BGer U 89/1999 | |||
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BGer U 89/1999 vom 10.07.2000 | |
«AZA 7»
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U 89/99 Gb
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III. Kammer
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Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiber Schürer
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Urteil vom 10. Juli 2000
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in Sachen
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Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdeführerin,
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gegen
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P.________, 1951, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Schwanenplatz 7, Luzern,
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und
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Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
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A.- P.________, geb. 1951, war seit 1990 als Bauarbeiter bei der Firma L.________ AG angestellt. Über die Arbeitgeberin war er bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfall und Berufskrankheit versichert.
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Am 21. Juli 1992 erlitt P.________ bei Abbrucharbeiten (Beseitigung von Garagenboxen) einen Unfall. Er wurde beim Einsturz einer Leichtbau-Gipswand gegen eine Abfallmulde gedrückt. Dabei zog er sich eine Schürfwunde an der linken Brustkorbvorderseite bis zur linken Schulter, eine Radiusfraktur (Unterarm) rechts, einen Bruch des Querfortsatzes des ersten Lendenwirbels rechts sowie eine Quetschung der Bauchregion mit traumatischem Leistenbruch rechts zu. In der Folge wurde er vom 21. Juli bis 7. August 1992 und erneut vom 4. bis 11. November 1992 im Kantonsspital X.________ behandelt. Sodann weilte er vom 6. April bis 28. Mai 1993 zur Abklärung und Behandlung in der Rehabilitationsklinik B.________. Da der Versicherte weiterhin über multiple Beschwerden, u.a. auch Sehstörungen, klagte, wurden mehrere zusätzliche ärztliche Abklärungen durchgeführt. Am 13. April 1995 verfügte die SUVA die sofortige Einstellung sämtlicher Versicherungsleistungen. Die Einsprache von P.________, mit welcher dieser beantragte, es seien ihm weiterhin Heilbehandlung und Taggelder zu gewähren, eventuell eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % und eine Integritätsentschädigung auf Grund einer Integritätseinbusse von 90 % zuzusprechen, wies die SUVA mit Entscheid vom 27. Juni 1995 ab.
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B.- Hiegegen erhob der Versicherte Beschwerde mit dem Begehren um Ausrichtung von Taggeldern bei einer Arbeitsunfähigkeit von 100 %, um Heilbehandlung, um eine Invalidenrente bei einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % und um eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 80 %.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern veranlasste eine ärztliche Begutachtung (Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik M.________ vom 16. November 1998) und wies in Gutheissung der Beschwerde die Sache an die SUVA zurück, "damit sie über die einzelnen gesetzlichen Leistungen ab 14. April 1995 befinde und verfüge".
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C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren um Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids.
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P.________ und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat keine Vernehmlassung eingereicht.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.- Streitig ist, ob der Beschwerdegegner über den 13. April 1995 hinaus Anspruch auf Leistungen der SUVA hat. Dabei ist unbestritten, dass zwischen dem Unfall vom 21. Juli 1992 und den psychischen Beschwerden ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Umstritten ist hingegen, ob auch der adäquate Kausalzusammenhang gegeben ist, und ferner, ob der Beschwerdegegner im massgeblichen Zeitpunkt des Einspracheentscheides noch unter somatischen Unfallfolgen litt.
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2.- Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zur Adäquanz von psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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Im Hinblick auf die gegensätzlichen Standpunkte, welche in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde einerseits und der Vernehmlassung der Vorinstanz andererseits zur Frage, ob bei der Beurteilung der Adäquanz vom objektiven Unfallgeschehen oder vom subjektiven Unfallerlebnis auszugehen sei, ist Folgendes festzuhalten: Gemäss BGE 115 V 133, insbesondere 135 Erw. 4b und 138 f. Erw. 6 (vor Erw. 6a), erfolgt die Einteilung der Unfälle in die Kategorien der banalen oder leichten Unfälle, der schweren Unfälle und der Unfälle des mittleren Bereichs auf der Grundlage des objektiv erfassbaren Unfallereignisses selbst, massgebend ist der augenfällige Geschehensablauf. Ist in der Folge über die Adäquanz eines Unfalls aus dem mittleren Bereich zu entscheiden, kann nicht auf den Unfall allein abgestellt werden. Vielmehr müssen weitere Umstände, welche unmittelbar mit dem Unfall in Zusammenhang stehen oder als dessen direkte oder indirekte Folgen erscheinen, in die Beurteilung miteinbezogen werden. Solche - unfallbezogenen - Umstände können als Beurteilungskriterien dienen, weil sie ihrerseits nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, in Verbindung mit dem Unfall zu einer psychisch bedingten Erwerbsunfähigkeit zu führen (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa). Sodann ist die Frage, ob ein Unfall nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, eine psychische Gesundheitsschädigung herbeizuführen, in der sozialen Unfallversicherung nicht auf den psychisch gesunden Versicherten zu beschränken. Vielmehr ist auf eine weite Bandbreite der Versicherten abzustellen. Hiezu gehören auch jene Versicherten, die auf Grund ihrer Veranlagung für psychische Störungen anfälliger sind und einen Unfall seelisch weniger gut verkraften als Gesunde (BGE 125 V 462 Erw. 5c).
