lediglich anwendbar, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten ergangen ist (Ziff. 3 Abs. 1).
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Nach allgemeiner Auffassung sind neue Verfahrensvorschriften auf hängige Verfahren sofort anwendbar (vgl.
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BGE 79 I 84 E. 1). Davon werden Ausnahmen für das Rechtsmittelverfahren in genereller Weise oder ab einem bestimmten Stadium gemacht (vgl. Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage 1998, S. 29, mit Hinweisen). In diesem Sinne ist insbesondere - neben den erwähnten Übergangsbestimmungen zum OG - entschieden worden, wenn eine grundlegend neue Verfahrensordnung geschaffen wurde (vgl. BGE 110 V 330, 112 V 356, 115 II 97 und 120 Ia 101 E. 1; vgl. aber auch BGE 118 Ib 145 sowie zum Ganzen ASA 67 409).
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Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Entscheid noch unter der Herrschaft des bisherigen Wortlautes gefällt worden; die Beschwerde ist nach Inkrafttreten der neuen Bestimmung erhoben worden. Für die Beurteilung, ob die alte oder die neue Version anwendbar ist, fällt ins Gewicht, dass der neue Wortlaut die Beschwerdemöglichkeiten einschränkt (vgl. Botschaft über die Inkraftsetzung der neuen Bundesverfassung und die notwendige Anpassung der Gesetzgebung, BBl 1999 7922 [7937 f.]). Während nach altem Recht letztinstanzliche Zwischenentscheide wegen Verletzung eines speziellen Freiheitsrechtes bzw. wegen der eigenständigen Anrufung eines speziellen Freiheitsrechts neben der Berufung auf Art. 4 aBV auch ohne nicht wieder gutzumachenden Nachteil anfechtbar waren (Art. 86/87 aOG), kann nach dem neuen Recht unabhängig vom Beschwerdegrund nur dann Beschwerde erhoben werden, wenn der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 87 Abs. 2 OG; vgl. die genannte Botschaft).
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Der Vergleich von alter und neuer Fassung legt es nahe, auf den vorliegenden Fall das alte Recht nach Art. 87 aOG zur Anwendung zu bringen. Wie es sich mit dieser übergangsrechtlichen Frage letztlich verhält, kann indessen offen gelassen werden, wenn sich die vorliegende Beschwerde sowohl nach neuem (nachfolgend E. 3) als auch nach altem Recht (nachfolgend E. 4) als unzulässig erweisen sollte.
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3.- Art. 87 Abs. 1 OG enthält eine spezielle Regelung zur Anfechtung von selbständig eröffneten Vor- und Zwischenentscheiden über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren, welche im vorliegenden Fall nicht zum Zuge kommt. Gemäss Art. 87 Abs. 2 OG ist gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide die Beschwerde nur zulässig, wenn diese einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können.
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Nach der bisherigen Rechtsprechung haben Entscheide, mit denen eine Strafsache an das zuständige Strafgericht überwiesen werden, keinen derartigen Nachteil zur Folge (BGE 115 Ia 311 E. 2b S. 315). Einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne der bisherigen Rechtsprechung bewirkt demnach im vorliegenden Fall auch die Überweisung der Strafsache an die Staatsanwaltschaft nicht. Mit der Neufassung von Art. 87 OG hat der Begriff des nicht wieder gutzumachenden Nachteils keine Änderung erfahren. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Entscheid kein nicht wieder gutzumachender Nachteil erwächst.
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Bei dieser Sachlage zeigt sich, dass die vorliegende Beschwerde nach Art. 87 Abs. 2 OG unzulässig ist.
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4.- Die Rechtsprechung zu Art. 87 aOG liess Beschwerden auch ohne nicht wieder gutzumachenden Nachteil zu, sofern neben der Verletzung von Art. 4 aBV noch weitere Beschwerdegründe vorgebracht wurden. Voraussetzung hierfür war, dass diese weitern Beschwerdegründe selbständige Bedeutung hatten und nicht mit der Rüge der Verletzung von Art. 4 aBV zusammenfielen oder nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet waren (BGE 114 Ia 179 S. 180, 115 Ia 311 E. 2b S. 314). Es ist daher zu prüfen, ob der Rüge der Verletzung der neuen Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention neben Art. 4 aBV im vorliegenden Fall selbständige Bedeutung zukommt.
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Art. 4 aBV umfasst in einem weiten Sinne alle prozessualen Garantien eines rechtmässigen und fairen Verfahrens.
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Viele prozessuale Sicherungen hatten demnach unter dem Gesichtswinkel von Art. 87 aOG neben Art. 4 aBV keine eigenständige Bedeutung. Dies betraf etwa den allein unter dem Gesichtswinkel der Willkür vorgebrachten Bereich des verfassungsmässigen Richters (BGE 115 Ia 311 S. 314, mit Hinweisen), den Anspruch nach Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK (BGE 114 Ia 179), den Bereich der Unschuldsvermutung (nicht veröffentlichtes Urteil i.S. B. vom 3. Dezember 1996 und i.S. B.
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vom 7. Juli 1987) und den Grundsatz "ne bis in idem" (nicht veröffentlichtes Urteil i.S. M. vom 30. Mai 1994). Weiter hat das Bundesgericht allgemein festgehalten, dass Art. 6 Ziff. 3 EMRK unter dem Gesichtswinkel von Art. 87 aOG nicht über die Garantien von Art. 4 aBV hinausgeht (BGE 116 Ia 73 E. 1b S. 74).
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Die von der Beschwerdeführerin weiter angerufenen Art. 9, 29 und 32 BV reichen ebenfalls nicht über die Garantie von Art. 4 aBV hinaus (zitierte Botschaft des Bundesrates S. 7937 f.). Das Gleiche gilt hinsichtlich der Anrufung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, der allgemein Anspruch auf ein faires Verfahren einräumt.
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Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin keine Verfassungsgarantien anruft, die neben der Rüge der Verletzung von Art. 4 aBV eigenständige Bedeutung hat. Demnach erweist sich die Beschwerde auch unter dem Gesichtswinkel von Art. 87 aOG als unzulässig.
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5.- Demnach kann auf die vorliegende Beschwerde nicht eingetreten werden.
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Die Beschwerdeführerin ersucht um Übernahme der Kosten der notwendigen Verteidigung. Es ist nicht klar ersichtlich, was sie mit diesem Gesuch bezweckt; insbesondere wird das Ersuchen nicht näher begründet. Nach der Verfahrensordnung des Organisationsgesetzes gibt es das Institut der notwendigen Verteidigung nicht, hingegen die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nach Art. 152 OG. Soweit das Ersuchen der Beschwerdeführerin in diesem Sinne gemeint sein sollte, ist es abzuweisen. Nach Art. 152 OG kann die unentgeltliche Rechtspflege gewährt werden, soweit das Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Die vorstehenden Erwägungen zeigen klar, dass sich die Beschwerde zum Vornherein als unzulässig erweist. Demnach ist das Gesuch abzuweisen. Es mag sich indessen rechtfertigen, auf eine Kostenauflage zu verzichten.
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Mit diesem Entscheid wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2.- Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
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3.- Es werden keine Kosten erhoben.
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4.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin sowie dem Untersuchungsrichteramt, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 23. Mai 2000
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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