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Informationen zum Dokument  BGer U 356/1999  Materielle Begründung
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BGer U 356/1999 vom 28.07.2000
 
«AZA 7»
 
U 356/99 Gb
 
IV. Kammer
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
 
Urteil vom 28. Juli 2000
 
in Sachen
 
K.________, 1933, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Sidler, Untermüli 6, Zug,
 
gegen
 
Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft, Bundesgasse 35, Bern, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Mathias Merki, Zelglistrasse 15, Aarau,
 
und
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
 
A.- K.________ (geboren 1933) arbeitete seit 1990 teilzeitlich im Verkauf bei der Firma M.________ AG und war bei der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft (nachfolgend: Schweizerische Mobiliar) gegen Unfälle versichert. Am 11. September 1993 erlitt sie eine Bimalleolarfraktur links mit ossärem Ausriss der vorderen Syndesmose. Gemäss Bescheinigungen des Dr. med. B.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, war sie in der Folge mit einem kurzen Unterbruch vollständig, ab 21. März 1994 zu 50 % arbeitsunfähig, weshalb sie noch an zwei anstelle der üblichen vier Nachmittage arbeitete. Die Schweizerische Mobiliar erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Seit Entfernung des Osteosynthesematerials leidet K.________ unter Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Fussrückens sowie häufigen Schwellungen. Dr. med. A.________, Spezialarzt für Neurologie, diagnostizierte eine Läsion des Nervus peronaeus superficialis links. Dr. med. L.________, Spezialarzt für Chirurgie, befand, dass K.________ trotz ihrer glaubwürdigen und objektivierbaren Schmerzen bei gutem Willen mindestens an drei Nachmittagen arbeiten könnte, da es bei ihrer Tätigkeit möglich sei, zwischendurch Sitzpausen einzuschalten (Gutachten vom 6. Juni 1995), und attestierte ihr für eine sitzende Tätigkeit volle Arbeitsfähigkeit (Schreiben vom 22. Juni 1995). Am 15. September 1995 glitt sie auf nassem Boden aus und stauchte sich den linken Fuss. In der Folge verstärkten sich die seit dem ersten Unfall bestehenden Beschwerden. Mit Verfügung vom 29. Dezember 1995, welche unangefochten blieb, stellte die Schweizerische Mobiliar die Leistung von Taggeldern für den Unfall von 1993 per 30. November 1995 ein, da K.________ am 4. November 1995 das Pensionsalter erreicht habe, und richtete ihr eine Integritätsentschädigung auf Grund einer Integritätseinbusse von 5 % aus. Im Zusammenhang mit dem Unfall von 1995 leistete sie bis April 1997 weitere Taggelder. K.________ war bei andauernder Arbeitsunfähigkeit von 50 % weiterhin an zwei Nachmittagen in der Woche erwerbstätig. Dr. med. R.________, Spezialarzt für orthopädische Chirurgie, hielt in seinem Gutachten vom 7. Februar 1997 zu Handen der Schweizerischen Mobiliar fest, dass sämtliche Beschwerden von K.________ Folgen des Unfalles von 1993 seien. Mit Verfügung vom 8. September 1997, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 20. Mai 1998, hiess die Schweizerische Mobiliar die Übernahme erneuter Heilbehandlungskosten gut, lehnte aber die Ausrichtung weiterer Taggelder ab.
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 8. September 1999 ab.
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ beantragen, die Verfügung vom 8. September 1997 und der vorinstanzliche Entscheid seien aufzuheben und es sei die Schweizerische Mobiliar zu verpflichten, ihr Taggelder, eventualiter eine Rente auszurichten.
 
Die Schweizerische Mobiliar schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 119 Ib 36 Erw. 1b, 118 V 313 Erw. 3b, je mit Hinweisen).
 
b) Die Beschwerdeführerin beantragt in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Ausrichtung von Taggeldern, eventualiter die Zusprechung einer Rente. Da weder die Schweizerische Mobiliar noch die Vorinstanz sich zur Frage eines Rentenanspruchs geäussert haben, fehlt es vorliegend an einem diesbezüglichen Anfechtungsobjekt und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung. Auf den Eventualantrag kann deshalb nicht eingetreten werden.
 
2.- Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf Taggelder (Art. 16 Abs. 1 UVG; BGE 114 V 283 Erw. 1c, mit Hinweisen; RKUV 1987 Nr. U 27 S. 393 Erw. 2), dessen Beginn und Ende (Art. 16 Abs. 2 UVG), die Schadenminderungspflicht der versicherten Person (BGE 115 V 133 Erw. 2, 114 V 283 Erw. 1d; RKUV 1987 Nr. U 27 S. 394 Erw. 2b, je mit Hinweisen) sowie die Ansprüche bei Spätfolgen und Rückfällen (Art. 21 UVG und Art. 11 UVV; RKUV 1994 Nr. U 206 327 Erw. 2, mit Hinweis) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
 
3.- Auf Grund der Akten ist erstellt, dass sich die von der Schweizerischen Mobiliar nach dem 1. Dezember 1995 ausgerichteten Taggelder auf den Unfall von 1995 bezogen. Die Beschwerdeführerin durfte somit entgegen ihren Vorbringen nicht von einer stillschweigenden Aufhebung der Verfügung vom 29. Dezember 1995 ausgehen, mit welcher die Taggelder, die für die Folgen des ersten Unfalls erbracht worden waren, auf den 30. November 1995 eingestellt wurden.
 
