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Informationen zum Dokument  BGer H 36/1999  Materielle Begründung
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BGer H 36/1999 vom 21.09.2000
 
[AZA 7]
 
H 36/99 Hm
 
III. Kammer
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
 
Gerichtsschreiber Widmer
 
Urteil vom 21. September 2000
 
in Sachen
 
Schweizerische Ausgleichskasse, Avenue Edmond-Vaucher 18, Genf, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
B.________, 1944, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat Daniel Dietrich, Steinenschanze 6, Basel,
 
und
 
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne
 
A.- Die in Frankreich wohnhafte, verheiratete B.________ (geb. 1944) meldete sich am 5. Februar 1991 bei der Schweizerischen Ausgleichskasse zum Bezug einer Invalidenrente an. Mit Verfügung vom 11. März 1992 lehnte die Ausgleichskasse das Rentengesuch ab, weil B.________ bei Ablauf der Wartezeit und Entstehung eines allfälligen Rentenanspruchs im Oktober 1990 nicht versichert gewesen sei; der schweizerischen AHV/IV sei sie nur von 1979 bis 1988 unterstellt gewesen, während sie an die freiwillige Versicherung für Auslandschweizer keine Beiträge geleistet habe. Dieser Verwaltungsakt blieb unangefochten. Auf den 1. April 1994 trat B.________ der freiwilligen AHV/IV für Auslandschweizer bei.
 
Mit Schreiben vom 28. Juni 1995 nahm die Ausgleichskasse zu einer entsprechenden Anfrage des Rechtsvertreters von B.________ (vom 14. Juni 1995) in dem Sinne Stellung, dass deren Ehemann auf den 1. Januar 1989 aus der freiwilligen AHV/IV für Auslandschweizer ausgeschlossen worden sei, weil er die Unterlagen zur Festsetzung der Beiträge nie eingereicht habe, weshalb er von der zuständigen schweizerischen Auslandsvertretung nie habe veranlagt werden können. Am 21. Dezember 1995 gelangte der Rechtsvertreter von B.________ erneut an die Schweizerische Ausgleichskasse und verlangte die Anpassung der Verfügung vom 11. März 1992 an die neue Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, wonach der Ausschluss aus der freiwilligen Versicherung einer Verfügung bedürfe. Da eine solche nie ergangen sei, könne entgegen der Auffassung der Kasse nicht davon die Rede sein, dass B.________ aus der freiwilligen Versicherung ausgeschlossen wurde. Am 12. März 1996 ersuchte er sodann um Erlass einer Verfügung. Am 13. Oktober 1997 stellte die Ausgleichskasse verfügungsweise fest, dass B.________ in der Zeit vom 1. Oktober 1986 bis zu ihrer Aufnahme in die freiwillige Versicherung nicht versichert gewesen sei. Zur Begründung hielt sie - wie bereits in der Korrespondenz mit dem Rechtsvertreter - fest, dass der Ehemann von B.________, der auf den 1. Oktober 1986 in die freiwillige AHV/IV aufgenommen worden sei, auf Ende 1988 aus der Versicherung ausgeschlossen worden sei. Dieser Ausschluss habe nach den damaligen Bestimmungen auch den Ausschluss der Ehegattin zur Folge gehabt.
 
B.- In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen die angefochtene Kassenverfügung auf und stellte fest, dass B.________ über den 31. Dezember 1988 hinaus Mitglied der freiwilligen AHV/IV für Auslandschweizer sei (Entscheid vom 11. Dezember 1998). Zur Begründung führte sie aus, die Kasse vermöge nicht nachzuweisen, dass dem Ehemann der Ausschluss aus der freiwilligen Versicherung mittels eingeschriebener Mahnung angedroht wurde. Ein rechtsgültiger Ausschluss von B.________ für die Zeit nach 31. Dezember 1988 sei daher nicht erstellt.
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Ausgleichskasse, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, die angefochtene Verfügung sei dahin zu korrigieren, dass B.________ auf den 31. Dezember 1988 aus der freiwilligen Versicherung ausgeschlossen werde, und es sei festzustellen, dass die Versicherteneigenschaft in der Zeit vom 1. Januar 1989 bis 1. April 1994 gefehlt habe. Während B.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Mit Verfügung vom 11. März 1992, welche unangefochten in Rechtskraft erwuchs, hatte die Ausgleichskasse ein Rentengesuch der Beschwerdegegnerin abgelehnt, weil diese bei Entstehung eines allfälligen Rentenanspruchs (im Oktober 1990) nicht versichert gewesen sei. Am 21. Dezember 1995 ersuchte der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin die Verwaltung darum, diese Verfügung durch Erlass eines neuen Verwaltungsaktes an die Rechtsprechung gemäss BGE 117 V 97 anzupassen, mit welcher die Vorgehensweise beim seinerzeitigen Ausschluss des Ehemannes aus der freiwilligen Versicherung nicht vereinbar sei. Dieses Gesuch kann nur dahin verstanden werden, dass die Beschwerdegegnerin von der Ausgleichskasse verlangte, auf die Rentenablehnungsverfügung (vom 11. März 1992) zurückzukommen und zufolge nicht ordnungsgemässen Ausschlusses aus der freiwilligen Versicherung die Versicherteneigenschaft bei Eintritt des Versicherungsfalles im Oktober 1990 zu bejahen.
 
