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Informationen zum Dokument  BGer 5P.253/2000  Materielle Begründung
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BGer 5P.253/2000 vom 14.11.2000
 
[AZA 0/2]
 
5P.253/2000/min
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
 
14. November 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
 
Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Merkli und
 
Gerichtsschreiberin Senn.
 
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In Sachen
 
B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Metzler, Bahnhofstrasse 24, Postfach 617, 5401 Baden,
 
gegen
 
K.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Studer, Badstrasse 17, 5401 Baden, Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer,
 
betreffend
 
Art. 30 BV (Einlassung), hat sich ergeben:
 
A.- Mit Zahlungsbefehl vom 3. November 1997 betrieb B.________ K.________ auf Bezahlung von Fr. 467'705.-- nebst 12 % Zins seit 1. Dezember 1996. K.________ erhob Rechtsvorschlag.
 
B.- Mit Klage vom 18. Februar 1998 beantragte K.________ dem Bezirksgericht Zurzach, gestützt auf Art. 85a SchKG richterlich festzustellen, dass die in Betreibung gesetzte Forderung nicht bestehe. Das Bezirksgericht hiess die Klage mit Urteil vom 17. März 1999 gut. Hiegegen appellierte B.________ an das Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, welches die Appellation abwies.
 
C.- Gegen das Urteil des Obergerichts führt B.________ staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, dieses aufzuheben.
 
Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde; das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid verstosse gegen die Garantie des verfassungsmässigen Richters gemäss Art. 30 Abs. 1 BV. Das Obergericht habe gestützt auf BGE 125 III 149 ff. angenommen, die Klage des Beschwerdegegners könne, da der Rechtsvorschlag nicht rechtskräftig beseitigt worden sei, nicht in Anwendung von Art. 85a SchKG geschützt werden, sei aber als allgemeine negative Feststellungsklage gutzuheissen; die diesbezügliche örtliche Zuständigkeit werde durch vorbehaltlose Einlassung des Beschwerdeführers gemäss § 38 ZPO/AG begründet. Der Beschwerdeführer rügt, diese Annahme sei willkürlich. Der Beschwerdegegner habe in seinem Rechtsbegehren an das Bezirksgericht Zurzach ausdrücklich eine Feststellung "gestützt auf Art. 85a SchKG" verlangt; für die Beurteilung der allgemeinen negativen Feststellungsklage wäre das Bezirksgericht Zurzach örtlich unzuständig gewesen, weil hier gemäss § 170 i.V.m. § 24 ZPO/AG der Gerichtsstand des Beklagtenwohnsitzes massgeblich sei. Da gemäss § 75 ZPO/AG bezüglich der örtlichen Zuständigkeit die eingeschränkte Untersuchungsmaxime gelte, könne die Nichterhebung der Unzuständigkeitseinrede dem Beschwerdeführer nicht als Einlassung angelastet werden. Ohnehin sei ihm nie Gelegenheit eingeräumt worden, sich zur Frage der örtlichen Zuständigkeit hinsichtlich der allgemeinen negativen Feststellungsklage zu äussern, noch habe er dazu je Anlass gehabt. Der Beschwerdegegner habe erst in seiner Appellationsantwort mit einem Eventualbegehren die allgemeine negative Feststellungsklage erhoben. Das Obergericht hätte eine solche Klageänderung nicht zulassen dürfen, weil diese gemäss § 321 Abs. 2 i.V.m. § 185 Abs. 1 ZPO/AG nur bei Wahrung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zulässig sei; dem könne die Berufung auf den Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen gemäss § 76 ZPO/AG nicht abhelfen. Nach der Klageänderung habe zudem das Obergericht dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, weshalb der angefochtene Entscheid auch seinen Gehörsanspruch gemäss Art. 8 BV und § 184 Abs. 3 ZPO/AG verletze.
 
a) Nach Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Partei eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf Beurteilung durch das zuständige Gericht. Wird mit einer staatsrechtlichen Beschwerde eine Verletzung dieses Anspruchs geltend gemacht, so überprüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Mit freier Kognition prüft es dagegen, ob die als vertretbar erkannte Auslegung des kantonalen Prozessrechts mit der Garantie von Art. 30 Abs. 1 BV vereinbar ist (BGE 117 Ia 170 E. 1 S. 172 f.; 116 Ia 14 E. 3 S. 17 f.).
 
Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG prüft das Bundesgericht im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 118 Ia 64 E. 1b S. 67; 117 Ia 10 E. 4b S. 11; 115 Ia 183 E. 3 S. 185). Dabei genügt es nicht, bestimmte Erwägungen des angefochtenen Entscheids als willkürlich zu bezeichnen und ihnen die eigene Auffassung gegenüberzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Entscheid nicht schon dann willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erschiene oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen materieller Rechtsverweigerung vielmehr nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 121 I 113 E. 3a S. 114 mit Hinweis). Der Beschwerdeführer ist nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG gehalten, das Vorliegen dieser Voraussetzungen darzutun. Ob die Ausführungen des Beschwerdeführers diesen Anforderungen in allen Teilen genügen, kann aber offen bleiben; wie zu zeigen sein wird, erweisen sich seine Rügen als unbegründet.
 
b) Nach § 321 ZPO/AG ist im Appellationsverfahren eine Klageänderung zulässig, wenn die Voraussetzungen von § 185 ZPO/AG gewahrt sind; nach letzterer Bestimmung kann "im Rahmen der Zuständigkeit des angerufenen Richters ... gestützt auf den gleichen Sachverhalt mehr oder etwas anderes verlangt" werden. Vorliegend beantragte der Beschwerdegegner zunächst in seiner Klage, es sei "gestützt auf Art. 85a SchKG" festzustellen, dass die in Betreibung gesetzte Forderung nicht bestehe. In seiner Appellationsantwort verlangte er eventualiter die genannte Feststellung ohne den Hinweis auf Art. 85a SchKG, d.h. im Sinne einer allgemeinen negativen Feststellungsklage. Die Klage nach Art. 85a SchKG unterscheidet sich von der allgemeinen negativen Feststellungsklage in Bezug auf das anwendbare Verfahren und die besonderen betreibungsrechtlichen Voraussetzungen und Wirkungen (Art. 85a Abs. 2-4 SchKG; BGE 125 III 149 E. 2c S. 153), beinhaltet aber materiellrechtlich wie die allgemeine negative Feststellungsklage den Antrag auf Feststellung der Nichtschuld (BGE 125 III 149 E. 2c S. 151). Damit war es jedenfalls nicht willkürlich anzunehmen, die allgemeine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der in Betreibung gesetzten Schuld stelle gegenüber der Klage nach Art. 85a SchKG weder mehr noch etwas anderes dar, so dass der Eventualantrag des Beschwerdegegners in der Appellationsantwort nicht in den Geltungsbereich von § 185 ZPO/AG falle. Eine solche Auslegung verletzt Art. 30 Abs. 1 BV nicht. Offen bleiben kann damit, ob die Rüge der unzulässigen Klageänderung überhaupt zu hören ist, nachdem sie im kantonalen Verfahren unterblieben war.
 
c) Zu prüfen bleibt, ob die Annahme einer Einlassung des Beschwerdeführers auf eine Beurteilung durch das Bezirksgericht Zurzach auf willkürlicher Anwendung kantonalen Rechts beruht bzw. Art. 30 Abs. 1 BV verletzt. Nach § 38 ZPO/AG wirkt die Einlassung des Beklagten zuständigkeitsbegründend; die Berufung des Beschwerdeführers auf die beschränkte Untersuchungsmaxime gemäss § 75 ZPO/AG ist damit unbehelflich.
 
Der Beschwerdeführer hatte selbst in seiner Appellationsschrift geltend gemacht, die besonderen Voraussetzungen einer Klage nach Art. 85a SchKG seien nicht erfüllt, womit die Frage einer Beurteilung des materiellrechtlichen Anspruchs im Sinne einer allgemeinen negativen Feststellungsklage aufgeworfen wurde. Damit bestand Anlass, die entsprechende Unzuständigkeitseinrede zu erheben. Umso mehr galt dies, nachdem der Beschwerdegegner in seiner Appellationsantwort ausdrücklich den erwähnten Eventualantrag gestellt hatte. Der Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit gehabt, im Rahmen einer mündlichen Appellationsverhandlung die entsprechende Einrede vorzubringen (§ 329 Abs. 1 ZPO/AG); jedenfalls legt er nicht dar, dass dies unzulässig gewesen wäre. Er verzichtete jedoch auf die Durchführung einer Verhandlung. Unter diesen Umständen erscheint die Annahme, sein Verhalten sei als Einlassung gemäss § 38 ZPO/AG zu werten, nicht als willkürlich, und die Rügen der Gehörsverletzung sind unbegründet. Da sich der Beschwerdeführer mit der Einlassung auf das Appellationsverfahren auch dem erstinstanzlichen Gerichtsstand unterwarf, kann von einer Verkürzung des Instanzenzuges keine Rede sein.
 
Schliesslich wird die Garantie des zuständigen Richters gemäss Art. 30 Abs. 1 BV durch die einlassungshalber begründete Zuständigkeit nicht verletzt.
 
2.- Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Gerichts- und Parteikosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.- Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 10'000.-- zu entschädigen.
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
_____________
 
Lausanne, 14. November 2000
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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