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Informationen zum Dokument  BGer 7B.127/2000  Materielle Begründung
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BGer 7B.127/2000 vom 21.06.2000
 
[AZA 0/4]
 
7B.127/2000
 
126 III 294
 
52. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und
 
Konkurskammer vom 21. Juni 2000 i.S. X. GmbH (Beschwerde)
 
Betreibung für Masseverbindlichkeiten im Nachlassvertrag
 
mit Vermögensabtretung (Art. 297, 310 Abs. 2 und 319 Abs. 2
 
SchKG).
 
Die Mehrwertsteuer für Arbeiten, die der Schuldner
 
während der Nachlassstundung mit Zustimmung des Sachwaltersausgeführt hat, ist eine Masseverbindlichkeit, die nichtvom Nachlassvertrag betroffen ist. Für solche Forderungenkann der Gläubiger gegen die Masse die Betreibung aufPfändung anheben (E. 1b).
 
Poursuite pour dettes de la masse dans le concordat parabandon d'actif (art. 297, 310 al. 2 et 319 al. 2 LP).
 
La taxe sur la valeur ajoutée pour des travaux que ledébiteur a exécutés pendant le sursis avec l'assentiment ducommissaire est une dette de la masse qui n'est pascomprise dans le concordat. Pour le recouvrement d'unetelle prétention, le créancier peut exercer contre la massela poursuite par voie de saisie (consid. 1b).
 
Esecuzione per i debiti della massa nel concordato conabbandono dell'attivo (art. 297, 310 cpv. 2 e 319 cpv. 2LEF).
 
L'imposta sul valore aggiunto per lavori che il debitoreha eseguito durante la moratoria concordataria con ilconsenso del commissario costituisce un debito della massanon compreso nel concordato. Per simili pretese ilcreditore può procedere contro la massa con un'esecuzionein via di pignoramento(consid. 1b).
 
Y. wurde Nachlassstundung ab dem 21. April 1998 für 6Monate bewilligt, später bis zum 21. April 1999 und dannnochmals bis zum 21. April 2000 verlängert. AlsSachwalterin wurde die X. GmbH eingesetzt.
 
Das Betreibungsamt Villmergen kündigte Y. am 27. Oktober1999 in der Betreibung Nr. ... eine Pfändung an und stellteihm am 30. November 1999 sowie am 10. Februar 2000insgesamt drei Zahlungsbefehle zu. In allen vierBetreibungsverfahren ist die SchweizerischeEidgenossenschaft Gläubigerin und verlangt dieZwangsvollstreckung für während der Dauer derNachlassstundung abgerechnete Mehrwertsteuerbeiträge.
 
Die von der X. GmbH am 15. Dezember 1999 und 21. Februar2000 dagegen eingereichten Beschwerden hatten weder vor derunteren noch vor der oberen Aufsichtsbehörde Erfolg.
 
Die X. GmbH hat mit Beschwerde vom 2. Juni 2000 denEntscheid vom 6. April 2000 des Obergerichts des KantonsAargau (Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) alsoberer Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- undKonkurssachen an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammerdes Bundesgerichts weitergezogen. Sie beantragt Gutheissungdes eingelegten Rechtsmittels.
 
Aus den Erwägungen:
 
1.- a) Die Beschwerdeführerin rügt im Wesentlichen, dasObergericht habe gegen Art. 297 SchKG verstossen, dagegenüber einem in Nachlassstundung befindlichen Schuldnerein striktes Betreibungsverbot bestehe. AuchVerpflichtungen, die mit Einwilligung des Sachwaltersentstanden seien, dürften während der Nachlassstundungnicht in Betreibung gesetzt werden.
 
b) Verpflichtungen, die der Schuldner bzw. der Sachwalterwährend der Stundung im Rahmen der ihm zustehendenVerfügungs- bzw. Vertretungsbefugnis eingeht, werden nachAbschluss eines Liquidationsvergleichs (oder in einemspäteren Konkurs) als Masseverbindlichkeiten anerkannt(Art. 310 Abs. 2 SchKG). Weil diese nicht unter denNachlassvertrag fallen, dürfen sie vorab und voll bezahltwerden (AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- undKonkursrechts, 6. Auflage 1997, § 54 Rz. 45, S. 455).
 
Aufgabe des Sachwalters ist es, dafür besorgt zu sein, dasswährend der Stundung das Haftungssubstrat für die Gläubigernicht vermindert wird. Er wird deshalb nur dann derEingehung neuer Verpflichtungen zustimmen, wenn dies imInteresse der Gläubiger liegt und damit zu rechnen ist, dass diesen ein entsprechender Gegenwert zukommt (HANSULRICH HARDMEIER, Basler Kommentar zum SchKG, Band III, N.
 
20 zu Art. 310).
 
