VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer I 126/2000  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer I 126/2000 vom 06.10.2000
 
[AZA 7]
 
I 126/00 Vr
 
II. Kammer
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
 
Gerichtsschreiber Signorell
 
Urteil vom 6. Oktober 2000
 
in Sachen
 
W.________, 1960, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte die IV-Stelle Zürich ein Rentengesuch der 1960 geborenen W.________ ab (Verfügung vom 27. August 1998).
 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies eine dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 4. Januar 2000).
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt W.________ sinngemäss die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht geäussert.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über den Anspruch auf eine Invalidenrente, namentlich die Ermittlung des Invaliditätsgrades, sowie die Rechtsprechung zur Würdigung ärztlicher Berichte zutreffend dargestellt.
 
Darauf wird verwiesen.
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob ein rentenbegründender Invaliditätsgrad gegeben ist.
 
a) Verwaltung und Vorinstanz verneinen einen Rentenanspruch, da die Beschwerdeführerin in einer angepassten Erwerbstätigkeit trotz ihres Gesundheitsschadens ein rentenausschliessendes Einkommen erzielen könnte. Die Beschwerdeführerin widersetzt sich dieser Auffassung im Wesentlichen mit der Begründung, es dürfe nicht auf die Ergebnisse der Begutachtung vom 14. April 1998 durch die Rheumaklinik und das Institut für Physikalische Medizin des Spitals X.________ abgestellt werden. Massgeblich sei vielmehr die Auffassung der Dr. med. M.________, FMH für orthopädische Chirurgie, Zürich, vom 1. Juli 1998, wonach eine vollständige Arbeitsunfähigkeit sowohl in der bisherigen wie in jeder anderen Erwerbstätigkeit bestehe.
 
b) In den Diagnosen decken sich die Administrativgutachter und Dr. M.________ trotz unterschiedlicher Wortwahl.
 
Divergente Auffassungen liegen dagegen vor bezüglich der sich aus dem Gesundheitsschaden ergebenden Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Wenn die Vorinstanz sich dem Gutachter anschloss, so ist dies aus den im Entscheid dargelegten Gründen (v.a. umfassende Abklärung, Kenntnis sämtlicher Akten) nicht zu beanstanden. Der medizinische Sachverhalt ist für den massgeblichen Zeitraum bis zum Verfügungserlass hinreichend abgeklärt, die Befunde und deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit sind im Gutachten des Spitals X.________ vom 14. April 1998 ausführlich und widerspruchsfrei dargelegt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass trotz der schweren orthopädischen Problematik für eine vorwiegend sitzende Tätigkeit ohne längeres Gehen oder Stehen (über 30 Minuten) eine 100 %ige Arbeitsfähigkeit besteht. Dass diese erhebliche Resterwerbsfähigkeit nicht genutzt wird, lässt sich medizinisch nicht erklären.
 
c) aa) An der letzten Arbeitsstelle könnte die Beschwerdeführerin gemäss Angaben im Fragebogen für Arbeitgeber im Jahre 1997 bei einem Arbeitspensum von 6 Arbeitstagen zu 4.24 Stunden (was bei einer betriebsüblichen Wochenarbeitszeit von 41 Stunden einem 70 %-Pensum entspricht) jährlich Fr. 33'500.- verdienen. Die Vorinstanz ging demgegenüber von Fr. 50'000.- aus mit der Begründung, die Beschwerdeführerin sei als Zeitungsverträgerin bereits gesundheitlich beeinträchtigt gewesen. Vorher habe sie in der Uhrenmontage mitgearbeitet, weshalb von dem in einer solchen Tätigkeit gemäss der Dokumentation über Arbeitsplätze (DAP) erzielbaren Verdienst auszugehen sei. Sodann setzte sie das Invalideneinkommen auf Fr. 46'000.- fest.
 
Dabei stützte sie sich auf den Bericht der Berufsberatung der IV-Stelle vom 9. Juli 1998 ab, wonach gemäss DAP in einer angepassten Tätigkeit Verdienste zwischen Fr. 44'200.- und Fr. 47'450.- erzielt werden könnten.
 
bb) Für die Ermittlung des ohne Invalidität erzielbaren Einkommens ist entscheidend, was der Versicherte im massgebenden Zeitpunkt nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunder verdienen würde (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw. 3b mit Hinweis). Es ist daher in der Regel vom letzten Lohn, welchen der Versicherte vor Eintritt der Gesundheitsschädigung erzielt hat, auszugehen.
 
