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Informationen zum Dokument  BGer 1A.204/2000  Materielle Begründung
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BGer 1A.204/2000 vom 19.09.2000
 
[AZA 0/2]
 
1A.204/2000/hzg
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
 
**********************************
 
19. September 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
 
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Féraud,
 
Bundesrichter Catenazzi und Gerichtsschreiber Karlen.
 
---------
 
In Sachen
 
Bundesamt für Polizei (BAP), Beschwerdeführer,
 
gegen
 
X.________ Ltd. , Zypern, Beschwerdegegnerin, Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer,
 
betreffend
 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Belarus
 
(B 118 506), hat sich ergeben:
 
A.- Der Stellvertretende Generalstaatsanwalt der Republik Belarus ersuchte am 11. Oktober 1999 die Schweizer Behörden um Rechtshilfe. Dem Ersuchen liegt ein Ermittlungsverfahren zu Grunde, das die Staatsanwaltschaft des Sawodskoj-Bezirkes der Stadt Minsk gegen A.________ wegen betrügerischer Erlangung eines Kredits führt.
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gab dem Ersuchen am 27. Januar 2000 statt und ordnete die verlangten Rechtshilfemassnahmen an. Am 17. Februar 2000 erliess sie die Schlussverfügung, mit welcher die Weiterleitung der erhobenen Unterlagen und Beweismittel angeordnet wurde.
 
Die X.________ Ltd. , Zypern, legte gegen die Schlussverfügung ein Rechtsmittel bei der Rekurskammer des Strafgerichtes Basel-Stadt ein. Diese hielt sich jedoch für unzuständig. Nach den §§ 166 und 167 der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt vom 8. Januar 1997 (StPO) seien Verfügungen eines Staatsanwaltes zunächst mittels Einsprache an den Ersten Staatsanwalt zu ziehen, bevor die Rekurskammer angerufen werden könne. Dies gelte auch im Bereich der internationalen Rechtshilfe. Mit Entscheid vom 23. Mai 2000 trat die Rekurskammer auf das Rechtsmittel der X.________ Ltd. nicht ein und überwies die Sache zuständigkeitshalber an den Ersten Staatsanwalt.
 
B.-Das Bundesamt für Polizei, Abteilung Internationales, hat gegen den Entscheid der Rekurskammer eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Es beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Diesem Antrag schliesst sich die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt in ihrer Vernehmlassung an. Die Rekurskammer hat mit Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Entscheids auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.-a) Gemäss Art. 25 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG; SR 351. 1) unterliegen Verfügungen letztinstanzlicher kantonaler Behörden der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.
 
Für den Bereich der so genannten kleinen Rechtshilfe (Art. 63 ff. IRSG) enthält das Gesetz eine spezielle Regelung:
 
Nach Art. 80f IRSG unterliegen nur kantonal letztinstanzliche Entscheide, mit denen das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen wird, der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Zwischenverfügungen können einzig dann selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, wenn sie einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken. Dieser muss sich gemäss Art. 80e lit. b IRSG aus der Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen (Ziff. 1) oder aus der Anwesenheit von Personen, die am ausländischen Prozess beteiligt sind (Ziff. 2), ergeben.
 
b) Die Rekurskammer hat ihre eigene Zuständigkeit verneint unter der Annahme einer Kompetenz des Ersten Staatsanwaltes, an welchen sie die Sache weitergeleitet hat. Ein Nichteintretensentscheid verbunden mit der Weiterleitung an eine andere Instanz stellt bloss einen Zwischenschritt zur Verfahrenserledigung dar. Gemäss allgemeiner Prozessrechtslehre handelt es sich um einen Zwischenentscheid.
 
Unter dem Blickwinkel von Art. 80f Abs. 1 IRSG ergibt sich nichts anderes. Infolge der Weiterleitung an den Ersten Staatsanwalt ist das Rechtshilfeverfahren innerkantonal noch nicht abgeschlossen. Der angefochtene Entscheid stellt auch nach den Verfahrensvorschriften des IRSG einen Zwischenentscheid dar.
 
c) Gemäss Art. 80k IRSG beträgt die Beschwerdefrist gegen eine Zwischenverfügung zehn Tage ab der schriftlichen Mitteilung der Verfügung. Das Bundesamt hat nach seinen Angaben den angefochtenen Entscheid am 31. Mai 2000 erhalten.
 
Die Beschwerdeerhebung vom 30. Juni 2000 ist somit verspätet.
 
Das Bundesamt ging von einer 30-tägigen Beschwerdefrist aus. Es verweist dabei auf Art. 106 OG. Auch wenn diese Bestimmung massgebend wäre, würde dies nichts ändern; denn auch nach der genannten allgemeinen Bestimmung des Bundesrechtspflegegesetzes ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Zwischenverfügung innert zehn Tagen einzureichen.
 
d) Das Bundesamt bemängelt, dass der angefochtene Entscheid entgegen Art. 22 IRSG keine Rechtsmittelbelehrung aufweist. Es macht den Anschein, dass die Rekurskammer davon ausging, es sei kein Bundesrechtsmittel gegeben. Daraus kann das Bundesamt jedoch nichts zu seinen Gunsten ableiten.
 
Zwar darf nach Art. 107 Abs. 3 OG den Beschwerdeführern aus einer fehlenden oder unrichtigen Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen. Die Regel von Art. 107 Abs. 3 OG, welcher in der Rechtsprechung allgemeine Bedeutung für die ganze Rechtsordnung beigelegt wird, ist Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben. Demzufolge kann sich derjenige, der die Unrichtigkeit bzw. Mangelhaftigkeit einer Rechtsmittelbelehrung kennt oder bei genügender Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, nicht auf Vertrauensschutz berufen (BGE 124 I 255 E. 1a/aa S. 258; 119 IV 330 E. 1c S. 333; 118 Ib 326 E. 1c S. 330). Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe ist das beschwerdeführende Bundesamt die spezialisierte Behörde. Es hätte ohne weiteres erkennen können, dass der angefochtene Entscheid nicht die Merkmale einer Schlussverfügung aufweist und somit innert zehn Tagen ab der Eröffnung hätte angefochten werden müssen. Die kurze Beschwerdefrist dient ebenfalls dem in Art. 17a IRSG verankerten Beschleunigungsgebot.
 
2.-Nach dem Gesagten kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mangels Fristwahrung nicht eingetreten werden.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 156 Abs. 2 OG). Die private Beschwerdegegnerin hat sich am bundesgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt; damit entfällt die Frage einer Parteientschädigung.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.-Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.-Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.-Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt und dem Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer, schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 19. September 2000
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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