4.- Die Schweizerische Mobiliar erklärte sich auf Grund des Gutachtens des Dr. med. R.________ vom 7. Februar 1997, gemäss welchem sämtliche Leiden der Beschwerdeführerin auf den Unfall von 1993 zurückzuführen sind und durch ärztliche Behandlung allenfalls gebessert werden können, bereit, weitere Heilbehandlungskosten zu übernehmen; die Ausrichtung weiterer Taggelder lehnte sie jedoch ab (Verfügung vom 8. September 1997). Es ist zu prüfen, ob ein Rückkommensgrund vorliegt.
 
a) Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (BGE 122 V 21 Erw. 3a, 173 Erw. 4a, 271 Erw. 2, 368 Erw. 3, 121 V 4 Erw. 6, je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts kann die Verwaltung weder von den Betroffenen noch vom Gericht zu einer Wiedererwägung verhalten werden. Es besteht demnach kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Wiedererwägung.
 
Nach dem Gesagten kann weder die Beschwerdeführerin noch das Eidg. Versicherungsgericht die Schweizerische Mobiliar zu einer Wiedererwägung der Verfügung vom 29. Dezember 1995 bezüglich des Anspruchs auf Taggelder anhalten.
 
b) Bei der prozessualen Revision ist die Verwaltung verpflichtet, auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen (BGE 122 V 21 Erw. 3a, 138 Erw. 2c, 173 Erw. 4a, 272 Erw. 2, 121 V 4 Erw. 6, je mit Hinweisen). Das neue Beweismittel darf nicht bloss der Sachverhaltswürdigung dienen. Es genügt daher beispielsweise nicht, dass ein neues Gutachten den Sachverhalt anders bewertet; vielmehr bedarf es Elemente tatsächlicher Natur, welche die Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft erscheinen lassen (BGE 110 V 141 Erw. 2, 293 Erw. 2a, je mit Hinweisen; RKUV 1991 Nr. K 855 S. 16 Erw. 1; bestätigt in nicht publizierter Erwägung 3b/aa des Urteils RKUV 1998 Nr. U 310 S. 463).
 
Die Beschwerdeführerin stützt ihr Begehren auf das Gutachten des Dr. med. R.________ vom 7. Februar 1997 ab. Dieses enthält keine neuen Befunde, sondern zieht aus den bekannten Tatsachen lediglich den Schluss, dass die Leiden der Versicherten weiterer Behandlung bedürfen und durch diese allenfalls gebessert werden können, und dass die erbrachte Arbeitsleistung voll akzeptiert werden müsse. Dr. med. R.________ würdigt somit lediglich die bereits bekannten Tatsachen anders als Dr. med. L.________, weshalb das Gutachten vom 7. Februar 1997 nicht geeignet ist, eine prozessuale Revision zu begründen.
 
c) Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, ist seit Abschluss des Grundfalles keine Verminderung der Arbeitsfähigkeit eingetreten. Die Beschwerdeführerin bestätigte dem Gutachter Dr. med. R.________ vielmehr, die Beschwerden seien gleich wie vor dem Unfall von September 1995. Nachdem auch keine auf die erneute Heilbehandlung zurückzuführende Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, liegt auch diesbezüglich kein Revisionsgrund vor.
 
Zusammenfassend bleibt es damit bei der mit Verfügung vom 29. Dezember 1995 rechtskräftig verfügten Abweisung des Taggeldanspruchs.
 
5.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG).
 
Nach Art. 159 Abs. 2 OG darf im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen werden. In Anwendung dieser Bestimmung hat das Eidgenössische Versicherungsgericht der SUVA und den privaten UVG-Versicherern sowie - von Sonderfällen abgesehen - den Krankenkassen keine Parteientschädigungen zugesprochen, weil sie als Organisationen mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu qualifizieren sind (BGE 112 V 361 Erw. 6 mit Hinweisen). Ausnahmsweise kann eine Parteientschädigung gewährt werden, wenn wegen der Besonderheit oder Schwierigkeit der Sache der Beizug eines frei praktizierenden Anwalts notwendig ist (BGE 119 V 456 Erw. 6b, nicht veröffentlichte Erw. 6 des Urteils RKUV 1995 Nr. K 955 S. 6, je mit Hinweisen).
 
Vorliegend waren keine besonders schwierigen Fragen zu erörtern, die den Beizug eines frei praktizierenden Anwalts verlangt hätten. Der Antrag der Schweizerischen Mobiliar auf eine Parteientschädigung ist deshalb abzuweisen.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen,
 
soweit darauf einzutreten ist.
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs-
 
gericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
 
Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 28. Juli 2000
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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