b) Mit der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Verfügung vom 13. Oktober 1997 lehnte die Ausgleichskasse dieses Begehren ab, indem sie bestätigte, T.________ sei rechtskräftig per 31. Dezember 1988 aus der freiwilligen Versicherung ausgeschlossen worden, und überdies feststellte, dass die Beschwerdegegnerin in der Zeit vom 1. Oktober 1986 bis zu ihrer (Wieder)Aufnahme in die freiwillige Versicherung (auf den 1. April 1994) nicht versichert gewesen sei. In der Begründung wird wohl nicht auf die Rentenablehnungsverfügung vom 11. März 1992 Bezug genommen. Hingegen wird im Zusammenhang mit dem Gesuch vom 21. Dezember 1995 klar, dass sich die Verfügung vom 13. Oktober 1997 auf die bereits in der Verfügung vom 11. März 1992 verneinte Versicherteneigenschaft bezieht und es die Ausgleichskasse damit ablehnte, auf diesen Punkt zurückzukommen. Mit anderen Worten ging es bei der Verfügung vom 13. Oktober 1997 nicht um die Frage des Zurückkommens auf den seinerzeitigen Ausschluss.
 
2.- Streitig ist, ob es die Ausgleichskasse zu Recht abgelehnt hat, auf die ursprüngliche Verfügung vom 11. März 1992 zurückzukommen.
 
a) Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige
 
Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (BGE 122 V 21 Erw. 3a, 173 Erw. 4a, 271 Erw. 2, 368 Erw. 3, 121 V 4 Erw. 6, je mit Hinweisen).
 
Von der Wiedererwägung ist die so genannte prozessuale Revision von Verwaltungsverfügungen zu unterscheiden. Danach ist die Verwaltung verpflichtet, auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen (BGE 122 V 21 Erw. 3a, 138 Erw. 2c, 173 Erw. 4a, 272 Erw. 2, 121 V 4 Erw. 6, je mit Hinweisen).
 
b) Obwohl der Verfügungstext in diesem Zusammenhang keine näheren Ausführungen enthält, muss nach Lage der Akten geschlossen werden, dass die Ausgleichskasse auf das als Wiedererwägungsgesuch verstandene Begehren vom 21. Dezember 1995 eingetreten ist und nach materieller Prüfung einen neuen Sachentscheid gefällt hat. Folglich ist zu prüfen, ob sie die Wiedererwägungsvoraussetzungen zu Recht verneint hat (vgl. BGE 117 V 17 Erw. 2c).
 
Dies trifft zu. Die Ausgleichskasse weist in der Verfügung vom 11. März 1992 darauf hin, dass die Beschwerdegegnerin der AHV/IV nur bis Ende 1988 unterstellt gewesen sei und an die freiwillige Versicherung keine Beiträge geleistet habe. Indem sie - an die Rechtstatsache des Ausschlusses aus der freiwilligen Versicherung auf Ende 1988 anknüpfend - folgert, dass die Versicherteneigenschaft bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht gegeben sei, hat sie nicht zweifellos unrichtig im Sinne der Rechtsprechung (BGE 115 V 314 Erw. 4a/cc) gehandelt.
 