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3.- a) Parteien und Vorinstanz gehen vorliegend zu Recht von einem mittelschweren Unfall im Sinne der Rechtsprechung (BGE 115 V 133) aus. Der Unfall ist allerdings an der Grenze zu den schweren Unfällen einzustufen. Es liegt ihm ein ausser Kontrolle geratener Einsturz eines Garagengebäudes zu Grunde. Die Gewalteinwirkung auf den Beschwerdegegner durch die einstürzende Seitenwand des Gebäudes war erheblich, sie hatte verschiedene Frakturen und andere Verletzungen zur Folge.
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b) Das kantonale Gericht hat mit zutreffender Begründung, auf welche verwiesen wird, bejaht, dass das Kriterium der besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls vom 21. Juli 1992 erfüllt sei. Die SUVA wendet dagegen ein, der vorinstanzliche Entscheid verstosse diesbezüglich gegen die
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Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts. Dem ist entgegenzuhalten, dass in den von der SUVA angeführten nicht veröffentlichten Urteilen S. vom 23. Februar 1998, U 244/96, und B. vom 13. November 1989, U 38/89, Unfälle beurteilt worden sind, welche mit den Umständen des Unfalls vom 21. Juli 1992 nicht vergleichbar sind. Zu beachten ist, dass vorliegend nicht abzuschätzen war, welche Trümmermassen aus der einstürzenden Seitenwand auf den Versicherten zukommen und ihn noch stärker gegen die Mulde drücken und dabei möglicherweise zerquetschen würden. Von Bedeutung ist auch, dass das Flachdach des Garagengebäudes gegen die zerstörte Rückseite des Gebäudes einknickte. Als die Seitenwand gegen den Versicherten hin zerbarst, war damit zu rechnen, dass der Einsturzvorgang noch nicht beendet sein könnte, sondern dass auch das Dach der Länge nach, mithin im Bereich des Versicherten, bersten und weitere Trümmer gegen ihn schleudern könnte. Berücksichtigt man zudem, dass sich der Versicherte hiegegen in keiner Weise schützen konnte, muss die besondere Eindrücklichkeit des Unfalls als in ausgeprägtem Masse erfüllt angesehen werden.
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c) Die Vorinstanz hat auch das Kriterium der langen Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit als erfüllt qualifiziert; auch diesbezüglich wird auf deren zutreffende Erwägungen verwiesen. Zu Recht begründet das kantonale Gericht seinen Entscheid u.a. unter Hinweis auf RKUV 1998 Nr. U 307 S. 448, insbesondere S. 450 Erw. 3b. In jenem Fall war der Versicherte während sieben Monaten auf Grund körperlicher Symptome vollumfänglich arbeitsunfähig gewesen, zudem hatte er nach dem Unfall die bisherige Berufstätigkeit nicht mehr ausüben können. Letzteres trifft vorliegend gemäss den Feststellungen im Gerichtsgutachten ebenfalls zu. Zudem verweist die Vorinstanz zu Recht darauf, dass der Beschwerdegegner im Juli/August 1992, im November 1992 und im April/Mai 1993 wegen somatischer Leiden behandelt wurde und jedenfalls bis zum letztgenannten Spitalaufenthalt aus somatischen Gründen nicht arbeitsfähig war. Das Kriterium der lange dauernden physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit ist demzufolge erfüllt.
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d) Da nach dem Dargelegten das Kriterium der besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls in ausgeprägtem Masse und zudem das Kriterium der lange dauernden physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit erfüllt sind, ist die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall vom 21. Juli 1992 und den psychischen Beschwerden, welche als solche unbestritten sind (Gerichtsgutachten S. 32: einerseits chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung, andererseits somatoforme Schmerzstörung nach Verschüttungstrauma), zu bejahen.
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4.- Der Beschwerdegegner bestreitet in der Vernehmlassung die Beurteilung der Vorinstanz, es lägen keine somatischen Unfallfolgen vor. Er macht geltend, an einer Hirnschädigung, welche insbesondere eine Sehschädigung zur Folge habe, zu leiden. Die Vorinstanz hat diesen Standpunkt mit zutreffender Begründung, auf welche verwiesen wird, verworfen. Angesichts der diesbezüglichen überzeugenden Ausführungen im Gerichtsgutachten ist jedenfalls festzustellen, dass die vom Beschwerdegegner geltend gemachten Beschwerden nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 21. Juli 1992 zurückzuführen sind.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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III. Die SUVA hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren
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vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Par-
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teientschädigung von Fr. 2500.- (inkl. Mehrwertsteuer)
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zu bezahlen.
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IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
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richt des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtli-
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che Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversiche-
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rung zugestellt.
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Luzern, 10. Juli 2000
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Im Namen des
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Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Präsident der III. Kammer:
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Der Gerichtsschreiber:
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