Die Beschwerdeführerin wendet dagegen hauptsächlich ein, lediglich AMONN/GASSER, jedoch nicht der zuletzt genannteAutor würden sich zu einer Betreibung und Fortsetzungderselben während der Nachlassstundung äussern. Der Einwandgeht fehl. Vorab ist festzuhalten, dass auchöffentlichrechtliche Verpflichtungen - entgegen der Meinungder Beschwerdeführerin - den Charakter vonMasseverbindlichkeiten haben können. Dies ist insbesonderedann der Fall, wenn sie unmittelbar mit einerMasseverbindlichkeit verknüpft sind. So hat dasBundesgericht in BGE 96 I 244 ff. entschieden, dieWarenumsatzsteuer für Lieferungen, die der Schuldnerwährend der Nachlassstundung mit Zustimmung des Sachwaltersausgeführt hat, sei eine Verbindlichkeit der Masse. Das hatauch die Vorinstanz zu Recht erwogen. Was für die vomSchuldner geschuldete Umsatzsteuer gegolten hat, findet nunauch Anwendung auf die Mehrwertsteuer (A. WINKELMANN/L.
 
LÉVY/V. JEANNERET/O. MERKT/F. BIRCHLER, Basler Kommentarzum SchKG, Band III, N. 14 zu Art. 319, S. 2896).
 
Masseverbindlichkeiten dürfen sofort bezahlt werden, dennsie werden vom Nachlassvertrag nicht erfasst. Anders liessesich die Weiterführung des Geschäftes während der Stundunghäufig gar nicht durchführen, würden doch dieGeschäftspartner des Nachlassschuldners nur dann zuweiteren Lieferungen bereit sein, wenn ihnen sofortigeBezahlung zugesichert wird. Das hat das Bundesgericht -noch unter dem alten Recht - befunden und weiterausgeführt, die Massegläubiger könnten den Schuldner trotzder Stundung sogar betreiben, allerdings nur auf Pfändung(Art. 316d Abs. 2 aSchKG). Denn dasZwangsvollstreckungsverbot in Art. 297 und 316a Abs. 2aSchKG beziehe sich nur auf diejenigen Forderungen, dieunter den Nachlassvertrag fielen, was bei denMasseverbindlichkeiten nicht der Fall sei. Die sofortigeBezahlung von Masseschulden könne sich daher auch dannaufdrängen, wenn drohende Betreibungen abzuwenden seien(BGE 100 III 30 E. 2 S. 32/33; vgl. dazu auch AMONN/GASSER, a.a.O., § 54 Rz. 45/46, S. 455). Daran hat sichgrundsätzlich mit der am 1. Januar 1997 in Kraft getretenenRevision des SchKG nichts geändert, denn in materiellerHinsicht sind keine wesentlichen Änderungen desNachlassvertragsrechtes vorgenommen worden (HARDMEIER, Neuerungen im Nachlassvertragsrecht, in: Das revidierteSchuldbetreibungs- und Konkursgesetz [SchKG], SAV, Bd. 13,Bern 1995, S. 148). Das gegenüber dem Schuldner bestehendeBetreibungsverbot wird nach wie vor in Art. 297 Abs. 1SchKG festgehalten; es wird jedoch in Art. 317SchKG, welcher Art. 316a aSchKG ersetzt (Botschaft, BBl.
 
1991 III S. 191), nicht mehr erwähnt. Das ist wohl daraufzurückzuführen, dass das Nachlassvertragsrecht durch dieRevision vor allem eine übersichtlichere Gliederungerfahren hat (HARDMEIER, a.a.O., SAV, S. 148). Es ist somitfolgerichtig, dass das Betreibungsverbot nur noch in Art. 297 SchKG mit dem Marginale "Wirkungen der Stundung"verankert worden ist, erstrecken sich doch die Wirkungender Nachlassstundung grundsätzlich über die eingeräumteDauer hinaus bis zur Publikation der Bestätigung desNachlassvertrages durch das Nachlassgericht (AMONN/GASSER, a.a.O., § 54 Rz. 30, S. 451).
 
Die während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalterseingegangenen Verbindlichkeiten verpflichten auch nachneuem Recht in einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretungoder in einem nachfolgenden Konkurs die Masse (Art. 310Abs. 2 SchKG). Gemäss Art. 319 Abs. 2 Satz 2 SchKG kann dieMasse für nicht vom Nachlassvertrag betroffeneVerbindlichkeiten, also für Masseschulden, betriebenwerden. Die Massegläubiger müssen auch nach dem revidiertenGesetz die Beendigung der Liquidation nicht abwarten, umbezahlt zu werden, und sie könnenZwangsvollstreckungsverfahren gegen die Masse einleiten.
 
Die Betreibung erfolgt auf Pfändung (A. WINKELMANN/L.
 
LÉVY/V. JEANNERET/O. MERKT/F. BIRCHLER, a.a.O., N. 21 zuArt. 319 SchKG, S. 2897), was das Bundesgericht - wieerwähnt - in BGE 100 III 30 E. 2 S. 33 zum alten Rechtbefunden hat.
 
c) Die Aufsichtsbehörde hat nach dem Gesagten keinBundesrecht verletzt, indem sie erkannt hat, dass die vonder Schweizerischen Eidgenossenschaft veranlasstenBetreibungen nicht unter das Betreibungsverbot des Art. 297Abs. 1 SchKG fallen.
 
(Lausanne, 21. Juni 2000
 
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