c) Selbst wenn hier eine Verfügung zu prüfen wäre, welche die Frage der Wiedererwägung des seinerzeitigen Ausschlusses aus der freiwilligen Versicherung zum Gegenstand hätte, wovon offenbar die Vorinstanz ausgegangen ist, könnte ebenfalls nicht von zweifelloser Unrichtigkeit gesprochen werden. Das Vorgehen der Verwaltung beim Ausschluss stand mit der damaligen Praxis im Einklang, wonach das Ehepaar in der freiwilligen Versicherung sowohl beim Eintritt als auch beim Ausschluss als Einheit betrachtet wurde. Auf Grund von BGE 117 V 97 lässt sich nun aber diese seinerzeitige Praxis nicht nachträglich als zweifellos unrichtig bezeichnen (BGE 117 V 17 Erw. 2c). Im Übrigen hatte sich BGE 117 V 97 gar nicht mit dem Einbezug der Ehefrau in den Ausschluss des pflichtvergessenen Ehemannes zu befassen, sondern mit dem umgekehrten Fall (BGE 117 V 113 Erw. 6d). Aus diesem Urteil kann daher nicht geschlossen werden, die Verwaltung sei beim Ausschluss nicht korrekt vorgegangen und es liege gar kein rechtsgültiger Ausschluss vor. Insoweit ist die Argumentation der Vorinstanz nicht nachvollziehbar, die darauf hinausläuft, dass auch der Ehemann der Beschwerdegegnerin nie rechtsgültig aus der freiwilligen Versicherung ausgeschlossen worden sei, obwohl er sich nie um die aus seiner damaligen Beitrittserklärung resultierenden Beitragsverpflichtungen gekümmert hat. Wie die Ausgleichskasse in der Vernehmlassung an die Vorinstanz richtig bemerkt hat, hätte der Standpunkt der Rekurskommission zur Folge, dass der Ausgeschlossene unter Berufung auf die angebliche Unrechtmässigkeit des Ausschlusses sowie darauf, dass dieser sich nicht mehr beweisen lasse, nach Jahr und Tag rückwirkend wieder in die freiwillige Versicherung aufzunehmen wäre, wobei Beiträge nur für fünf Jahre zurück nachgefordert werden könnten.
 
d) Auf eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel, welche die Verwaltung verpflichtet hätten, im Rahmen einer prozessualen Revision auf die Rentenablehnungsverfügung vom 11. März 1992 zurückzukommen, vermag sich die Beschwerdegegnerin nicht mit Erfolg zu berufen. In ihrer Eingabe an die Kasse vom 14. Juni 1995 brachte sie unter Hinweis auf die beigelegte Beitrittsbestätigung des Schweizer Konsulats in Mulhouse vom 27. Mai 1986 zu Handen ihres Ehegatten zwar neu vor, dass sie seinerzeit keine Rücktrittserklärung abgegeben habe und auch nie gemahnt worden sei. Dieser Umstand musste ihr jedoch spätestens auf Grund der Verfügung vom 11. März 1992, die von einer Beendigung der AHV/IV- Unterstellung per 31. Dezember 1988 ausgegangen war, bekannt sein. Sie hätte diese Tatsachenbehauptung schon damals vorbringen können und müssen. Indem sie stattdessen die Rentenablehnungsverfügung unangefochten in Rechtskraft erwachsen liess und die erwähnte Tatsachenbehauptung erst am 14. Juni 1995 gegenüber der Schweizerischen Ausgleichskasse vorbrachte, erweist sich dieser Einwand als verspätet. Denn soweit das Schreiben vom 14. Juni 1995 und die spätere Eingabe vom 21. Dezember 1995 als Gesuche um prozessuale Revision der Verfügung vom 11. März 1992 zu betrachten wären, erwiesen sie sich als klar verspätet, weil die prozessuale Revision von Verwaltungsverfügungen praxisgemäss der Befristung nach Art. 67 VwVG unterliegt (RKUV 1994 Nr. U 191 S. 145). Das Revisionsgesuch hätte demnach gestützt auf Art. 67 Abs. 1 VwVG innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes eingereicht werden müssen. Die Verneinung der Versicherteneigenschaft gemäss Verfügung vom 13. Oktober 1997 erweist sich somit auch unter dem Gesichtspunkt einer prozessualen Revision als richtig.
 
e) Wie die Ausgleichskasse zutreffend ausführt, war die Beschwerdegegnerin nicht schon ab 1. Oktober 1986, sondern erst ab 1. Januar 1989 nicht versichert, dies bis zur Neuaufnahme am 1. April 1994. In diesem Sinne ist die Verfügung vom 13. Oktober 1997 zu berichtigen.
 
3.- Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen vom 11. Dezember 1998 aufgehoben mit der Feststellung, dass die Beschwerdegegnerin vom 1. Januar 1989 bis 31. März 1994 nicht bei der AHV/IV versichert war.
 
II. Die Gerichtskosten von Fr. 1000. - werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1000. - wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet.
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 21. September 2000
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
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