Aktenmässig bestehen keine Hinweise, dass die Beschwerdeführerin ihre frühere Montagetätigkeit aus gesundheitlichen Gründen hätte aufgeben müssen oder tatsächlich aufgegeben hätte. Den Eintragungen im individuellen Konto der AHV lässt sich entnehmen, dass sie bis Ende 1987 in der Westschweiz (bei der F.E.F in Fleurier und [für einen Monat] bei der Firma Xidex in Le Locle) tätig war, dabei jährlich aber nie mehr als Fr. 15'000.- verdient hatte. In den Jahren 1988 bis Mai 1990 übte sie keine Erwerbstätigkeit aus.
 
Im zweiten Halbjahr 1990 erwirtschaftete sie bei einem Arbeitgeber (Feller, Horgen) rund Fr. 23'000.-. In den folgenden Jahren hielt sich das ahv-pflichtige Jahreseinkommen wiederum, teils bei mehreren Arbeitgebern erzielt, auf dem früheren Niveau von rund Fr. 21'000.-. 1990 war damit ein ausgesprochenes Ausnahmejahr. Bei dieser Aktenlage besteht kein Anlass, vom Grundsatz, dass üblicherweise auf das zuletzt erzielte Erwerbseinkommen abzustellen ist, abzuweichen.
 
Gemäss Angaben des letzten Arbeitgebers könnte die Beschwerdeführerin 1997 als Zeitungsverträgerin Fr. 33'500.- verdienen. Davon ist auszugehen.
 
d) aa) Für die Bemessung des trotz Gesundheitsschadens noch realisierbaren Einkommens gingen Vorinstanz und Verwaltung von DAP-Löhnen aus. Ob und inwieweit dies zulässig ist, kann hier offen bleiben. Insbesondere wenn Versicherte nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihnen an sich noch zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen haben, können nämlich Tabellenlöhne beigezogen werden. Dazu ist seit 1994 von den Tabellenlöhnen auszugehen, die in der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik ausgewiesen sind. Bei deren Anwendung ist zu beachten, dass die erfassten Löhne auf einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beruhen, Teilzeitbeschäftigte in der Regel überproportional weniger verdienen als Vollzeitangestellte (BGE 124 V 323 Erw. 3b/aa) und gesundheitlich beeinträchtigte Personen, die selbst bei leichten Hilfsarbeitertätigkeiten behindert sind, im Vergleich zu voll leistungsfähigen und entsprechend einsetzbaren Arbeitnehmern lohnmässig benachteiligt sind. Es ist anhand der gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles zu prüfen, ob und in welchem Ausmass das hypothetische Einkommen als Invalider zusätzlich reduziert werden muss (AHI 1998 S. 177 Erw. 3a), dies höchstens bis zu 25 % (zur Publikation in BGE 126 V bestimmtes Urteil A. vom 9. Mai 2000 [I 482/99]).
 
bb) Laut Tabelle TA 1 der LSE 1996 (S. 17) belief sich der Zentralwert für die mit einfachen und repetitiven Aufgaben (Anforderungsniveau 4) beschäftigten Frauen im privaten Sektor auf Fr. 3455.-, was auf der Basis einer betriebsüblichen durchschnittlichen Arbeitszeit von 41,9 Stunden (vgl. LSE 1994 S. 42) und unter Berücksichtigung der Nominallohnerhöhung von 0,5 % von 1996 auf 1997 (Die Volkswirtschaft, 1999 Heft 2, Anhang S. 28, Tabelle B 10.2) im Jahre 1997 ein Gehalt von monatlich Fr. 3637.- (einschliesslich 13. Monatslohn [LSE 1994 S. 43]) und Fr. 43'644.- jährlich ergibt. Aus den medizinischen Akten lässt sich nicht schlüssig beantworten, ob sich die medizinisch bescheinigte volle Arbeitsfähigkeit auf das zuletzt ausgeübte Teilpensum von 70 % oder auf eine betriebsübliche Arbeitszeit bezieht. Auf eine Rückweisung an die Verwaltung zur weiteren Abklärung kann jedoch verzichtet werden. Denn unter Berücksichtigung aller Umstände (verminderte Einsetzbarkeit, vermehrt erforderliche Ruhepause während der Arbeitszeit) erscheint ein Abzug vom Tabellenlohn von 25 % als angemessen. Auf der Grundlage einer aus medizinischer Sicht allenfalls auf 70 % verminderten Arbeitsfähigkeit ergibt sich ein massgebendes Invalideneinkommen von Fr. 22'931.- (Fr. 43'644.- abzüglich 25 % = Fr. 32'733.-, davon 70 %). Der Vergleich mit dem Valideneinkommen von Fr. 33'500.- führt somit zu einem Invaliditätsgrad von höchstens rund 32 %. Damit hat die Beschwerdeführerin selbst bei den für sie günstigsten Annahmen keinen Anspruch auf eine Invalidenrente, weshalb der vorinstanzliche Entscheid im Ergebnis Stand hält.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 6. Oktober 2000
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).